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FRAGEN/015: Nahrungsmittelproduktion trägt zu 29 Prozent zu Klimawandel bei (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 2. November 2012

Ernährung: Nahrungsmittelproduktion trägt zu 29 Prozent zu Klimawandel bei - Autoren neuer Studien im Interview

von Fabíola Ortiz


Der ökologische Fußabdruck der Nahrungsmittelproduktion umfasst den gesamten Kreislauf vom Dünger bis zur Gabel - Bild: © CCAFS

Der ökologische Fußabdruck der Nahrungsmittelproduktion umfasst den gesamten Kreislauf vom Dünger bis zur Gabel
Bild: © CCAFS

Rio de Janeiro, 1. November (IPS) - Die Landwirtschaft trägt zu fast 30 Prozent zur globalen Erderwärmung bei. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Studien der Beratungsgruppe für Internationale Agrarforschung (CGIAR). Demnach verursacht die Produktion von Nahrungsmitteln Kohlendioxidemissionen (CO2) von bis zu 17 Gigatonnen (= 17 Milliarden Tonnen) pro Jahr.

Für das Jahr 2050 wird geschätzt, dass die Weltbevölkerung auf neun Milliarden Menschen ansteigen wird. Dann werden mehr Nahrungsmittel benötigt. Den Studien zufolge wird der Klimawandel bis dahin allerdings 13 Prozent der heutigen fruchtbaren landwirtschaftlichen Flächen in Entwicklungsländern vernichtet haben.

IPS sprach mit den Autoren der Studien. Philip Thornton zeichnet verantwortlich für die Analyse 'Neue Ideen für die Nahrungsmittelproduktion in den Entwicklungsländern: Die Erderwärmung wird mehr als nur das Klima ändern'. Sonja Vermeulen ist Autorin der Untersuchung 'Klimawandel und Ernährungssystem'.

IPS: Müssen wir angesichts Ihrer Forschungsergebnisse alarmiert sein?

Philip Thornton: Unsere Hauptaussage ist, dass der Klimawandel schwerwiegende negative Auswirkungen auf die Landwirtschaft der Entwicklungsländer haben wird. Aber es gibt viele Ansätze, um insbesondere die Kleinbauern vor den schlimmsten Folgen zu schützen. Allerdings müssen wir sofort handeln. Wir müssen Vorsorgemaßnahmen treffen und Anpassungsstrategien in die Tat umsetzen.

IPS: Wie groß ist der ökologische Fußabdruck, den die Ernährung der Weltbevölkerung hinterlässt?

Sonja Vermeulen: Zum ökologischen Fußabdruck unserer Nahrungsmittel gehört der gesamte Produktionskreislauf vom Dünger bis zur Gabel: Er umfasst die Emissionen, die bei der Produktion der Düngemittel entstehen, dann die Landwirtschaft selbst. Auch der Vertrieb gehört dazu und der Verkauf der Lebensmittel. Schließlich auch die Verarbeitung im Privathaushalt und die Entsorgung der Reste.

Von Land zu Land sind die CO2-Emissionen des Sektors sehr unterschiedlich. Bei den von menschlichen Aktivitäten verursachten Emissionen variieren sie zwischen 19 bis 29 Prozent.

In jedem Fall trägt der Energieaufwand am meisten zu den klimaschädlichen Treibhausgasen bei - durch die Maschinen, die eingesetzt werden, die Kühlung und den Transport über weite Strecken hinweg. Zwischen zehn und 16 Gigatonnen Kohlendioxidemissionen gehen jedes Jahr auf das Konto der Nahrungsmittelproduktion.

IPS: Was können Staaten und Nahrungsmittelproduzenten tun, um sich vor den Folgen des Klimawandels zu schützen oder sich ihnen anzupassen?

Vermeulen: Kleinbauern können zum Beispiel ausgelaugte Flächen wieder fruchtbar machen oder auch das Futter ihrer Nutztiere soweit verbessern, dass die Emissionen pro Kilogramm Fleisch gesenkt werden.

IPS: Welche Konsequenzen hat der Klimawandel für die menschliche Nahrungsmittelversorgung?

Thornton: Es kann teurer werden, ausreichend Kalorien und Proteine zu sich zu nehmen. Wir in den Industrieländern sollten den exzessiven Konsum bestimmter Nahrungsmittel einschränken und weniger verschwenderisch leben. Das hilft, Emissionen zu verringern.

Außerdem müssen Wissenschaftler die Produzenten dabei unterstützen, effizienteres Saatgut zu entwickeln und einzusetzen.

IPS: Ist es möglich, ein intelligentes landwirtschaftliches System zu entwickeln?

Thornton: Die Kleinbauern haben zwar in der Regel einen reichen Erfahrungsschatz. Aber das Problem ist, dass sich die Umweltbedingungen so schnell ändern, dass sie kaum hinterherkommen. Wissenschaft und Forschung können ihnen also helfen, sich anzupassen und die Ernährungssicherheit zu verbessern.

Man kann beispielsweise andere Pflanzenarten anbauen, die besser auf Trockenheit reagieren. Auch könnten Klimaprognosen genutzt werden, um Klimaschwankungen absehen zu können.

IPS: Einige Szenarien malen eine sehr schwarze Zukunft für uns Menschen. Wie können wir mit solch negativen Vorhersagen umgehen?

Thornton: Wenn wir einfach abwarten und nichts tun, dann sieht unsere Zukunft tatsächlich eher schwarz aus. Aber es gibt so viele praktische Maßnahmen, um sich gegen die negativen Folgen zu wehren. Die müssen wir ergreifen. Sowohl auf lokaler als auch auf nationaler, regionaler und globaler Ebene. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://ccafs.cgiar.org/
http://cgspace.cgiar.org/handle/10568/24696
http://www.annualreviews.org/eprint/EBIXxM7sNxrBJyuRYgki/full/10.1146/annurev-environ-020411-130608
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101812

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2012