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FRAGEN/049: Möglichkeiten und Risiken neuer Gentechnik-Verfahren (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 411 - Juni 2017
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Möglichkeiten und Risiken neuer Gentechnik-Verfahren

Interview mit Dr. Margret Engelhard, Leiterin des Fachgebiets "Bewertung gentechnisch veränderter Pflanzen/Gentechnikgesetz" im BfN

von Annemarie Volling


Unabhängige Bauernstimme: Frau Engelhard, Sie sind Biologin und haben selber lange in Genetik-Laboren gearbeitet. Was ist neu an den Genome-Editing Verfahren im Vergleich zur alten Gentechnik? Können Sie das anhand CRISPR/Cas darstellen?

Dr. Margret Engelhard: Vor allem die CRISPR/Cas Technologie ist ein technischer Durchbruch. Mit diesem neuen biotechnologischen Instrument ist es möglich, gezielter und schneller ins Genom einzugreifen. Außerdem wird es leichter Organismen, die bisher noch nicht so ohne weiteres gentechnisch verändert werden konnten, für diese Technik zugänglich zu machen.

Heißt das, dass CRISPR/Cas mehr kann als die bisher verwendeten Gentechnik Verfahren?

Ja. CRISPR/Cas hat die Potenz Organismen viel weitreichender zu verändern, als bisher verwendete Gentechnik-Verfahren. So können beispielsweise ganze Stoffwechselwege ausgeschaltet oder verändert werden. Oder es werden synthetische Gene - also Gene, die so nicht in der Natur vorkommen - eingebracht. Dies eröffnet neue Möglichkeiten. Parallel dazu können aber auch genauso unerwartete neue negative Folgen entstehen. Risikoforschung dazu gibt es aktuell allerdings noch sehr wenig.

Mit CRISPR/ist also vieles möglich...

CRISPR/Cas kann beispielsweise dazu eingesetzt werden einzelne Transgene, also artfremde Gene, in Organismen einzubringen, so wie das auch bei den alten Gentechnik-Verfahren praktiziert wird. Oder es werden sehr viele neue Transgene eingebracht und Organismen so von Grund auf umgebaut. Diese sogenannte Synthetische Biologie ist vor allem für die Risikobewertung eine Herausforderung, weil so ganz neue Organismen entstehen und klassische Bewertungsmethoden nicht mehr greifen. Der dritte Bereich wird momentan stark diskutiert, weil die rechtliche Einordnung als Gentechnik teilweise in Frage gestellt wird. Hier werden durch CRISPR/Cas einzelne Basenpaare - die "Buchstaben" der DNA - in den Genen gezielt hinzugefügt oder entfernt. Diese Gene werden dann entweder stillgelegt, verändert oder in ihrer Wirkung verstärkt. Hier haben auch kleine Veränderungen, gerade weil sie nun gezielt möglich sind, das Potential, immense Wirkungen zu entfalten.

Wann genau kommt CRISPR/Cas bei der Entwicklung neuer Nutzpflanzen zum Einsatz? Was geht "schneller"?

CRISPR/Cas ist ein Molekülkomplex aus Nukleinsäure und Protein, der erst einmal in die Pflanze eingebracht werden muss, um dort die genetische Veränderung zu bewirken. Dies geschieht - derzeit in der Regel noch wie bei der alten Gentechnik - beispielsweise mit der Hilfe eines Bakteriums (Agrobakterium), das eine Pflanzenzelle infiziert und den CRISPR/Cas-Komplex einschleust. Aus dieser einzelnen veränderten Pflanzenzelle wird dann wieder eine ganze Pflanze regeneriert. Diese Regeneration einer Pflanze aus der veränderten einzelnen Zelle, geschieht allerdings nicht immer fehlerfrei. Durch die Effektivität von CRISPR/Cas, kann die genetische Veränderung selber schneller herbeigeführt werden. Was aber nicht schneller erfolgt, ist die Erforschung der Funktion möglicher Zielgene. Dies ist aber wiederum der zeitaufwendigste Teil bei der Entwicklung neuer Sorten.

Die neuen Gen-Scheren sollen präzise und sicher sein. Und man soll am Ende nicht mehr unterscheiden können, ob die Veränderung "natürlich" oder durch eine Gen-Schere eingebracht werden sind.

