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FRAGEN/030: Hermann Onko Aeikens - "Interesse an Art der Lebensmittelerzeugung wächst" (ubs)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 389 - Juni 2015
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

"Interesse an Art der Lebensmittelerzeugung wächst"
Sachsen-Anhalts Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens (CDU) macht als erster ein Agrarstrukturgesetz

Interview mit Landwirtschaftsminister Hermann Onko Aeikens von Claudia Schievelbein


Unabhängige Bauernstimme: Die AbL lobt Sie für Ihre Eckpunkte für ein neues Agrarstrukturgesetz in Sachsen-Anhalt, kritisiert aber auch, dass es noch nicht streng genug ist: Die Betriebsgrößenschwelle sei mit 1.150 Hektar, ab der die Genehmigungspflicht für Anteilsübertragungen einsetzen" soll, zu hoch, die Prüfkriterien noch zu weich. Wie geht es weiter?

Hermann Onko Aikens: Die Gesetzesvorlage wird demnächst im Kabinett behandelt, wir haben Anpassungen vorgenommen. Es gab Kritik, dass die Grenzen zu hoch, Kritik, dass sie zu niedrig seien. Daraus haben wir die Konsequenz gezogen zu "differenzieren zwischen Eigentum und Pachtland. Wir werden uns die genauer anschauen, die schon über 1.000 Hektar Eigentum besitzen oder mehr als 50 % des Landes in einer Gemarkung bewirtschaften und expandieren wollen. Der Anteilskauf ist die eine Maßnahme, mit der sich externe Investoren Eintritt in die Landwirtschaft verschaffen; das sehen wir auch - oder sogar noch mehr als in Sachsen-Anhalt - in den anderen ostdeutschen Bundesländern. Was wir nicht möchten ist, dass Landwirtschaft in Hände gerät, die nichts damit zu tun haben. Das ist eine Frage der Wertschöpfung in der Region, der Steuern aber auch der Akzeptanz. Wir wollen, dass die Leute hier Landwirtschaft machen, die etwas davon verstehen. Zudem wollen wir keine Konzentration, sondern einen funktionierenden Bodenmarkt, der sich nicht auszeichnet durch Dominanz, sondern dadurch, dass jeder die Chance hat zu kaufen und zu verkaufen.

Der Bauernverband übt die Kritik, der Genehmigungsvorbehalt für Anteilsverkäufe gehe zu weit, es sei ein zu großer Eingriff ins Privateigentum, alle Betriebe unabhängig von ihrer Größe hätten ihre Berechtigung, man wolle kein agrarpolitisches Leitbild.

Auch das bestehende Recht greift beispielsweise mit der Ausübung des Vorkaufsrechts im Grundstücksverkehrsgesetz in den Bodenmarkt ein. Wir haben eher ein ganz anderes Thema: Wir bekommen allmählich vor den juristischen Instanzen bis hin zum Bundesgerichtshof Legitimationsprobleme, weil die Nichterfassung von Anteilsverkäufen zu einer Aushöhlung des Grundstücksverkehrsrechts führen kann.

Und was ist mit dem agrarpolitischen Leitbild?

In der Gesetzesvorlage, die ins Kabinett gehen wird, steht drin, wie wir uns Landwirtschaft vorstellen: umwelt- und ökonomische Aspekte integrierend, verbunden mit dem ländlichen Raum, verbunden mit dem Ort.

Wenn die Ortsverbundenheit ein Kriterium ist, was ist dann mit den Neueinsteigern in die Landwirtschaft?

Die haben wir im Blick und verhandeln gerade mit unserer Investitionsbank, wie man ihnen einen Einstieg in vorhandene Unternehmen, aber auch Neugründungen erleichtern kann, beispielsweise durch Bürgschaften, günstige Kredite. Solche Investitionshilfen müssen das Agrarstrukturgesetz flankieren.

Was ist mit der Forderung des Bauernverbandes, Genossen und Gesellschafter mit Bauern beim Grundstücksverkehr gleichzustellen?

Es ist nicht nachvollziehbar, dass Leute, die in landwirtschaftlichen Unternehmen Verantwortung tragen, nicht auch im Sinne des Grundstücksverkehrsrechts aktiv werden können, sofern sie denn eine entsprechende Ausbildung haben und im landwirtschaftlichen Rahmen tätig sind.

Sie wollten die agrarstrukturelle Entwicklung noch stärker in die Hand nehmen und von der BVVG das restliche Land in Bundeseigentum kaufen und nach eigenem Gusto in die Landwirtschaft geben. Der Bund hat abgelehnt, was hätten Sie anders gemacht als die BVVG?

