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FRAGEN/056: Edith Lirsch - Familie, Hof, und Politik (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 421 - Mai 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Familie, Hof, und Politik Edith Lirsch verabschiedet sich nach 15 Jahren als AbL-Landesvorsitzende Bayerns

Das Gespräch führte Marcus Nürnberger


Unabhängige Bauernstimme: Edith Lirsch, du warst seit 2003 erste Vorsitzende der AbL Bayern. Und schon 2001 warst du Gründungsmitglied. Wie bist du zur AbL gekommen?

Edith Lirsch: Ich bin in einer sehr politischen Familie groß geworden. Während des Landwirtschaftsstudiums in Weihenstephan erinnere ich mich noch sehr gut an eine Vorlesung zur Betriebswirtschaft, in der der Professor sagte: "Wer hier sitzt und nicht 50 ha zu Hause hat, der kann gleich gehen." Das war vor über 30 Jahren, da waren 50 ha sehr viel. Ich habe mich schon damals gefragt, wohin gehen wir? Wie viel Höfe, Bauern und Bäuerinnen wird es in Zukunft noch geben und wie werden sie arbeiten, leben?

Die AbL Bayern wurde aber erst 2001 gegründet?

Ja, da liegen noch einige Jahre dazwischen. Schon während des Studiums habe ich meinen Mann kennengelernt und wir wollten beide in der Landwirtschaft, auf und von dem eigenen Betrieb leben, auch wenn er keine 50 ha hatte. Wir haben uns auf den Anbau von Gemüse konzentriert und dann aber schnell gemerkt, in welche Abhängigkeiten man sich begibt, wenn man nur wenige Abnehmer hat. Heute haben wir eine gute Direktvermarktung und den direkten Kontakt zu unseren Kunden. Mein erster Kontakt zur AbL war eine Tagung im Kloster Banz. "Und die Landfrau backt den Kuchen" hatten AbL und Frauen aus der österreichischen Bergbauernvereinigung die Veranstaltung genannt. Das hatte ich als Ortsbäuerin im Bauernverband oftmals so erfahren. Dass bei der AbL Frauen und Männer sich gleichberechtigt aktiv in die agrarpolitischen Themen einbringen, das hat mir sehr gut getan. Am Ende des Wochenendes jedenfalls haben wir zusammengesessen und uns vorgenommen, die AbL Bayern zu gründen.

Die AbL Bayern ist ja einer der stärksten Landesverbände. Konnte man bei der Gründung schon erkennen, dass in Bayern so viele engagierte Bäuerinnen und Bauern leben?

Es gab hier viele agraroppositionelle kritische Gruppen, die zum Teil gar nichts voneinander wussten. Im Allgäu war Romuald Schaber mit seinen Milchbauern, im Bayerischen Wald die Anplo mit Wolfgang König. Es gab den Grünen Kreis der katholischen Landjugend und Landvolkbewegung und viele weitere. Der große Erfolg lag auch darin, dass Andreas Remmelberger sie damals alle miteinander vernetzt hat. Seitdem haben wir viele Themen bearbeitet, die zum Teil bis heute aktuell sind: Gentechnik, Patente auf Leben, GAP, Blauzungenimpfungen, Milchkrise, Freihandelsabkommen, Höfesterben, Glyphosat, Strukturwandel.

Der Strukturwandel treibt ja noch immer die Veränderungen in der Landwirtschaft voran.

Der Strukturwandel und der Preisverfall sind immer noch ungebremst und hängen eng zusammen. Bauern leiden oft sehr lange und geben dann ganz leise auf, weil sie es nicht mehr schaffen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass uns Bäuerinnen und Bauern neben der Arbeit auf den Höfen auch Zeit zum Leben bleiben muss. Arbeitsspitzen, stressige Zeiten gehören zum Alltag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, aber diese Abläufe muss ich immer noch steuern können und die Freude vom Bauersein, einem schönen, naturnahen, abwechslungsreichen Beruf spüren und genießen können.

Welches ist für dich aktuell das wichtigste Aufgabenfeld?

