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FRAGEN/054: Barbara Otte-Kinast - "Will Ministerin für alle Betriebe sein" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 418 - Februar 2018
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Will Ministerin für alle Betriebe sein"
Niedersachsens neue Landwirtschaftsministerin Barbara Otte-Kinast (CDU) zu Milch, GAP und Tierwohl

Interview von Claudia Schievelbein


Unabhängige Bauernstimme: Sie sind Milchbäuerin. Die Mengen steigen, der Preis geht runter. Niedersachsen war zuletzt in der AMK mit ein Vorreiter bei dem Beschluss, mengensteuernde Maßnahmen auf politischer Ebene einzufordern. Werden Sie sich auch dafür einsetzen?

Barbara Otte-Kinast: Ich sehe das eigentlich so, dass der Markt den Preis bestimmt und halte es grundsätzlich für problematisch, da einzugreifen. Bei den Agrarmärkten handelt es sich nun mal um volatile Märkte, nicht nur bei der Milch, auch beim Getreide und bei Schweinen. Forderungen nach Markteingriffen sehe ich daher kritisch. Stattdessen sehe ich die Aufgabe der Politik darin, die Rahmenbedingungen so zu ändern, dass die Betriebe wirtschaftlich auf den Märkten klarkommen. Wir sind gerade dabei, bei unseren landeseigenen Förderprogrammen zu gucken, wie wir die Betriebe wirklich stärken können, beispielsweise im Hinblick auf die Düngeverordnung. Da stehen für viele jetzt Investitionen an, um Lagerkapazitäten zu erweitern und Ähnliches, da wollen wir unterstützen. Das ist nur ein Beispiel, es gibt noch diverse andere Instrumente. Und ich erwarte auch von der Branche, von den Molkereien und vom Handel, dass sie negativen Marktentwicklungen künftig besser entgegensteuern.

In Sachen Tierwohl gibt es derzeit widersprüchliche Signale von Ihnen: Zwar haben Sie betont, den Tierschutzplan, der ja noch von ihrem Parteikollegen Lindemann stammt, fortführen zu wollen, andererseits soll eine der deutlichsten Tierwohlmaßnahmen ihres grünen Vorgängers, die Ringelschwanzprämie, auf den Prüfstand. Was ist mit der Planungssicherheit?

Es geht einfach darum, zu prüfen, welche Maßnahmen wem etwas bringen und wie die Programme vor Ort umgesetzt werden. Das gilt für alle Bereiche, nicht nur für die Ringelschwanzprämie. Klar ist auch, der Tierschutzplan muss weiter umgesetzt werden, und ebenso wichtig ist die nationale Nutztierhaltungsstrategie im Bund. Da wollen wir uns als großes tierhaltendes Bundesland stärker einbringen. Wir müssen Tierschutz aber mit den Praktikern machen, das Ganze muss praktikabel sein und die Betriebe müssen trotzdem Geld verdienen. Wir wollen möglichst viele mitnehmen und gucken, wo es gut läuft. Aber das Tierwohl liegt mir sehr am Herzen.

Bietet eine Prämie da nicht genau die Anreize für die Praxis?

Ja, und mir ist aufgefallen, dass dadurch Landwirte mehr miteinander ins Gespräch gekommen sind. Sie entwickeln neue Ideen, sind gut vernetzt und tauschen ihre Erfahrungen aus.

Eine weitere Baustelle ist Glyphosat: Sie begrüßten die Neuzulassung, andererseits thematisierten Sie mit ihrem Ministerkollegen Lies vom Umweltressort ein Ausstiegsszenario. Wie geht es nun weiter?

Ich bin erstmal froh, dass endlich eine Entscheidung getroffen wurde und die Landwirte nun wissen, dass es weitergeht. Es ist aber auch klar, dass nach Alternativen gesucht werden muss, weil es in der Gesellschaft keine Akzeptanz für den Einsatz von Glyphosat gibt. Die Frage ist, wie kommen wir aus der Nummer raus? Man muss überlegen, wie der Einsatz weiter eingeschränkt werden kann. So sollte das Mittel nicht mehr an Privatkunden verkauft werden und nur noch an Landwirte, die die Sachkunde haben.

Glyphosat ist aber ja nicht nur eine Frage der gesellschaftlichen Akzeptanz, sondern auch eines billigen, rationalisierten Ackerbausystems.

Ja, das sagen ja auch die Landwirte, und ich höre oft: "Macht es teurer, dann wird es auch nur da eingesetzt, wo nichts anderes mehr geht, in schwierigen Jahren oder bei schwierigen Bedingungen." Bei guter Bodenbearbeitung braucht man es kaum. Es war bislang das leichte Mittel der Wahl. So etwas wie der Einsatz zum Erntezeitpunkt, das war unklug. Da muss auch der Berufsstand mit sich ins Gericht gehen.

