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USA/305: Rüstung - Kurzsichtige Waffengeschäfte, Abrüstungsexperten warnen USA (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2010

Rüstung: Kurzsichtige Waffengeschäfte - Abrüstungsexperten warnen USA

Von Thalif Deen


New York, 10. November (IPS) - Als der Schah von Persien, ein treuer Verbündeter der USA, von der Islamischen Revolution 1979 gestürzt wurde, trat das US-feindliche Regime des Ayatollah Khomeini ein bemerkenswertes Erbe an. In den Waffenarsenalen des Landes fanden sich die modernsten Rüstungsgüter, die auch heute noch das Rückgrat der iranischen Streitkräfte sind.

Was sie Mullahs vorfanden, war Hightech vom Feinsten: 'McDonnell Douglas F-4D- und F-4E-Phantom-Jagdflieger, Kampfflugzeuge vom Typ Grumman F-14A-Tomcats und Lockheed P-3F Orion', die als Seeaufklärer und U-Boot-Jagdflugzeug zum Einsatz kommen, waren ebenso vorhanden wie Sidewinder-Lenkwaffen, Harpune-Raketen und Panzer vom Typ M47 Patton and M60.

Die jüngste Entscheidung Washingtons, den Ländern der Golfregion Waffen in Milliardenhöhe zu verkaufen, lässt bei Experten die Warnglocken schrillen. Sie warnen, das sich die Geschäfte mit Ländern wie Saudi-Arabien, den Vereinigten Arabischen Emiratem (VAE), Oman, Kuwait, Katar und Bahrain zu einem ebenso gefährlichen Bumerang erweisen könnte, wie einst mit dem Iran.

Die USA stehen vor ihrem größten Waffendeal ihrer Geschichte: Rüstungsgüter in Höhe von 60 Milliarden US-Dollar sollen an Saudi-Arabien geliefert werden, kündigte Washington im letzten Monat an. Dem US-Rechnungshof GOA zufolge wurden von 2005 bis 2009 Waffen im Wert von 40 Milliarden Dollar an die sechs Golfstaaten geliefert, wobei Saudi-Arabien und die VAE die größten Abnehmer waren.


Die Folgen bedenken

Was die neuesten US-Pläne angeht, mahnt Pieter Wezeman vom Waffentransferprogramm des 'Stockholm Peace Research Institute' (SIPRI) zu Vorsicht. Er könne zwar keine zuverlässige Risikoeinschätzung geben, was die Gefahr für das saudische Königshaus angeht, von anti-westlichen Kräften gestürzt zu werden, so der renommierte Konfliktforscher. Doch sei die Frage durchaus relevant, wie der Iran gezeigt und der Irak noch zeigen könnte.

Im Fall des Irans sind die umfangreichen und teuren US-Waffensysteme zu einem Symbol der Unterstützung der Herrschaft des persischen Schahs Mohammad Reza Schah Pahlavi durch die USA geworden, das die politischen Gegner für ihre Zwecke zu nutzen verstanden. "Deshalb stellt sich die Frage, wie die geplanten Rüstungsgeschäfte von den Menschen der Golfstaaten aufgenommen werden", fragt sich Wezeman.

Obwohl Länder wie Frankreich und Russland in den 1980er Jahren den Irak mit größeren Mengen an Waffen beliefert hatten, war ihr Einfluss auf dem irakischen Präsidenten Saddam Hussein 1990 gering. Dieser Mangel an politischer Einflussnahme läuft dem häufig vorgebrachten Argument zuwider, dass die Waffenlieferantenländer politisch leicht die Schraube anziehen können, indem sie sich mit der Lieferung von Ersatzteilen und Reparaturleistungen zurückhalten.

Laut Natalie J. Goldring, Wissenschaftlerin am Friedensforschungszentrum der 'Edmund A. Walsh School of Foreign Service' der 'Georgetown University', birgt die Politik des ewigen Wettrüstens in der Golfregion erhebliche Risiken. "Da stellt sich die Frage nach der Stabilität des saudischen Könighauses. Sollte die Regierung gestürzt werden, spielen wir politischen Gegnern intelligente US-Waffen zu", warnt sie.

Goldring hat ebenfalls Bedenken gegen die Pläne, mit den Nahoststaaten neue Verteidigungsverträge abzuschließen. "Die (Barack-) Obama-Administration geht in Rüstungsfragen einen Schritt vor und zwei Schritte zurück, meint sie. So hatte sich die US-Regierung im vergangenen Jahr bereit erklärt, sich an Verhandlungen für ein Waffenhandelsabkommen anzuschließen, das Standards für internationale Waffenverkäufe festlegen soll.


Falsche Signale

Die Entscheidung sei eine willkommene Kehrtwende der US-Politik unter dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush gewesen, betont Goldring. Doch mit dem Angebot, Saudi-Arabien Waffen im Wert von 60 Milliarden Dollar zu liefern, sende Washington der Region das absolut falsche Signal und setze ein neues Wettrüsten in Gang.

Doch nicht nur Saudi-Arabien, auch andere Länder decken sich mit neuen US-Waffen ein. So hat Israel unlängst einen Vertrag über den Kauf neuer JSF/F-35 unterzeichnet. Verglichen mit dem saudischen Geschäft nimmt sich das Drei-Milliarden-Dollar-Geschäft zwar eher bescheiden aus, doch die F-35 sind die neusten Kampfflugzeuge, die bisher noch nicht einmal von den US-amerikanischen Streitkräften eingesetzt werden.

Goldring geht davon aus, dass die Lieferung der F-35 an Israel und der Einsatz dieser neuen Waffensysteme dazu führen wird, dass sich die Rüstungsindustrie der Entwicklung der nächsten Generation von Kampfflugzeugen widmen und ein neues Wettrüsten in Gang setzen wird. Sie rät der Regierung Obama dringend dazu, die kurz- und langfristigen Folgen ihrer Waffenverkäufe zu bedenken. (Ende/IPS/kb/2010)


Links:
http://www.sipri.org/
http://cpass.georgetown.edu/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53502


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 10. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. November 2010