Da gibt es verschiedene. Besonders aktuell ist für mich die anstehende Ausgestaltung der GAP. Der Ansatz, über den Flächenbesitz einen finanziellen Ausgleich für schlechte Preise zu fördern, war noch nie ein richtiger Weg. Es stimmt, der Boden ist die Grundlage für uns Bauern, damit wir säen, ernten, unsere Tiere ernähren können. Wir müssen gut mit unserem Boden, unseren Tieren, unseren Grundlagen wirtschaften. Die GAP-Zahlungen müssen daran gebunden werden, dass "gutes Handeln" gefördert wird. Es geht um eine Qualifizierung. Trotzdem müssen angemessene Preise in unserer wohlhabenden Volkswirtschaft konsequent eingefordert werden. Das ist lange schon überfällig.

Was denkst du, wenn du von Fusionen wie von Bayer und Monsanto hörst?

Für mich sind das Angriffe auf Bauernrechte wie freies Saatgut, Züchtung und Nachbau. Ich fühle mich von der Politik nicht vertreten. Die Konzerne haben sich gute, dichte Netzwerke in die Politik erschlossen. Für uns Bauern und Bäuerinnen ist es dagegen oft schwer, nebenbei noch einige Stunden für Politik, Überzeugungsarbeit bei Funktionsträgern abzuzweigen. Aber genau das ist sooo wichtig.

Was macht die ehemalige Landesvorsitzende Edith Lirsch jetzt?

Ich bin natürlich weiterhin engagiert an den politischen Entwicklungen interessiert. Ich bin als Kreisrätin aktiv und werde bei meinem politischen Tun oft von den Ideen und Zielen der AbL getragen. Natürlich gibt es auch vieles, was bei uns auf dem Hof, in der Vermarktung zu organisieren und zu entwickeln ist. Vor allem aber freue ich mich auf eine gute Zeit mit meiner Familie, die stetig "wächst" und mich braucht. Zuletzt aber sage ich DANKE für die so bunte, lehrreiche Zeit im AbL-Vorstand und bei den vielen Bäuerinnen und Bauern, die ich durch diese Aufgabe kennen und schätzen gelernt habe und von denen ich bis heute und wohl auch zukünftig sehr viel lernen und weitertragen werde.

Vielen Dank für das Gespräch! mn

*

Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 421 - Mai 2018, S. 19
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,80 Euro
Abonnementpreis: 46,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)

veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Juni 2018

Unabhängige Bauernstimme: Edith Lirsch, du warst seit 2003 erste Vorsitzende der AbL Bayern. Und schon 2001 warst du Gründungsmitglied. Wie bist du zur AbL gekommen?

Edith Lirsch: Ich bin in einer sehr politischen Familie groß geworden. Während des Landwirtschaftsstudiums in Weihenstephan erinnere ich mich noch sehr gut an eine Vorlesung zur Betriebswirtschaft, in der der Professor sagte: "Wer hier sitzt und nicht 50 ha zu Hause hat, der kann gleich gehen." Das war vor über 30 Jahren, da waren 50 ha sehr viel. Ich habe mich schon damals gefragt, wohin gehen wir? Wie viel Höfe, Bauern und Bäuerinnen wird es in Zukunft noch geben und wie werden sie arbeiten, leben?

Die AbL Bayern wurde aber erst 2001 gegründet?

Ja, da liegen noch einige Jahre dazwischen. Schon während des Studiums habe ich meinen Mann kennengelernt und wir wollten beide in der Landwirtschaft, auf und von dem eigenen Betrieb leben, auch wenn er keine 50 ha hatte. Wir haben uns auf den Anbau von Gemüse konzentriert und dann aber schnell gemerkt, in welche Abhängigkeiten man sich begibt, wenn man nur wenige Abnehmer hat. Heute haben wir eine gute Direktvermarktung und den direkten Kontakt zu unseren Kunden. Mein erster Kontakt zur AbL war eine Tagung im Kloster Banz. "Und die Landfrau backt den Kuchen" hatten AbL und Frauen aus der österreichischen Bergbauernvereinigung die Veranstaltung genannt. Das hatte ich als Ortsbäuerin im Bauernverband oftmals so erfahren. Dass bei der AbL Frauen und Männer sich gleichberechtigt aktiv in die agrarpolitischen Themen einbringen, das hat mir sehr gut getan. Am Ende des Wochenendes jedenfalls haben wir zusammengesessen und uns vorgenommen, die AbL Bayern zu gründen.

