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FRAGEN/009: Interview mit dem neugewählten Bioland-Präsidenten Jan Plagge (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Biolandmitglieder wählen einen neuen Präsidenten
Jan Plagge soll in den kommenden Jahren die Geschicke des Verbands leiten.
Die Bauernstimme befragte den frischgewählten Bioland-Präsidenten

Von Marcus Nürnberger


UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Was hat Sie bewogen, bei Bioland als Präsident zu kandidieren?

JAN PLAGGE: Bioland ist mir in den vergangenen zehn Jahren sehr ans Herz gewachsen. Unter den Konflikten der letzten Monate hat unser Verbandsleben gelitten. Ich möchte jetzt einen Beitrag dazu leisten, dass Bioland wieder mehr an seinen Inhalten, an seinen Zielen und an seiner Rolle in der Gesellschaft arbeiten und wirken kann.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Würden Sie das als Ihr besonderes persönliches Anliegen beschreiben?

JAN PLAGGE: Mein persönliches Anliegen ist es, die Menschen zusammen zu bringen. Sowohl die, die sich auseinanderentwickelt haben, als auch die, die noch gar nicht wissen, dass sie gemeinsam mehr erreichen könnten.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Man findet dieses "Zusammenbringen" auch in Ihrer Vita.

JAN PLAGGE: Ja, da gibt es verschiedene Beispiele: Das verbands- und branchenübergreifende Traineeprogramm, das ich von Beginn an entwickelt und geleitet habe. Oder der Aufbau der bundesweiten Bioland Beratung, in der zu Beginn ganz unterschiedliche Menschen mit unterschiedlichen Kulturen am Tisch saßen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welches sind Ihrer Einschätzung nach die für Bioland vordringlichsten Ziele in der nächsten Zeit?

JAN PLAGGE: Der Biolandbau und besonders der organisch biologische Landbau stehen in den kommenden Jahren vor zentralen Weichenstellungen. Das Anbausystem, also auch unser Verband, hat sich in den vergangenen 20 Jahren sehr stark mit der Ausgestaltung der Rahmenbedingungen, Richtlinien und Verordnungen beschäftigt. Es ist jetzt einerseits möglich, ein guter Biobauer zu sein und gleichzeitig können die Erwartungen vom Markt und vom Verbraucher erfüllt werden. Nun müssen wir inhaltlich wieder einen Sprung nach vorne machen. Der Biolandbau muss Vorreiter und Leitbild in inhaltlichen Fragen der Lebensmittelerzeugung bleiben und als solcher in der Gesellschaft wahrgenommen werden. Dazu gehören etwa die Klimapolitik, der Tierschutz, die Biodiversität.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Können Sie das an einem Beispiel erläutern.

JAN PLAGGE: Es geht zum Beispiel darum, was wir uns unter Biodiversität konkret vorstellen und vornehmen. Wir brauchen ein Leitbild, ein Ziel und wir müssen auf unseren Betrieben substantiell weiterkommen. Als Bioland Betriebe wollen wir den Naturschutz auf den Höfen und in der Landschaft realisieren, nicht nur in Schutzgebieten. Auf dem Acker sind wir in der Regel sehr gut, weil wir auf Herbizide verzichten, aber hinsichtlich Landschaftsbild und Landschaftsstruktur haben wir sicher noch viel Potential. Da will ich gemeinsam mit unseren Betrieben, aber auch mit den Partnern im Naturschutz, Wege entwickeln, damit wir unseren Anspruch, Artenvielfalt zu erhalten und auszubauen, optimal erfüllen können. Das gilt ganz ähnlich auch für die anderen inhaltlichen Themen, die letztlich unseren Mehrwert für Markt und die die Gesellschaft, den Kunden ausmachen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Es gibt eine ganze Reihe von Verbänden, die ähnliche Ziele formulieren. Wo sehen Sie Bioland innerhalb dieser Bewegung?

