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OSTEUROPA/281: Wahlkampf in Südossetien (jW)


junge Welt - Die Tageszeitung - Ausgabe vom 30. Mai 2009

Wahlkampf in Südossetien

Regierung und Opposition stark zerstritten.
Schwere Vorwürfe gegen den Präsidenten

Von Rainer Rupp (*)


In der ehemaligen georgischen autonomen Republik Südossetien finden am Sonntag Parlamentswahlen statt. Es sind die ersten nach dem militärischen Überfall Georgiens im August 2008 und der anschließenden von Rußland unterstützten Unabhängigkeitserklärung. Die politischen Kräfte des Landes sind stark zerstritten. Die Opposition wirft der Regierung des bis 2011 amtierenden Präsidenten Eduard Kokoity Korruption und einen autoritären Führungsstil vor. Damit liefere Kokoity einen zusätzlichen Vorwand, die Souveränität des neuen südossetischen Staates nicht anzuerkennen. Bisher ist Südossetien nur von Rußland und Nicaragua anerkannt worden. Zugleich rief die Opposition den Kreml auf, den Teil der von Kokoity geplanten Verfassungsänderung zu stoppen, welcher die bisher geltende Begrenzung der Amtszeit der Präsidenten aufheben und ihm erlauben würde, auch nach 2011 weiter zu regieren.

Der russische General Anatoli Barankiewitsch, der eine entscheidende Rolle im kurzen August-Krieg zur Befreiung Südossetiens von den georgischen Invasoren gespielt hatte, warf jüngst Präsident Kokoity vor, das Land »in die Gesetzlosigkeit« abgleiten zu lassen. Die 450 Millionen Dollar russischer Hilfe für den Wiederaufbau seien - ohne sichtbare Spuren im Land zu hinterlassen - in dunklen Kanälen verschwunden. Zugleich hat der Chef der russischen Präsidialverwaltung, Sergej Narischkin, im TV-Sender Vesti 24 den Südosseten nahegelegt, die bisher geltende Begrenzung der Amtszeit des Präsidenten beizubehalten. Dies war laut der russischen Onlinezeitung Politcom.ru soviel wie eine »höfliche Auforderung« des Kreml an Präsident Kokoity, den Platz für einen Nachfolger frei zu machen. Aber was, so fragt Politcom.ru weiter, wenn Kokoity diese Aufforderung »ebenso höflich ignoriert?«

In russischen Regierungskreisen scheinen die Klagen der Opposition zwar auf offene Ohren zu stoßen, aber der politische Handlungsspielraum des Kreml ist begrenzt. Seit der Unabhängigkeitserklärung verweist Rußland stets auf die nationale Souveränität Südossetiens, das von einer demokratischen Regierung geführt werde. Auch nur der Schein einer Einmischung des Kreml würde dem Westen die politische Munition liefern, um die Souveränität des Landes und die russischen Motive in Frage zu stellen. So hat Kokoity gute Chancen, am Sonntag die Wahlen zu gewinnen. Laut General Barankiewitsch habe er mit angeblich unlauteren Mitteln seine beiden Hauptkontrahenden weitgehend ausgeschaltet. Die Opposition beschuldigt Kokoity bereits jetzt der Wahlfälschung, was beim Kreml wiederum auf wenig Gegenliebe stößt, da Rußland sehr an einem Parlament interessiert ist, das durch die Wahlen unanzweifelbar legitimiert ist. Daher sollen unabhängige internationale Beobachter (Journalisten und Abgeordnete) aus Deutschland, Frankreich und Italien am Sonntag überall in Südossetien den Ablauf der Wahlen kontrollieren.

(*) Der Autor ist Mitglied der internationalen Beobachtergruppe für die Parlamentswahlen in Südossetien


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Quelle:
junge Welt vom 30.05.2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Juni 2009