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FRAGEN/003: Massentierhaltung - Zu viel auf zu wenig Fläche (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010,
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Massentierhaltung: Zu viel auf zu wenig Fläche

Ein Interview mit Friedrich Ostendorff, Bauer in Westfalen und Agrarpolitiker in Berlin zu seinen aktuellen Arbeitsschwerpunkten im Bundestag


UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Herr Ostendorff, Sie sind jetzt ein halbes Jahr in Berlin. Wenn man auf Ihrer Homepage nachschaut, findet man einen ganzen Pool von Themen und Initiativen. Untätigkeit kann man Ihnen nicht vorwerfen. Gleich zu Beginn Ihrer Amtszeit haben Sie 10 Thesen zu notwendigen Schritten auf dem Weg zu fairen Milchpreisen formuliert. Welches ist die zentrale Forderung des Bauern Friedrich Ostendorff?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Die Milchmenge muss auf den Bedarf ausgerichtet sein. Milchmengensteuerung ist der zentrale Hebel der Milchpreisgestaltung. Außerdem haben wir im Bundestag beantragt, mit einer Bündelungsoffensive die Gründung von Erzeugergemeinschaften zu fördern. Leider hat die Koalition dagegen gestimmt.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welches genau sind Ihre Aufgaben in der Grünen Fraktion?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Ich bin der agrarpolitischen Sprecher der Fraktion und von daher für alle Agrarthemen des Ausschusses Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz zuständig.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Sie sind seit vielen Jahren Mitglied der AbL. Ist es schwierig grüne und AbL Positionen zu verbinden?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Nein, an diesem Punkt noch überhaupt nie. Ganz im Gegenteil. Ich finde, dass AbL-Politik noch nie so bei den Grünen beheimatet war. Das liegt natürlich auch an den Personen. Vor allem aber ist das zentrale Thema der AbL, die bäuerliche Landwirtschaft, auch bei den Grünen wieder ein aktuelles, modernes und auch wirtschaftspolitisches Thema.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Der Klimawandel und die Welternährung sind die aktuellen Themen. Sie haben zentral mit der Landwirtschaft zu tun. Wo sehen Sie Ansätze, die die Landwirtschaft in Deutschland leisten kann bzw. muss?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Mein Ziel ist, die Bundesregierung immer wieder zu treiben, Farbe zu bekennen und sich z.B. hinter den Weltagrarbericht zu stellen, was sie bisher verweigert. Mit dem Fraktionsbeschluss "Bäuerliche Landwirtschaft stärken" haben sich die Grünen eindeutig positioniert. Wir werden versuchen, den Belangen der bäuerlichen Landwirtschaft auch aus der Opposition heraus Gehör zu verschaffen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Welche Rolle spielt die Massentierhaltung bei Ihrer aktuellen Arbeit?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Massentierhaltung ist derzeit neben der Milch mein Schwerpunktthema. Das liegt zum einen in meiner Arbeit als BUND Agrarsprecher begründet, wo ich viel mit diesem Thema zu tun hatte, aber vor allem, weil es derzeit eines der vordringlichsten Themen ist.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie definieren Sie Massentierhaltung?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Massentierhaltung ist für mich alles, was zu viel auf zu wenig Fläche ist. Wenn einer in einem Schuppen auf einem Quadratmeter 22 Hähnchen hält, ist das auch Massentierhaltung. Das ist für mich die richtige Definition von Massentierhaltung. Das ist die Frage des Platzangebots, der Möglichkeit für die verschiedenen Tierarten, sich entsprechend ihres Bewegungsdrangs auszuleben, ganz unabhängig von den absoluten Zahlen.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Derzeit findet ein weiterer Industrialisierungsschritt in der Tierhaltung statt. Beim Geflügel, aber vor allem in der Schweinemast schnellen die Tierzahlen nach oben. Muss die Politik regulierend eingreifen?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Die Kommunen müssen zunächst die heute schon bestehenden Instrumente der Bauleitplanung ausnutzen. Insbesondere die von der CDU geführten Kommunen nutzen diese Möglichkeiten nicht. Sie gehen direkt den einfachen Weg und berufen sich auf den Paragraph 35 (1) Nr. 4 BauGB, der einen allgemein formulierten Privilegierungstatbestand enthält. Im Bund müssen wir dafür sorgen, dass das Baugesetzbuch in diesem Punkt geändert wird. Das Bundesimmissionsschutzgesetz und die Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sind so anzupassen, dass sie dem Vorsorgeprinzip gerecht werden. Das gilt auch für die Frage, ab welcher Größenordnung BürgerInnen und Bürgern die Möglichkeit einer Beteiligung am immissionsschutzrechtlichen Genehmigungsverfahren gegeben wird.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Neue Ställe werden vorwiegend im Außenbereich gebaut. Von vielen außerlandwirtschaftlichen Investoren wird dieses Privileg genutzt, um große Anlagen zu bauen.

