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INTERNATIONAL/054: Bildung - Privatisierung in Südländern durch europäische Großkonzerne (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 28. April 2015

Bildung: Privatisierung in Südländern durch europäische Großkonzerne - Kritik von Gewerkschaften und Zivilgesellschaft

von Kwame Buist


London, 28. April (IPS) - Gewerkschaftsaktivisten und Vertreter der Zivilgesellschaft haben dem britischen Medienkonzern und Schulbuchverlag 'Pearson PLC' vorgeworfen, den Schulunterricht in Südländern mit Hilfe profitorientierter Bildungsprogramme zu privatisieren.

Vor dem Gebäude, in dem Pearson am 24. April seine Jahresversammlung abhielt, standen Demonstranten mit Transparenten, auf denen Sätze wie "Bildung ist ein Recht und keine Handelsware" oder "Hört auf, aus Kindern Profit zu schlagen" zu lesen waren.

In einem offenen Brief an den Konzernvorstand, der am Tag der Jahresversammlung verbreitet wurde, hielten zivilgesellschaftliche Gruppen und Gewerkschaften, darunter 'Global Justice Now', der britische Nationale Lehrerverband (NUT), sein US-Gegenstück AFT sowie die Vereinigung der Lehrer und Lektoren (ATL) dem Unternehmen vor, durch seine Aktivitäten weltweit die Bildung auf allen Ebenen "kommerzialisieren und privatisieren" zu wollen.


Bildung ist ein universelles Recht

Nick Dearden, Vorsitzender von 'Global Justice Now', erklärte: "Pearsons profitorientierte Agenda, die die private Bildung im globalen Süden vorantreiben will, steht im Widerspruch zu dem universellen Recht auf Bildung, das allen Kindern zusteht."

Selbst Privatunterricht, der kostengünstig angeboten werde, fördere Diskriminierung und gesellschaftliche Ausgrenzung, so Dearden. "Denn Zugänglichkeit und Qualität des Unterrichts sind abhängig davon, ob man ihn sich leisten kann. Noch beunruhigender ist, dass Pearson durch britische Steuergelder in Form von Entwicklungshilfe subventioniert wird."

"Pearson muss seine Zusammenarbeit mit kostenpflichtigen Privatschulen im globalen Süden beenden und alle Maßnahmen einstellen, die rigide Tests fördern", forderte NUT-Generalsekretärin Christine Blower. "Bildung ist ein Menschen- und Bürgerrecht und ein Gemeingut, das Lernenden und der Gesellschaft, nicht privaten Profitinteressen, zugutekommen sollte."


Sozial benachteiligte Kinder immer stärker ausgegrenzt

ATL-Generalsekretärin Mary Bousted sprach sich ebenfalls dagegen aus, dass Lehrpläne für Schulen patentiert und kostenpflichtig werden. Tests dürften kein verzerrtes Bild der Lehrinhalte und deren Bewertung vermitteln. "Leider setzt sich Profitstreben in den Bildungssystemen auf der ganzen Welt durch, sodass diese Grundprinzipien immer mehr gefährdet werden. Die Folgen sind eine größere Ungleichheit und die Ausgrenzung sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher."

Am Tag der Pearson-Jahresversammlung veröffentlichte Global Justice Now einen Bericht mit dem Titel 'Profiting from Poverty, Again' ('Wieder von Armut profitieren'), in dem die britische Entwicklungsbehörde DfID bezichtigt wird, Hilfsgelder zur Gründung privater Gesundheits- und Bildungseinrichtungen in Afrika und Asien einzusetzen. Davon hätten britische und US-amerikanische Unternehmen wie Pearson profitiert.

Anhand zahlreicher Beispiele dokumentiert der Report die Unterstützung der DfID für private Bildung und Gesundheitsversorgung im globalen Süden, darunter das Programm 'Girls Education Challenge', das nach eigenen Angaben "bis zu einer Million der ärmsten Mädchen der Welt helfen will, ihre Lebensbedingungen durch Bildung zu verbessern". Mehr Mädchen als bisher sollten die Möglichkeit erhalten, zur Schule zu gehen und eine qualitativ hochwertige Bildung zu erhalten.


Mädchen-Bildungsprojekt lukrativ für große Firmen

Die DfID investiert im Zeitraum 2011 bis 2017 offenbar rund 540 Millionen US-Dollar in das Projekt 'Girls Education Challenge'. Das Projektmanagement soll der Firma 'Price Waterhouse Coopers' anvertraut worden sein. Aus dem Portfolio des Projekts geht hervor, dass der private Sektor in das Bildungswesen in der Demokratischen Republik Kongo, in Äthiopien, Mosambik, Nepal und Uganda investiert.

Unter dem Dach von 'Girls Education Challenge' finanziert die DfID außerdem ein Projekt in Tansania, an dem sich auch Pearson beteiligt. Dem Bericht zufolge soll die DfID inzwischen eine Partnerschaft mit Coca Cola eingegangen sein. Auf diese Weise sollen die Rechte von fünf Millionen Unternehmerinnen gestärkt werden.

"Entwicklungshilfe sollte dazu eingesetzt werden, menschliche Bedürfnisse zu erfüllen, indem öffentliche Dienstleistungen in Ländern bereitgestellt werden, die wirtschaftlich nicht so privilegiert sind wie Großbritannien", sagt Dearden. "Deshalb ist es schockierend, dass die DfID dogmatisch private Gesundheitsversorgung und Bildung fördert, obwohl bewiesen ist, dass dieser Ansatz die Ungleichheit vergrößert."

Nach Ansicht des Direktors von 'Global Justice Now' wird Entwicklungshilfe als Instrument genutzt, um den größten Teil der Welt zu überreden, Strategien voranzutreiben, die großen Konzernen wie Pearson zugutekommen. "Diese Strategien lenken jedoch von der tatsächlichen Notwendigkeit ab, öffentlich finanzierte Dienstleistungen voranzubringen, die allen zugänglich sind." (Ende/IPS/ck/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/04/push-to-privatise-education-in-global-south-challenged/

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IPS-Tagesdienst vom 28. April 2015
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. April 2015

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