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FRAGEN/033: Landwirt im Nebenberuf (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Landwirt im Nebenberuf

Ein Interview von Marcus Nürnberger mit Karl Fuchs, Landesvoritzender des Verbands der Landwirte im Nebenerwerb e.V.


Unabhängige Bauernstimme: Herr Karl Fuchs, Sie sind der Landesvorsitzende des Bayerischen Landesverbands der Landwirte im Nebenberuf e.V. Wann wurde Ihr Verband gegründet?

Karl Fuchs: Der Landesverband der Landwirte im Nebenberuf e.V. wurde bereits 1973 gegründet und versteht sich als das politische Sprachrohr der 65 % Klein- und Nebenerwerbslandwirte in Bayern. Bei regelmäßigen Vorsprachen in München, Berlin und Brüssel konnten wir erhebliche Verbesserungen erreichen.

Wie sieht die betriebliche Situation bei Ihren Mitgliedern aus?

Unsere Mitglieder sind sowohl in Grünland- wie in Ackerbaugebieten angesiedelt und betreiben dort ihre Betriebe. Leider muss man feststellen, dass es den typischen kleinen Milchviehbetrieb mit drei bis 15 Kühen nicht mehr gibt. Diese Betriebe haben entweder verpachtet oder arbeitsextensive Formen gewählt. Vor allem wurde auf Mutterkuhhaltung und Färsenmast umgestellt. Die meisten Kleinbetriebe sind schon seit Generationen im Nebenerwerb. Auf Grund der schlechten Einkommenssituation in der Landwirtschaft aber gehen immer mehr auch schon mittlere Betriebe in den Nebenerwerb.

Wenn Sie ein Verband der Nebenerwerbsbetriebe sind, dann haben die Mitglieder noch andere Berufe. Welche sind das?

Unsere Nebenerwerbslandwirte sind in allen Berufsgruppen zu finden. Noch vor 20 Jahren waren die meisten in der heimischen Bauwirtschaft tätig, weil es dort meist möglich war, in der Erntezeit kurzfristig einige Tage Urlaub zu nehmen. Inzwischen gibt es aber auch andere Berufsgruppen. Eine alte Forderung unseres Verbandes ist die Ansiedlung von qualifizierten Arbeitsplätzen auf dem Land. Im Zeitalter der Vernetzung kann man z. B. Verwaltungsarbeiten fern von den Ballungsräumen vom PC aus erledigen. In den Großstädten können sich viele die teuren Wohnungen nicht mehr leisten. Die Nachteile in den überbevölkerten Ballungsräumen sind allseits bekannt. Nebenerwerbslandwirte sind auf Grund ihrer Einstellung und Denkweise als selbständige Landwirte auf dem Arbeitsmarkt sehr gefragt.

Wie sieht es mit den Größen Ihrer Mitgliedsbetriebe aus?

Die Betriebsgrößen gehen von nur ein paar Hektar bis ca. 50 Hektar in den Ackerbaugebieten. Da aber sehr viele kleine Betriebe bei Generationswechsel aufgegeben haben, ist die Durchschnittsgröße in den vergangenen Jahren gestiegen. Des Öfteren kann man feststellen, dass Söhne, die einen lukrativen Beruf in der Ferne haben, den Betrieb nicht mehr übernehmen. Das geringe Einkommen eines Kleinbetriebes und der Arbeitsaufwand stehen in keinem Verhältnis zu einem gehobenen außerlandwirtschaftlichen Beruf.

Welche Bedeutung hat die Hofabgabeklausel für Nebenerwerbsbetriebe?

Die Hofabgabeklausel ist uns ein Dorn im Auge. Für Betriebe, bei denen die Hofabgabe noch nicht geklärt ist, ist dies eine besondere Härte. Sie steht nicht selten einer Hofübergabe im Weg. Polizeibeamte oder sonstige Staatsbedienstete müssen zuerst ihren Dienst in den Ballungsräumen ableisten und bekommen erst als Familienvater eine Dienststelle in Wohnortnähe. Der Altsitzer wäre in diesem Fall gerne bereit, den Hof so lange weiterzuführen, bis er an den Sohn übergeben kann. In keiner anderen Rentenversicherung in ganz Europa gibt es diese Einschränkungen. Wir Nebenerwerbslandwirte finden dies eine ungehörige Einmischung der Politik in das Familienleben.