Der Bund ist bereit, mit uns über Veränderungen in der Vergabepraxis zu sprechen, die Verlängerung der Privatisierungslaufzeit, kleinere Losgrößen, Kriterien für die beschränkte Ausschreibung. So hatte unser Ansinnen also doch einen gewissen positiven Effekt, wenn die BVVG ihr Verhalten entsprechend ändert. Wobei man bei der beschränkten Ausschreibung noch genauer hinsehen muss, wie man wirksame Kriterien ermittelt. Bislang gab es auf solche Ausschreibungen relativ wenig Resonanz.

Der BVVG wurde in der Vergangenheit neben Preistreiberei und wettbewerbsschädigenden Losgrößen umgeworfen, intransparent und dann häufig zu Gunsten großer Betriebe zu handeln. Wurde damit nicht auch jahrelang die Struktur konserviert, die Sie nun kritisieren?

Das wird sehr unterschiedlich beurteilt. Es gibt auch die Kritik, die BVVG sei zu transparent, weil sie ihre Zahlen veröffentlicht. Eine so umfängliche Privatisierung eines Sektors ist nicht so einfach umzusetzen. Wenn ich mir persönlich das eine oder andere hätte anders vorstellen können, ist das eine Sache; es hat schon auch Gründe, warum wir das als Land gerne übernehmen wollten. Auch verwaltungstechnische Synergieeffekte hätten dafür gesprochen, schließlich vergeben wir von unserer Landgesellschaft auch Land, es wäre alles in einer Hand gewesen.

Auch mit der EU-Agrarreform hätte man agrarstrukturell wirksam werden können durch die maßgeblich von den ostdeutschen Bundesländern abgelehnte Kappung der Direktzahlungen. Gerade in Sachsen-Anhalt auf den Sahneböden der Republik sind die EU-Subventionen doch für durchrationalisierte, intensiv wirtschaftende Ackerbaubetriebe der Aufschlag oberhalb eines auskömmlichen Betriebseinkommens, oder?

Das ist ein sehr sensibles Thema. Die neuen Bundesländer hätten bei der Kappung viel Geld gelassen, das wäre dem ländlichen Raum hier verloren gegangen. Im langfristigen Vergleich ist die wirtschaftliche Situation der Betriebe auch nicht so, dass man auf die Transferleistungen verzichten könnte.

Agrarpolitik ist Gesellschaftspolitik. Sachsen-Anhalt ist auch das Land mit Riesenställen und Straathof, was wird daraus?

Tierhaltung muss im Einklang mit dem Tierschutzgesetz stattfinden. Das, was wir dort in den Ställen vorgefunden haben, musste Konsequenzen nach sich ziehen. Schon als Signal an die Tierhaltung, dass die Administration nicht bereit ist, Verstöße gegen das Tierschutzgesetz zu tolerieren. Das ist auch ein Beitrag zu mehr Akzeptanz einer Branche, die in der Hinsicht gerade Schwierigkeiten hat. Im Lichte der Ereignisse haben wir ein Sonderkontrollprogramm aufgelegt, in dem speziell sauenhaltende Betriebe nun zusätzlich geprüft werden.

Im Zusammenhang mit Maßnahmen gegen Missstände in der Tierhaltung wurden auch - zum Beispiel von Ministerkollegen von Ihnen - Tierbestandsobergrenzen ins Gespräch gebracht. Was sagen Sie?

Eigentlich müsste es aus Sicht des Schweins oder Huhns ja egal sein, wie viele Nachbarn mit im Stall stehen, aber den Menschen in den Anlagen, bei denen wir tierschutzrelevante Verstöße vorgefunden haben, war offenbar die Übersicht verloren gegangen. Es mag sein, dass es in großen Dimensionen schwieriger ist, noch dem letzten Tier gerecht zu werden. Allerdings hat mir noch keiner gesagt, wie solche Obergrenzen rechtssicher zu etablieren wären.

Ihr grüner Ministerkollege Robert Habeck aus Schleswig-Holstein bringt sich gerade für Bundesämter ins Gespräch, trotz oder wegen des Themas Agrarpolitik?

Ich habe Herrn Habeck nicht zu seinen Motiven befragt, aber wenn Sie mich fragen, ob Agrarpolitik an Bedeutung in der Gesellschaft gewonnen hat, kann ich nur sagen, die Frage, wie Lebensmittel erzeugt werden, hat heutzutage einen anderen Stellenwert als noch vor etlichen Jahren. Vor 20 Jahren wurde Tierhaltung nicht hinterfragt. Auch wenn das Interesse der Verbraucher nicht immer mit der Bereitschaft korrespondiert, mehr Geld dafür auszugeben. Aber der Stellenwert landwirtschaftlicher Themen in der Bevölkerung ist eindeutig nach oben gegangen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 389 - Juni 2015, S. 3
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2015

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