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FRAGEN/042: Maria Heubuch - Afrika, das neue Spielfeld der Agrarkonzerne (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 400 - Juni 2016
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Afrika, das neue Spielfeld der Agrarkonzerne
Ob die New Food Alliance Entwicklungshilfe für die Bevölkerung oder Wachstumsmarkt für Unternehmen ist, steht noch nicht fest

Gespräch von Marcus Nürnberger mit der grünen EU-Parlamentarierin Maria Heubuch


"Frau Heubuch, der Entwicklungsausschuss des Europäischen Parlaments hat unter Ihrer Führung Ende April einen Initiativbericht zur New Alliance for Food Security and Nutrition in Africa (NAFSN) verabschiedet. Was ist Ihre Kritik an dieser Initiative zur Ernährungssicherung?

Maria Heubuch: Die Neue Allianz wird von der EU unterstützt und soll Hunger bekämpfen. Doch in der Praxis fördert sie multinationale Konzerne und eine ressourcenintensive Landwirtschaft, die von Gentechnikpflanzen und Mineraldüngern abhängt. Sie versucht in afrikanischen Staaten, in denen ein Großteil der Bevölkerung von Subsistenzlandwirtschaft lebt, unser agrarindustrielles System einzuführen. Das Europäische Parlament benannte zahlreiche ernste Probleme innerhalb der Initiative und fordert von der Kommission sowie den EU-Mitgliedstaaten, diese zu lösen. Andernfalls würde ich so weit gehen, den Ausstieg aus der Neuen Allianz zu fordern.

Wie kann man sich die Umstellung auf ein agrarindustrielles System vorstellen? Der Schritt von der Feldbearbeitung mit der Hacke zur industriellen Produktion ist groß.

Wenn große ausländische Firmen, die bereits mit industriellen Methoden arbeiten, Land aufkaufen, geht die Umstellung durchaus schnell. Veränderungsprozesse können aber auch langsam, etwa über Gesetzesreformen stattfinden. Nehmen wir Saatgut als Beispiel: In den meisten afrikanischen Ländern tauschen oder handeln Bauern ihr Saatgut untereinander. Das sorgt für eine große Sortenvielfalt. Nun sollen durch die New Alliance Staaten dazu verpflichtet werden, sich an das "Übereinkommen zum Schutz von Pflanzenzüchtungen" (UPOV) zu halten. Dieses betrachtet Pflanzen als geistiges Eigentum, deshalb kann Saatgut nicht mehr ohne Lizenzen vermehrt werden. Wenn nun durch die Umstellung der Landwirtschaft neue ertragreichere Sorten eingesetzt werden, bringen diese den lokalen Saatgutmarkt mittelfristig zum Erliegen und Bauern werden von internationalen Saatgutunternehmen abhängig. Das läuft dem eigentlichen Ziel, das Leben von lokalen KleinbäuerInnen zu verbessern, entgegen.

In den betroffenen Ländern herrscht in der Regel eine ganz andere Eigentumskultur als bei uns. Oftmals sind die Eigentumsfragen des bewirtschafteten Lands nach unserem Rechtsverständnis ungeklärt. Hirtenvölker besitzen manchmal kein Land, ihre Tiere grasen auf dem Land der Allgemeinheit. Aber auch das ist nirgendwo festgeschrieben. Verändert sich diese Situation durch die New Alliance?

Tatsächlich gibt es in manchen Regionen Afrikas keine Grundbücher, in denen der Besitz festgeschrieben wäre, und öffentliche Flächen stehen zum Nutzen aller zur Verfügung. Wenn eine Regierung solche Flächen an Investoren verkauft, entzieht sie einem Teil der Bevölkerung die Lebensgrundlage. Die Vergabe von Landtiteln mag aus europäischer Perspektive positiv klingen, ist es aus afrikanischer aber nicht unbedingt, denn sie ist eine Vorbedingung für den Ankauf von Land durch Unternehmen - und für Landgrabbing. In Malawi etwa wurde im Rahmen der New Alliance "brachliegendes" Land Investoren bereitgestellt. Doch in Wahrheit handelt es sich um die fruchtbarsten Böden, die der kleinbäuerlichen Landwirtschaft nun fehlen, wie der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für Recht auf Nahrung kritisiert. Ein weiteres Problem ist, dass es für die betroffene Bevölkerung keine Möglichkeit gibt, Beschwerde einzulegen. Wenn im Rahmen der New Alliance etwa ein Dorf seine öffentlichen Flächen an einen Konzern abtritt und mit diesem aushandelt, er müsse dafür in die Infrastruktur investieren - eine Schule bauen, ein Krankenhaus - was passiert, wenn das Unternehmen sich nicht daran hält? Es bräuchte eine Ombudsstelle und mehr Transparenz. Die aber gibt es nicht.

Monsanto hat dem EU-Parlament vorgeworfen, es sei neokolonialistisch, weil es sich gegen eine Unterstützung von gentechnisch veränderten Pflanzen in Afrika ausgesprochen hat.

Ja, Monsanto sagte, afrikanische Regierungen sollten "selbst entscheiden", ob sie Gentechnik verwenden möchten oder nicht. Sind plötzlich also auch Großkonzerne für die Selbstbestimmung von Entwicklungsländern? Wohl kaum. In Südafrika ist Monsanto kürzlich mit dem Gen-Mais MON810 gescheitert, versucht aber nach wie vor, es als Erfolg zu verkaufen. Man könnte den Vorwurf von Monsanto auch umdrehen und fragen, ob es nicht neokolonial sei, Regierungen durch die New Alliance zu Reformen ihrer Saatgutgesetze zu drängen, von denen Saatgutfirmen wie sie selbst profitieren. Wir als EU-Parlament sehen uns in der Verantwortung, für die New Alliance, die ja mit EU-Geldern unterstützt wird, und für die beteiligten Unternehmen einen Handlungsrahmen vorzugeben.

Vielen Dank für das Gespräch!


Neue Allianz?

Die "Neue Allianz für Ernährungssicherheit" ist eine öffentlich-private Partnerschaft, die Investitionen in die unterfinanzierte Landwirtschaft zehn afrikanischer Staaten südlich der Sahara anziehen soll. Sie wurde im Jahr 2012 von den G8-Staaten, ins Leben gerufen, und die Europäische Union beteiligt sich an der Neuen Allianz mit einem Gesamtbetrag von 1,2 Milliarden Euro. Wegen der potenziellen Risiken, welche die Investitionen für die Umwelt und lokale Bauern und Bäuerinnen bergen, wurde die Neue Allianz weltweit von der Zivilgesellschaft angegriffen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 400 - Juni 2016, S. 18
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Juni 2016

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