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FRAGEN/052: Péter Batáry - "Kleinere Ackerflächen brauchen finanzielle Unterstützung" (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 416 - Dezember 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Kleinere Ackerflächen brauchen finanzielle Unterstützung"
Agrarökologe PD Dr. Péter Batáry zu kleinräumigen Strukturen, Biodiversität und Wirtschaftlichkeit

Interview von Christine Weißenberg


Im Sommer 2017 hat PD Dr. Péter Batáry, Universität Göttingen, zusammen mit Kollegen und Kolleginnen eine Studie veröffentlicht, nach der klein strukturierte Ackerflächen eine gleich große Bedeutung für die Biodiversität haben wie eine ökologische Bewirtschaftungsweise. Für die Untersuchung wurden Weizenfelder in Niedersachsen und Thüringen parallel untersucht: groß strukturiert - klein strukturiert, ökologisch - konventionell, jeweils bezogen auf die ökologischen, aber auch auf die ökonomischen Auswirkungen. Klein strukturierte konventionelle Flächen waren der ökologisch großflächigen Landbewirtschaftung im Bezug auf die Artenvielfalt überlegen. Die ökonomische Auswertung ergab, dass sich der ökologische Wert kleiner Strukturen wirtschaftlich für die Betriebe nicht widerspiegelt. Beteiligt an der Untersuchung waren Wissenschaftler, die sich an verschiedenen Universitäten und Forschungsinstituten mit Ökologie, Agrarlandschaften, Biologie, Umweltwissenschaften, Agrarökonomie und ländlicher Entwicklung befassen.


Unabhängige Bauernstimme: Wie ist es zu dieser Studie gekommen?

Péter Batáry: Ich bin ungarischer Wissenschaftler. Und als ich das erste Mal Deutschland besucht habe, war das ein Kulturschock, zu sehen, wie klein in Westdeutschland rund um Göttingen die Ackerflächen sind: im Schnitt zwei bis drei Hektar groß. In Ungarn sind die Flächen mindestens mehrere zehn Hektar groß. Im Rahmen eines EU-Projektes hatte ich die Arbeitsgruppe um Professor Teja Tscharnke von der Uni Göttingen kennen gelernt, die für ihre Ökosystemforschung bekannt ist. Damals entstand die Idee, genau entlang dieses Ost-West-Unterschieds zu agrarökologischen Themen und Fragen zu forschen. So verschiedene landschaftliche Strukturen durch eine ehemalige Ost-West-Teilung innerhalb eines Landes sind extrem interessant. Es hat mich sehr überrascht, warum dies noch nicht von Deutschland aus untersucht worden ist. In dieser Studie wollten wir die strukturellen Unterschiede entlang des früheren Eisernen Vorhangs in Bezug auf die Artenvielfalt und die Wirtschaftlichkeit untersuchen.

Unabhängige Bauernstimme: Was ist das Besondere, welche Entwicklungen kennzeichnen die verschiedenen Strukturen im Westen und im Osten?

Péter Batáry: Die Flurbereinigung, wie sie in Ostdeutschland ebenso wie fast im gesamten ehemaligen Ostblock stattgefunden hat, ist weiterhin sehr deutlich sichtbar. Nach dem Krieg wurde die Intensivierung der Landwirtschaft mit einer umfassenden Kollektivierung der Höfe kombiniert, die Äcker zusammengelegt, um sie besser mit großen Maschinen bearbeiten zu können. Die Strukturen der zwei regional benachbarten Agrarlandschaften in Niedersachsen und Thüringen unterscheiden sich erheblich: Die Felder im Osten sind mehr als sechsmal so groß und im Westen gibt es über 70 % mehr Feldkanten. Wir haben die Unterschiede u. a. ganz eindrücklich mit einem Luftbild gezeigt. Und bei den Untersuchungen zur Biodiversität haben wir das klare Ergebnis, dass an den Feldrändern die größte Artenvielfalt in Form von Pflanzen- und Arthropodenvorkommen zu finden ist. Wir haben Messparzellen in verschiedenen Abschnitten auf den Flächen angelegt: an den Feldrändern, im Feldinneren und in der Feldmitte. Deutlich mehr Artenreichtum fanden wir am Flächenrand: 25 % mehr als im Inneren oder im Zentrum der Felder.