Die AbL Bayern ist ja einer der stärksten Landesverbände. Konnte man bei der Gründung schon erkennen, dass in Bayern so viele engagierte Bäuerinnen und Bauern leben?

Es gab hier viele agraroppositionelle kritische Gruppen, die zum Teil gar nichts voneinander wussten. Im Allgäu war Romuald Schaber mit seinen Milchbauern, im Bayerischen Wald die Anplo mit Wolfgang König. Es gab den Grünen Kreis der katholischen Landjugend und Landvolkbewegung und viele weitere. Der große Erfolg lag auch darin, dass Andreas Remmelberger sie damals alle miteinander vernetzt hat. Seitdem haben wir viele Themen bearbeitet, die zum Teil bis heute aktuell sind: Gentechnik, Patente auf Leben, GAP, Blauzungenimpfungen, Milchkrise, Freihandelsabkommen, Höfesterben, Glyphosat, Strukturwandel.

Der Strukturwandel treibt ja noch immer die Veränderungen in der Landwirtschaft voran.

Der Strukturwandel und der Preisverfall sind immer noch ungebremst und hängen eng zusammen. Bauern leiden oft sehr lange und geben dann ganz leise auf, weil sie es nicht mehr schaffen. Ich habe mich immer dafür eingesetzt, dass uns Bäuerinnen und Bauern neben der Arbeit auf den Höfen auch Zeit zum Leben bleiben muss. Arbeitsspitzen, stressige Zeiten gehören zum Alltag auf einem landwirtschaftlichen Betrieb, aber diese Abläufe muss ich immer noch steuern können und die Freude vom Bauersein, einem schönen, naturnahen, abwechslungsreichen Beruf spüren und genießen können.

Welches ist für dich aktuell das wichtigste Aufgabenfeld?

Da gibt es verschiedene. Besonders aktuell ist für mich die anstehende Ausgestaltung der GAP. Der Ansatz, über den Flächenbesitz einen finanziellen Ausgleich für schlechte Preise zu fördern, war noch nie ein richtiger Weg. Es stimmt, der Boden ist die Grundlage für uns Bauern, damit wir säen, ernten, unsere Tiere ernähren können. Wir müssen gut mit unserem Boden, unseren Tieren, unseren Grundlagen wirtschaften. Die GAP-Zahlungen müssen daran gebunden werden, dass "gutes Handeln" gefördert wird. Es geht um eine Qualifizierung. Trotzdem müssen angemessene Preise in unserer wohlhabenden Volkswirtschaft konsequent eingefordert werden. Das ist lange schon überfällig.

Was denkst du, wenn du von Fusionen wie von Bayer und Monsanto hörst?

Für mich sind das Angriffe auf Bauernrechte wie freies Saatgut, Züchtung und Nachbau. Ich fühle mich von der Politik nicht vertreten. Die Konzerne haben sich gute, dichte Netzwerke in die Politik erschlossen. Für uns Bauern und Bäuerinnen ist es dagegen oft schwer, nebenbei noch einige Stunden für Politik, Überzeugungsarbeit bei Funktionsträgern abzuzweigen. Aber genau das ist sooo wichtig.

Was macht die ehemalige Landesvorsitzende Edith Lirsch jetzt?

Ich bin natürlich weiterhin engagiert an den politischen Entwicklungen interessiert. Ich bin als Kreisrätin aktiv und werde bei meinem politischen Tun oft von den Ideen und Zielen der AbL getragen. Natürlich gibt es auch vieles, was bei uns auf dem Hof, in der Vermarktung zu organisieren und zu entwickeln ist. Vor allem aber freue ich mich auf eine gute Zeit mit meiner Familie, die stetig "wächst" und mich braucht. Zuletzt aber sage ich DANKE für die so bunte, lehrreiche Zeit im AbL-Vorstand und bei den vielen Bäuerinnen und Bauern, die ich durch diese Aufgabe kennen und schätzen gelernt habe und von denen ich bis heute und wohl auch zukünftig sehr viel lernen und weitertragen werde.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 421 - Mai 2018, S. 19
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/905 31 71, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de
 
Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
Einzelausgabe: 3,80 Euro
Abonnementpreis: 46,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 32,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Juni 2018

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