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USA/381: Als die CIA Fidel Castro an den Bart wollte (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. Januar 2015

POLITIK: Als die CIA Fidel Castro an den Bart wollte

Von Thalif Deen


Foto: public domain

Fidel Castro bei seiner Ankunft auf dem MATS-Flughaften in Washington am 15. April 1959. Später haben US-Geheimdienste etliche Mordkomplotte gegen den ehemaligen kubanischen Staatspräsidenten initiiert
Foto: public domain

New York, 9. Januar (IPS) - Die umstrittene Hollywood-Satire 'The Interview' über ein fiktives Mordkomplott des CIA gegen den nordkoreanischen Machthaber Kim Jong-un hat für viel Wirbel gesorgt. Das Plot weckt Erinnerungen an die späten 1960er und 70er Jahre, als die US-amerikanischen Geheimdienste dem kubanischen Führer Fidel Castro nach dem Leben trachteten und auch nicht davor zurückschreckten, die sizilianische Mafia zu engagieren.

In der von 'Sony Pictures Entertainment' produzierten Slapstick-Komödie soll ein US-Fernsehmoderator das nordkoreanische Staatsoberhaupt per Händedruck vergiften - über einen mit Rizin getränkten Klebestreifen. Doch dazu kommt es nicht. Vielmehr wird Kim Jong-un zunächst vor seinem Volk als Vatersöhnchen bloßgestellt und später in seinem Hubschrauber abgeschossen. Der Film sorgte in Nordkorea, das von der US-Bundespolizei FBI für einen Hackerangriff auf die Computer von Sony Pictures verantwortlich gemacht wird, für Empörung.

Auch bei den zahlreichen Mordversuchen gegen Castro waren toxische Substanzen im Spiel. So wollte der CIA Castro mit vergifteten Zigarren ins Jenseits befördern. Auch wurde ein Angriff auf Castros Gesichtsbehaarung in Erwägung gezogen, um ihm zur "Lachnummer der gesamten sozialistischen Welt zu machen". Der Plan sah vor, das Innere seiner Schuhe mit dem starken Enthaarungswirkstoff Thalliumsulfat zu behandeln.

Einige dieser Pläne waren in einem Bericht von 1975 durch den elfköpfigen Untersuchungsausschuss unter Vorsitz des Senators Frank Church zusammengetragen worden. Church war ein Demokrat aus dem Bundesstaat Idaho. Die von ihm und seinen Kollegen überlieferten Komplotte dürften gerade im Zusammenhang mit der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen den Erzfeinden USA und Kuba erneut für Diskussionsstoff sorgen.


Fiktion und Wahrheit liegen nah beieinander

Mit Blick auf die Nordkorea-Satire erklärte Michael Ratner, emeritierter Präsident des 'Centre for Constitutional Rights', gegenüber IPS, "dass der Film leider keine Komödie ist, die die Nordkoreaner und Kim Jong-un ignorieren können". Schließlich habe der CIA eine Reihe oftmals erfolgreicher Mordkomplotte gegen die politischen Führer in Ländern durchgeführt, die es vorzogen, unabhängig von den Wünschen der USA zu handeln.

Ratner erinnnerte an die vom Church-Ausschuss aufgeführten Komplotte gegen Patrice Lumumba im Kongo, Rafael Trujillo in der Dominikanischen Republik und Ngo Dinh Diem, dem ersten Präsidenten von Südvietnam. Im modernen US-Sprachgebrauch sei heute von 'gezielten Tötungen' die Rede. "Denken wir nur an all diejenigen, die von Drohnen oder durch Sondereinsätze getötet wurden", meinte Ratner, Vorstandsvorsitzender des 'European Centre for Constitutional and Human Rights' mit Sitz in Berlin.

Was den Hackeranschlag gegen Sony angeht, gibt es Ratner zufolge keine stichhaltigen Beweise dafür, dass Nordkorea dafür verantwortlich ist. "Betrachten wir das Ganze mal aus einem anderen Blickwinkel: Komödien über die Ermordung politischer Führer kleiner Länder, die von den USA dämonisiert werden, sind offenbar OK. Doch stellen wir uns einmal vor, dass Russland oder China einen Film über die Ermordung des US-Präsidenten drehen würden?"

In diesem Fall würden die USA dies sicherlich nicht als harmlose Komödie abtun, so Ratner. "Es ist kein Problem, solange ein kleiner Staat anvisiert wird, den man herumschubsen kann. Würde ein anderes Land eine Komödie über unseren Präsidenten drehen, würde es teuer dafür bezahlen", fügte er hinzu.

James E. Jennings, Vorsitzender von 'Conscience International' und Exekutivdirektor der 'US-Akademiker für Frieden', wies darauf hin, dass neue Informationen von Cyber-Sicherheits-Firmen die Richtigkeit der dogmatisch vorgetragenen Aussage der UN-Bundesbehörde FBI, hinter dem Diebstahl von Sony-Daten stecke Nordkorea, stark bezweifelten.


Zweifel an Glaubwürdigkeit der FBI-Behauptung

Der schnelle Schuldspruch des FBI hat Proteste von Internetsicherheitsexperten und Verschwörungstheoretikern hervorgerufen und den Verdacht geschürt, die USA seien an einem Komplott zur weiteren Isolierung des koreanischen Regimes beteiligt. "Es kann gut sein, dass das FBI die Behauptung zurückziehen muss", so Jennings.

Es wäre nicht das erste Mal, dass der CIA mit schmutzigen Tricks versucht hätte, einem ausländischen Regime zu schaden oder ein Mordkomplott gegen einen ausländischen Führer zu schmieden. Jennings zufolge ist es deshalb durchaus sinnvoll, die Wahrhaftigkeit der FBI-Aussagen in Frage zu stellen und im Zusammenhang mit 'The Interview' Fragen über eine mögliche Verwicklung des CIA zu stellen.

Was die CIA-Mordkomplotte gegen Kuba angeht, hatte neben dem Church-Senatsausschuss auch der CIA-Generalinspektor über Pläne des CIA berichtet, einen Bombenanschlag mit präparierten Muscheln durchzuführen. "Da stellt man sich schon die Frage, was die CIA-Leute damals getrunken haben, um auf so blöde Ideen zu verfallen, statt verantwortungsvolle Politik zu betreiben, wie es die Pflicht einer großen Nation ist", betonte Jennings. "Und wir alle wissen ja nur allzu gut über Abu Ghraib, Folter, Überstellungen und Geheimgefängnisse Bescheid."

Sollte sich herausstellen, dass der CIA an dieser neuesten Sony-gegen-Nordkorea-Farce beteiligt ist, ist nach Ansicht von Jennings die Zeit für eine Untersuchung nach dem Vorbild des Church-Ausschusses gekommen, "um dem Geheimdienst durchzuschütteln und seine derzeitigen Entscheidungsträger in die Kammern des Schreckens zu verbannen, in die sie hingehören". (Ende/IPS/kb/2015)


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http://www.ipsnews.net/2015/01/the-day-cia-failed-to-un-beard-castro-in-his-own-den/

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. Januar 2015


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