FRIEDRICH OSTENDORFF: Der Paragraph 35 (1) Nr. 4 BauGB dient als Auffangtatbestand für alle Vorhaben, die im Paragraph 35 nicht ausdrücklich definiert sind. Das trägt zur massiven Ausbreitung von Massentierhaltungsanlagen bei, die genauso behandelt werden, wie Bauern vor Ort, deren Höfe schon seit Generationen existieren.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Muss in Zukunft also auch der Außenbereich überplant werden?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Ja leider, wenn die Invasion der Massentierhaltung uns dazu zwingt, muss man auch darüber nachdenken, den Außenbereich zu überplanen oder Konzentrationszonen auszuweisen. Ich bin kein Fan von dieser Vorgehensweise und hoffe, dass wir dies in Zukunft vermeiden können. Zum einen ist es ein sehr kompliziertes Verfahren. Zum Anderen würden wir auf diese Weise Konzentrationszonen schaffen, in denen dann alle noch genehmigungsfähigen Stallanlagen konzentriert würden.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Derzeit boomt der Neubau von Mastanlagen egal ob Schwein oder Huhn. Kommen Ihre Forderungen da nicht zu spät?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Wir sind augenblicklich in der Situation, dass man sagen muss: Halt, wir müssen erst mal bremsen. Die Entwicklungen gehen so schnell, dass wir kaum noch Möglichkeiten haben, steuernd einzugreifen. Zuerst geht es darum, Kommunen und Kreise auf die Entwicklungen aufmerksam zu machen und ihnen auch zu sagen, dass sie alle Bauanfragen erst einmal ein Jahr auf Eis legen können.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Viele Menschen sind aus der Stadt aufs Land gezogen. Welche Reaktionen erleben Sie im Zusammenhang mit dem Neubau von Ställen?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Ich weiß, dass im Westen und Norden von Münster 80 neue Hähnchenställe entstehen sollen. Die Gemeinden sind damit in der Regel vollkommen überfordert. Gerade diese Dörfer und Städte haben sich viele Menschen, die in Münster arbeiten, als Wohnort ausgesucht, um dort ihr ruhiges Wochenende zu verbringen, im Garten zu liegen und ihre Freizeit am Feierabend zu verbringen. Jetzt haben sie diese Blechhütten vor der Tür und die stinken auch noch. Das erfreut natürlich nicht.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Das hört sich nicht besonders optimistisch an. Gibt es noch eine Möglichkeit, die Entwicklungen zum Positiven zu wenden?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Es gibt die ungeheure Chance, bäuerliche Landwirtschaft als Zukunftsmodell zu implementieren. Mut zu haben, nicht zu sagen: Es ist alles so furchtbar, wir sterben ab. Diese Menschen haben eine klare Vorstellung und die heißt: bäuerliche Landwirtschaft statt industrieller Produktion, Bauernhöfe statt Agrarfabriken. Deshalb hat das Bündnis auch genau den richtigen Namen. Dieser AbL-Leitspruch ist bei allen Aktiven im Kopf und wird jetzt mit Leben gefüllt.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Sie sprechen vom wachsenden Einfluss der Städter, die auf dem Land wohnen. Welche Rolle spielt die Landwirtschaft?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Die Bauern, die nicht in den Genuss dieser "großzügigen" Stallanlagen kommen, sind durchaus, das erlebe ich im Münsterland, an der Seite der Bürgerinitiativen. Bei den Veranstaltungen sind in der Regel nicht die Betreiber anwesend, aber die Nachbarn, die höchst alarmiert sind und wissen wollen, was in ihrer Umgebung vorgeht. Ich war selten optimistischer, was den Bereich bäuerlich angeht als heute.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Wie äußert sich dieser Optimismus?

FRIEDRICH OSTENDORFF: Das Thema ist präsent. Man bekommt auf einmal Bündnispartner, in der Verbraucherschaft, in der Nachbarschaft, die man so gar nicht erwartet hätte. Diese Menschen haben oft Zeit, die kümmern sich, sind intellektuell fit genug, das alles zu begleiten. Aus diesem Grund ist auch das "Netzwerk Bauernhöfe statt Agrarfabriken" so wichtig.

UNABHÄNGIGE BAUERNSTIMME: Vielen Dank für das Gespräch.


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 332 - April 2010, S. 10
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft -
Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2010