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USA/330: USA - Anti-Drogenkrieg trifft Schwarze, schlimmste Strategie seit der Sklaverei (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 23. Juni 2011

USA: Anti-Drogenkrieg trifft Schwarze - Schlimmste Strategie seit Sklaverei

Von Pam Johnson


Washington, 23. Juni (IPS) - Vor 40 Jahren schwor der damalige US-Präsident Richard Nixon die Nation auf einen "Krieg" gegen den Drogenhandel ein. Bürgerrechtlern zufolge verletzt dieser 'Krieg' bis heute vor allem die Rechte der afroamerikanischen Bevölkerung.

"Der 'Krieg gegen Drogen' hat sicherlich nicht den Rauschgifthandel und -missbrauch beendet. Er hat aber seine ursprünglichen Ziele erreicht, nämlich einigen Leuten Profit zu sichern, Minderheiten politisch zu entmündigen und Menschen aufgrund ihrer Herkunft auszugrenzen", sagte Reverend Jesse Jackson, Vorsitzender des Bündnisses 'Rainbow Push', kürzlich auf einem Treffen in Washington.

Einem Bericht der US-Bundespolizei FBI vom vergangenen Jahr zufolge wird in den USA alle 19 Sekunden ein Drogenkrimineller festgenommen. In den Gefängnissen des Landes sitzen mittlerweile rund 25 Prozent aller Strafgefangenen der Welt ein. Die meisten Häftlinge kamen wegen Rauschgiftbesitzes ins Gefängnis und sind keine Gewalttäter.

Da jeder 100. erwachsene US-Bürger hinter Gittern sitzt, gibt es in dem Land sogar mehr Häftlinge als in China. Experten zufolge ist der Rassenhass nirgendwo in den USA so deutlich spürbar wie in den völlig überfüllten Strafvollzugsanstalten.

Die Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) erklärt in ihrem Jahresbericht 2011, dass Afroamerikaner zwar nur 13 Prozent der Gesamtbevölkerung der USA, jedoch 35 Prozent aller wegen Drogendelikten Inhaftierten ausmachen.


Mehr schwarze Gefangene als im Südafrika der Apartheid

Schwarzenvertreter prangern an, dass es zurzeit mehr afroamerikanische Gefangene gibt als Sklaven im Jahr 1850. Selbst während des rassistischen Apartheid-Regimes in Südafrika waren dort in den neunziger Jahren weniger Schwarze inhaftiert als jetzt in den USA.

Der 'Krieg gegen Drogen' habe die farbige Bevölkerung ihrer hart erkämpften Bürgerrechte beraubt, kritisierte Michelle Alexander, die das Buch 'The New Jim Crow: mass incarceration in an age of colorblindness' (Das neue Jim Crow-Syndrom: Masseninhaftierung in einem Zeitalter der Farbenblindheit') veröffentlicht hat. Die Figur des Jim Crow ist in den USA der Stereotyp des unterdurchschnittlich intelligenten Schwarzen. Als 'Jim Crow laws' werden die Gesetze benannt, die bis 1964 die Rassentrennung vorschrieben. Der heutige Umgang mit Drogenstraftätern hat nach Ansicht der Autorin die gleiche diskriminierende Wirkung wie früher diese Gesetze.

Die Anti-Drogenstrategien hätten dazu geführt, dass Schwarze lebenslang als Menschen zweiter Klasse behandelt würden, sagte Alexander im Gespräch mit IPS. Die Zahl der Gefängnisinsassen habe sich dadurch seit den achtziger Jahren verfünffacht. Vor allem afroamerikanische Männer würden gezielt von der Polizei verfolgt, schon wegen geringer Vergehen wie Rauschgiftbesitz festgenommen und in ein Paralleluniversum abgeschoben, kritisierte sie. Gebe es solche Vorfälle in angesehenen Colleges, würden sie dagegen ignoriert.

Der HRW-Report hebt hervor, dass Afroamerikaner 44 Prozent der wegen Drogendelikten Verurteilten ausmachen, obwohl erwiesen sei, dass Schwarze und Weiße zu gleichen Teilen an diesen Straftaten beteiligt sind. Der Anteil der schwarzen Gefangenen sei sechs Mal so hoch wie der Weißer. 2009 war jeder zehnte junge Schwarze zwischen 25 und 29 Jahren in Haft. Bei der weißen männlichen Bevölkerung lag das Verhältnis hingegen bei eins zu 64.


Auch Obama-Regierung in der Kritik

"Der 'Drogenkrieg' war vermutlich die verheerendste politische Strategie seit der Sklaverei", sagte der ehemalige Polizeichef von Seattle, Norm Stamper. Auf einer Veranstaltung der unabhängigen Organisation LEAP in Washington erklärte er, dass die Regierung von Präsident Barack Obama eine Politik verfolge, die sie nach eigenen Angaben längst aufgegeben habe.

Wie aus einem Bericht von LEAP hervorgeht, hat die Obama-Regierung das Budget für die Drogenbekämpfung um 13 Prozent im Vergleich zu den Ausgaben der Vorgängerregierung unter George W. Bush erhöht. Die Gelder für Informationskampagnen gegen Rauschgiftmissbrauch seien dagegen im Fiskaljahr 2011 um 34 Prozent gekürzt worden. Selbst nach einer Anpassung an die Inflation hat sich Nixons Anti-Drogenkampf-Budget von 1971 inzwischen um das 50-Fache erhöht. Dennoch hat die Obama-Regierung weitere 26,2 Milliarden Dollar für die Fortsetzung des Anti-Drogen-Kriegs beantragt. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.rainbowpush.org/
http://www.leap.cc/
http://www.hrw.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=56174

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veröffentlicht im Schattenblick zum 24. Juni 2011