Welche Forderungen haben Sie bezüglich der Sozialabgaben in der Landwirtschaft?

Unsere langjährigen Forderungen, die wir immer wieder an die Politiker herantragen, sind z. B. Änderungen bei der Bezuschussung der landwirtschaftlichen Berufsgenossenschaft. Einen Zuschuss gibt es erst ab einem Beitrag von 305 € 85 % der Berufsgenossenschaftsmitglieder zahlen den Mindestgrundbeitrag und bekommen keinen Zuschuss. Der Grundbeitrag wird nächstes Jahr von 60 auf 80 EUR angehoben. Die Beitragsgestaltung wird ausschließlich von der Großbauernlobby in der Berufsgenossenschaft festgelegt. Diese 85 % der Kleinbetriebe sind nicht Mitglied in der Vertreterversammlung bzw. in der Vorstandschaft. Ein ebenso großer Nachteil ist auch die Verpflichtung zur Bäuerinnenrente.

Welche Benachteiligungen sehen Sie für Nebenerwerbslandwirte bei der Betriebsentwicklung?

Das Bauen im Außenbereich wird den Nebenerwerbslandwirten oft von den Landratsämtern, aber auch manchmal von den Landwirtschaftsämtern, verwehrt. Minister Brunner aber ist der Meinung, dass in berechtigten Fällen Ausnahmen gemacht werden müssen. Nebenerwerbslandwirte haben in engen Dorflagen oft nicht die Möglichkeit, notwendige Wirtschaftsgebäude zu errichten. Sie bräuchten aber Unterstellmöglichkeiten für die Maschinen oder Ställe im Außenbereich. Ein Vollerwerbslandwirt bekommt immer die Möglichkeit, einen Stall oder eine Halle im Außenbereich zu errichten. Obwohl diese Bauten heute auch einer Industriehalle ähneln, werden sie genehmigt. Auch gibt es oft Klagen über überzogene Forderungen der Veterinärämter.

Welche Rolle spielt die Vermittlung von Ferienwohnungen bzw. die Direktvermarktung?

Ferienwohnungen oder Urlaub auf dem Bauernhof sind ein weiteres Einkommensstandbein. Viele Betriebe haben darin investiert. Wenn es arbeitstechnisch möglich ist, bringt die Selbstvermarktung der eigenen Erzeugnisse ein zusätzliches Einkommen. Es gibt eine ansehnliche Anzahl unserer Mitglieder, die die Nachzucht aus der Mutterkuhhaltung selber schlachten und vermarkten. Auch bei den Schaf- und Wildhaltern ist dies üblich.

Wie stellen sich Ihre Mitglieder zur Agrogentechnik und den derzeit diskutierten Freihandelsabkommen TTIP und CETA?

Die Einführung der "Grünen Gentechnik" lehnen wir grundsätzlich ab, ebenso die Einführung des Handelsvertrages TTIP. Wir sind der Überzeugung, dass uns hier die Amerikaner über eine Hintertüre die Gentechnik andrehen wollen. Ein Vertrag, bei dem die Staaten und die Gerichte kein Mitspracherecht haben, kann nicht gut sein.

Welche gesellschaftliche Bedeutung haben die Betriebe Ihrer Mitglieder?

Grundsätzlich sind wir der Meinung, dass die landwirtschaftlichen Klein- und Nebenerwerbsbetriebe erhaltungswürdig sind. Auf Grund des hauptberuflichen Einkommens müssen unsere Mitglieder nicht den letzten Euro aus ihrem Grund herausholen und können deshalb umweltgerechter wirtschaften.

Vielen Dank für das Gespräch

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 391 - September 2015, S. 17
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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veröffentlicht im Schattenblick zum 9. Oktober 2015

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