Ich finde die Diskussion zur Natürlichkeit wenig hilfreich. Auch in der Natur findet man Gentransfer über die Artgrenze hinweg. Wenn etwas aber auch in der Natur vorkommt, heißt das nicht automatisch, dass es auch sicher ist. Viren können zum Beispiel durch natürliche Mutationen viel schädlicher werden als vorher. Wenn solch eine Mutation in der Natur eintritt, kann ich das nicht verhindern. Wenn aber der Mensch aktiv Organismen genetisch verändert, sollte er nur solche Veränderungen einführen, die keine Risiken für die menschliche Gesundheit und die Natur mit sich bringen.

Sollten Ihrer Meinung nach die neuen Gentechnik-Verfahren reguliert werden?

Aus unserer Sicht sind CRISPR/Cas Verfahren momentan bereits reguliert. Ein vom BfN beauftragtes Rechtsgutachten sowie ein weiteres Gutachten sehen viele Neue Techniken eindeutig im Regelungsbereich der GVO-Freisetzungsrichtlinie. Unabhängig davon sprechen aber auch viele naturwissenschaftliche Gründe für eine Regulierung: Wegen ihres enormen Potenzials zur Veränderung von Organismen beinhalten die Neuen Techniken Chancen wie auch Risiken. Eine neue, sich rasant entwickelnde Technologie ist aber nur nachhaltig nutzbar, wenn auch das Vorsorgeprinzip beachtet wird. Das heißt, damit hergestellte Organismen sollten nicht ohne eine Form der Prüfung auf den Markt und in die Natur gelangen, und dafür bietet sich gegenwärtig das europäische Gentechnikrecht an.

Können Sie Beispiele nennen, wie sich der Einsatz von CRISPR/Cas in der Pflanzenzucht möglicherweise negativ auf die Umwelt auswirken kann?

Beispielsweise können Neue Techniken mit wenigen Veränderungen eine Herbizidresistenz bewirken, deren Nutzung den Rückgang der Agrobiodiversität weiter vorantreibt. Andere Eigenschaften sind weitaus komplexer und mit Neuen Techniken erstmalig in greifbare Nähe gerückt wie eine höhere Stressresistenz. Die könnte aber auch dazu führen, dass sich Pflanzen in der Natur bzw. an neuen Standorten besser etablieren und hier andere Arten verdrängen.

Was passiert, wenn es zu Freisetzungen kommt und Europa im Nachhinein beschließt, die neuen Gentechnik-Verfahren als GVO einzustufen?

Dann wird es zu massiven Problemen bei der Einhaltung von GVO-Schwellenwerten kommen. Schon allein deshalb sollten aus unserer Sicht, vor einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs, CRISPR/Cas Organismen immer als Gentechnik eingestuft werden.


Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Annemarie Volling, Netzwerk gentechnikfreie Landwirtschaft.


Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) ist die wissenschaftliche Behörde des Bundes für den nationalen und internationalen Naturschutz. Es ist eine der Ressortforschungseinrichtungen des Bundes und gehört zum Geschäftsbereich des Bundesumweltministeriums.



Neue gentech Verfahren

Genome Editing mit seinem neusten Instrument CRISPR/Cas nennt sich ein aktuell neuer Zweig der biotechnologischen Forschung. Hinter dem Begriff CRISPR/Cas verbirgt sich ein neues gentechnisches Werkzeug, das gezielte Veränderungen der Erbinformation von Tier, Pflanzen, Menschen und Mikroorganismen ermöglicht. Die Spannbreite der Veränderungen ist dabei enorm: von der Veränderung eines Buchstaben der DNA bis zum Einfügen von vollständig synthetisch hergestellter Erbinformation. Auch die "klassische" Agro-Gentechnik, wie sie auf den Äckern vieler Länder wächst, hat Verwendung für CRISPR/Cas. Zurzeit wird wissenschaftlich und rechtlich darüber gestritten, ob eine Untergruppe der Gen-editierte Organismen, - sogenannte "Neue Techniken" - als gentechnisch veränderte Organismen (GVO) einzustufen sind. Nur dann wären die für GVO geltenden EU-Richtlinien anzuwenden, sprich eine Risikountersuchung, Zulassungsverfahren, Rückverfolgbarkeit, Kennzeichnung und Monitoring gewährleistet.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 411 - Juni 2017, S. 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2017

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