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AKTION/043: Protest gegen die Landvergabepolitik in Ostdeutschland (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 369 - September 2013
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

155.000 Bienentaler

Oder: Die Geschichte vom Landgrabbing in Ostdeutschland

von Juli Bar-Tal, Bäuerin und Aktivistin



"Richtich so!", sagt mir die Frau bei der Bäckerei und auch beim Eis essen, Hundefutter kaufen oder tanken werde ich immer wieder positiv angesprochen. Die Leute beziehen sich auf unsere Aktion am 17. Juli vor der Zentrale der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) in Berlin. Da haben wir aus Protest gegen die Landvergabepolitik und als betroffener Hof demonstriert und 'n Haufen Geld gedruckt. "Hat es denn was gebracht? Habt ihr das Land nun bekommen?" wird dann nachgefragt. Ich würde sagen, es hat was gebracht, aber dass diese Kampagne uns den Zugang zu den von uns gewünschten Flächen, 20 ha in Hofnähe, bewirken würde, das haben wir nie geglaubt. Dafür hat es Zuspruch gebracht, viele Artikel und Diskussion, eine Mobilisierung und Sensibilisierung, eine etwas öffentlichere Debatte.


Viele sind betroffen

Aufräumen müssen wir an dieser Stelle mit dem möglichen Missverständnis, es ginge bei der Kampagne allein um uns in Bienenwerder. Die Landvergabepolitik ist für alle ungerecht und intransparent. Wir treten nicht als Bittsteller für unseren Hof auf, denn wir sind Teil der Region und solidarisch mit allen vom Landgrabbing betroffenen BäuerInnen. Wir sind ein Fallbeispiel, das wir nutzen wollten, um die Debatte greifbarer zu machen, zu zeigen, worum es eigentlich geht: Wir als Landwirte können auf einem Bodenmarkt, der von systematischer Preistreiberei durch verdeckte Versteigerungen, die BVVG, die falschen politischen Entscheidungen und Investoren gestaltet wird, nicht konkurrieren. Bei Preisen, die komplett entkoppelt sind von dem, was sich landwirtschaftlich erwirtschaften ließe, bleiben wir außen vor. Wir haben 155.000 Bienentaler, die Höhe des Mindestgebots für 20 ha, gedruckt, um auf diesen Aspekt hinzuweisen: wir als regionale bäuerliche Betriebe sollen das Unmögliche leisten. Wir stellen uns diesen Unmöglichkeiten und sagen zynisch: "Kein Problem, dann produzieren wir halt Geld!" Die Implikationen, die sich aus den immer größeren Flächen und immer weniger Flächenbesitzern entwickeln, wiegen immens. Immer weniger ArbeiterInnen pro Hektar, immer größere Schläge Monokultur, immer einseitiger wirtschaftende Großbetriebe, weniger Artenvielfalt, Tourismus, Kultur, Bildungseinrichtungen und somit immer weniger (junge) Menschen auf dem Land bei fehlenden Zukunftsperspektiven. Ein Kreislauf der sozialen Entwicklung nach unten. Auch bei uns in Märkisch-Oderland. Dieser rasante Strukturwandel erhöht auch den Druck auf BäuerInnen in Westdeutschland. Im Osten hat ein Betrieb durchschnittlich mehr Großvieheinheiten, mehr Hektar, weit weniger Arbeitskräfte und produziert viel, viel billiger nach der Nachhaltigkeit wird in dieser rein ökonomischen Beleuchtung nicht gefragt. Wir waren explizit zurückhaltend in unseren Forderungen: wir als Hof fordern eine Möglichkeit, sinnvolle Landwirtschaft auf angrenzenden Flächen machen zu können, aber als BäuerInnen fordern wir einen sofortigen Stopp der Verkäufe und eine öffentliche Debatte über die Gestaltung der Landvergabe. Wir wollen nicht als kleiner Hof die Kriterien festlegen, denn unsere Kriterien sind vielleicht nicht die unserer Nachbarn. Wir fordern, was es nie gab, eine Partizipationsmöglichkeit an dem, was mit unserem Allgemeingut geschieht. Eine Möglichkeit, unser Leben und unsere Umgebung selbst zu gestalten. Die Großbetriebe, Investoren und Agrargiganten "üben" hier und setzen ihren Kurs vielfach in Ländern weiter östlich fort. Der Druck setzt sich fort. Vieles mehr könnte und sollte hier diskutiert werden, dazu wollen wir einen Beitrag leisten. Ob wir in Zukunft Flächen für Betriebe wie den unseren "befreien" oder sichern können, liegt an dem Engagement und der Widerständigkeit von uns allen.


Betriebsspiegel:

So ein Hof sind wir: Über 100 verschiedene Gemüse-, Obst-, Kräuter- und Blumenkulturen werden hier angebaut; anstatt viel Geld in teure Technik und Diesel zu versenken arbeiten wir mit vielen Menschen und Arbeitspferden nachhaltig, aber nicht rückwärtsgewandt. Wir vermarkten unsere Produkte direkt und ohne Umwege nach Berlin an vier Bioläden, eine Tofu-Manufaktur, ein Restaurant und mehrere große WGs. Arrondierende Flächen sind naheliegende Weidegründe für unsere Milchziegen und Arbeitspferde, während sie gleichzeitig der wildlebenden Artenvielfalt dienen.

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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 369 - September 2013, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
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(verbilligt auf Antrag 28,40 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2013