JAN PLAGGE: Ich würde Bioland gerne in der Mitte der Bewegung sehen - aber auch als Impulsgeber dafür, was ökologische Landwirtschaft leisten kann. Wir wollen Themen aktiv anstoßen, mitgestalten und mitorganisieren. Wir sollten eine der Bedeutung des Verbands entsprechende Rolle in der Mitte der Bewegung einnehmen, als Gestalter akzeptiert in einer guten Partnerschaft mit den befreundeten Verbänden.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Im Rahmen der anstehenden GAP-Verhandlungen hat sich, auch unter der Beteiligung von AbL und Bioland, ein breites Plattformbündnis aus Anbau-, Entwicklungshilfe-, Tier- und Umweltschutzverbänden sowie kirchlichen Organisationen gegründet. Wo sehen Sie bei der Agrarreform, insbesondere für den Biolandbau noch wichtige Weichenstellungen?

JAN PLAGGE: Die zentrale Weichenstellung betrifft das angedachte Greening der Ersten Säule. Von Seiten der EU gibt es bisher noch keine praktikablen Vorschläge. Momentan scheint sich die Diskussion auf die Qualifizierung der Ersten Säule zu konzentrieren. In Zukunft sind aus meiner Sicht Systemansätze wie der Biolandbau gefragt, die eine Lösung für viele Probleme von Ökologie und Verbraucherschutz gewährleisten können. Eine Stärkung und der Ausbau der Zweiten Säule ist daher zwingend. Das wird derzeit in der Diskussion vernachlässigt.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wo geht es hin? Welches sind die Heraus forderungen im Biomarkt oder regelt sich alles von selbst?

JAN PLAGGE: Der Markt regelt sich eben gerade nicht selbst, bzw. von alleine in eine Richtung, die uns nicht gefällt. Wenn er sich jetzt weiter entwickelt, ohne dass sich die privaten Basisorganisationen, die Anbau- und die Handelsverbände, darum kümmern, dann wird die nächsten Jahre einiges schief laufen. Der Handel - damit meine ich insbesondere LEH und Discount - wird immer mehr versuchen, die Inhalte von Bioerzeugung in seinem Sinne zu bestimmen. Das kann man schon seit einigen Jahren beobachten.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche negativen Entwicklungen befürchten Sie?

JAN PLAGGE: Der Biolandbau wird auf einzelne Leistungen reduziert, die zusätzlich zu Differenzierungszwecken noch einmal kontrolliert und zertifiziert werden müssen. Das kann man z.B. bei Hofer (Aldi) in Österreich beobachten, wo zusätzlich ein wissenschaftlich zweifelhafter CO2-Fußabdruck erstellt wird. Alles grundlegende Punkte, die vom Biolandbau erwartet werden: Biolandbau ist klimafreundlich und geht schonend mit den natürlichen Ressourcen um. Was dem Biolandbau nicht passieren darf ist, dass diese Grunderwartungen noch mal einzeln obendrauf gesetzt werden. Dann versteht der Verbraucher gar nichts mehr. Um das zu verhindern, müssen wir diese Themen selber aktiv aufgreifen und den Kunden und Marktpartnern deutlich machen: Biolandbau ist klimafreundlich, schont die natürlichen Grundlagen und setzt sich für Artenvielfalt ein. Daran müssen wir inhaltlich und kommunikativ arbeiten. Wir müssen zeigen: Wenn Bioland draufsteht, sind all die erwarteten Leistungen drin.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Ihr Arbeitsplatz war in den vergangenen Jahren in Süddeutschland?

JAN PLAGGE: Mein Schreibtisch stand in Augsburg und dort bin ich in den Zug gestiegen, um dahin zu fahren, wo ich gebraucht wurde oder mich engagiert habe. Das waren die anderen Landesgeschäftsstellen, die Orte, wo Tagungen oder Treffen der Bauern stattgefunden haben. Auch bei der Biolandberatung haben wir keine Zentrale, sondern regionale Geschäftsstellen, von denen aus wir operiert haben, auch viele Heimbüros, von wo aus die Berater agieren und arbeiten. Ich war immer viel unterwegs.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Die Bundesgeschäftsstelle von Bioland befindet sich in Mainz. Werden Sie Augsburg verlassen und an den Rhein ziehen?

JAN PLAGGE: Der Sitz des Präsidenten bleibt in Mainz. Ich werde regelmäßig in Mainz sein, aber wie bisher auch sehr viel in den Regionen, überall dort, wo inhaltlich gearbeitet wird. Ich werde aber auch, weil dort meine Familie lebt, meinen Schreibtisch in Augsburg behalten.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 343 - April 2011, S. 6
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2011