Wenn man dieses Ergebnis hochskaliert entsprechend der oben genannten unterschiedlichen Feldkantenlängen, dann ergibt sich, dass die Flächenstruktur im Westen deutlich artenreicher ist als im Osten.

Unabhängige Bauernstimme: Die ökologische Bewirtschaftung erwies sich jeweils innerhalb einer Flächenstruktur als besser für die Biodiversität als die konventionelle. Aber die klein strukturierten konventionellen Flächen im Westen zeigten einen höheren Wert für die Biodiversität als der groß strukturierte Ökolandbau im Osten.

Péter Batáry: Ja, bezogen auf Biodiversitätseffekte sind die Leistungen einer klein strukturierten Landwirtschaft höher, auch wenn konventionell gewirtschaftet wird. Allerdings haben wir in dieser Studie auch keine anderen ökologischen Auswirkungen wie z. B. Pestizidrückstände untersucht. Konventionelle Bauern und Bäuerinnen beider Regionen verwendeten rund fünfmal so viel Stickstoffdünger wie ökologische Kollegen und Kolleginnen, setzten verglichen mit dem kompletten Verzicht fünf Mal pro Jahr synthetische Pestizide ein und erzielten, für die Standortverhältnisse der Untersuchungsregion typisch, ungefähr doppelt so hohe Ernteerträge.

Unabhängige Bauernstimme: Außerdem haben Sie ökonomische Daten ausgewertet und für jedes Feld jeweils pro Hektar und Jahr den Gesamtgewinn durch Abzug der Gesamtkosten von den Gesamterlösen erhoben. Was hat diese Betrachtung der wirtschaftlichen Auswirkungen je nach Art der Flächen und Bewirtschaftungsweise ergeben?

Péter Batáry: Für uns waren die deutlich größeren Gewinne pro Hektar bei der ökologischen Bewirtschaftung eine große Überraschung, auch wenn es dabei zwischen den Betrieben eine große Varianz gibt. Durchschnittlich erreichten die ökologischen Betriebe um 100 Prozent höhere Gewinne pro Hektar als die konventionellen Betriebe - wozu nur zu einem kleinen Anteil die staatliche Förderung der ökologischen Wirtschaftsweise beiträgt. Nochmal höher sind die Gewinne von den Ökolandbauflächen im großflächigen Osten. Die Großstrukturen, konventionell und öko, verzeichneten einen durchschnittlich um 50 bis 60 Prozent höheren Gewinn pro Hektar als die kleineren Strukturen im Westen - obwohl der Ertrag pro Hektar derselbe ist. Die Gründe haben wir nicht näher untersucht, vermuten aber bessere Vermarktungsmöglichkeiten der anfallenden größeren Mengen mit besseren Preiskonditionen. In den Ökobetrieben wurde der Weizen häufiger als Brotgetreide verwendet, so dass im Vergleich mit der Verwendung als Futtergetreide höhere Erlöse erzielt wurden.

Unabhängige Bauernstimme: Was für Schlussfolgerungen ziehen Sie aus den Ergebnissen?

Péter Batáry: Der Ökolandbau wird durch die EU-Förderpolitik unterstützt - eine kleinräumige Flächenstruktur mit vielen Feldrändern bisher jedoch nicht. Und durch die ökonomische Auswertung ergibt sich zumindest aus Perspektive der Flächenbewirtschaftung: Für kleinere Strukturen bräuchte es eine höhere Kompensation, um die wirtschaftlichen Unterschiede auszugleichen. Eine zukünftige Ausrichtung der EU-Förderpolitik an der Unterstützung und Umgestaltung von Agrarlandschaften hin zu kleinen Flächen und vielen Feldkanten könnte eine ökonomisch machbare Möglichkeit darstellen, um die Biodiversität der Agrarflächen zu verbessern. Für die Ökologie am effizientesten erscheinen uns kleinräumige Flächen, ökologisch bewirtschaftet - eben weil der Ökolandbau noch andere positive Auswirkungen hat.

Unabhängige Bauernstimme: Vielen Dank für das Gespräch!


Batáry, P.; Gallé, R.; Riesch, F. et al. (2017): The former iron curtain still drives biodiversity-profit trade-offs in German agriculture. In: Nature Ecology and Evolution, Vol. 1, S. 1279-1284

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 416 - Dezember 2017, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. Januar 2018

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