Jetzt steht die Agrarreform auf europäischer Ebene an, der Vorschlag Niedersachsens zur GAP, der jetzt für die außerordentliche AMK auf dem Tisch lag, ist eher ein "Weiter so" als ein Umsteuern, Erhalt der zwei Säulen, die erste unqualifiziert nach Hektarzahlen, richtig?

Ich halte aber die klassische Basisprämie der ersten Säule gerade für kleine und mittlere Betriebe für eine in vielen Fällen existenzsichernde Maßnahme. Viele kleinere Betriebe kommen ohne Direktzahlungen nicht aus. Ich warne davor, alle Zahlungen an zu viele Gegenleistungen zu binden, das ist gerade für Familienbetriebe schwer zu schaffen. Aber ganz ohne Gegenleistung für die Allgemeinheit wird man das nicht erklären können. In der zweiten Säule wollen wir mehr Agrarumweltmaßnahmen, mehr zum Erhalt der ländlichen Räume tun, auch für Tierschutz. Der spielt allerdings in Deutschland eine größere Rolle als in anderen europäischen Mitgliedsstaaten.

Sie haben ihrem Vorgänger Meyer im Wahlkampf mal Klientelpolitik in Richtung Ökos vorgeworfen, machen Sie jetzt wieder Politik in Richtung konservativer landwirtschaftlicher Kräfte, die im Stall und auf dem Acker möglichst wenig Veränderung wollen?

Man kann nie alles so lassen, wie es ist, und ich möchte eine Ministerin für alle Betriebe sein, das ist mir ganz wichtig. Ich habe mich jetzt gezielt mit Verbänden des Ökolandbaus getroffen, auch um zu erfahren, welche Forderungen es an die Politik gibt. Ich finde den Bereich sehr spannend und - wer weiß - vielleicht haben wir nächstes Jahr schon unseren Betrieb umgestellt [lacht]? Durch meine vorherige Tätigkeit als Landfrauenvorsitzende habe ich mit vielen Menschen auf dem Land diskutiert, mit Menschen aller Berufszweige, nicht nur aus der Landwirtschaft, das ist jetzt ein Vorteil. Ich komme aus einer anderen Rolle, werde überall unvoreingenommen eingeladen. Jetzt habe ich ein anderes Amt und muss sehen, wo die Probleme sind und wie ich sie sachgerecht lösen kann - mit allem Willen und aller Durchsetzungskraft.


Vielen Dank für das Gespräch!


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:

Barbara Otte-Kinast (CDU) bewirtschaftet mit ihrem Mann einen Milchviehbetrieb in Beber bei Bad Münder

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Keine Weideprämie in Niedersachsen

von Marcus Nürnberger

Auch wenn die neue niedersächsische Landwirtschaftsministerin im Interview von einer Ausweitung der Agrarumweltmaßnahmen und von mehr Tierschutz spricht, so weisen ihre ersten Amtshandlungen doch in eine ganz andere Richtung. Schon unter ihrem Vorgänger Christian Meyer war klar, dass es keine Fortsetzung der Ausgleichszahlungen für benachteiligte Gebiete (AGZ) nach 2018 geben würde. Meyer hatte diese Zahlungen eingeführt und ihre Auszahlung auf Grünlandstandorte beschränkt. Geplant war, sie ab 2019 durch eine Weideprämie zu ersetzen. Diese hätte sich anders als die AGZ nicht an der Fläche, sondern an der Tierzahl als Berechnungsgröße orientiert. Den jetzt angekündigten Wegfall der Förderung kritisiert der Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) Ottmar Ilchmann: "Gerade vor dem Hintergrund des wieder schwächelnden Milchmarktes sind diese Zahlungen für die Grünlandbetriebe unentbehrlich, ihr Wegfall ist ein verheerendes Signal." Gerade die geplante Weideprämie hätte mittelständische, bäuerliche Betriebe mit einer flächengebundenen Tierhaltung gefördert und eine gesellschaftlich hoch akzeptierte Haltung auf der Weide unterstützt, so die AbL weiter. Das offizielle Argument der neuen Landwirtschaftsministerin sind leere Kassen: "Bei meinem Amtsantritt habe ich eine Situation vorgefunden, in der bereits veranlasste Prämienanhebungen so viele Mittel für den Ökolandbau und die Agrarumwelt- und Klimamaßnahmen binden, dass eine weitere Förderung durch die Ausgleichszulage schlichtweg nicht mehr finanzierbar ist", so die Ministerin. Dabei hatte Vorgänger Meyer, so wird berichtet, bereits Abmachungen mit dem damaligen Finanzminister über zusätzliche Mittel in Höhe von 30 Mio. Euro. Im von der neuen Landesregierung diskutierten Nachtragshaushalt wurden diese aber nicht aufgeführt. Ilchmann fordert, diese Position zu überdenken. Auch der rot-schwarzen Landesregierung müsse der Erhalt der Weidetierhaltung und der bäuerlichen Betriebe etwas wert sein.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 418 - Februar 2018, S. 4
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. März 2018

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