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LATEINAMERIKA/1695: Venezuela - Hausarrest von López als Schritt hin zur Lösung der Krise (poonal)


poonal - Pressedienst lateinamerikanischer Nachrichtenagenturen

Venezuela

Hausarrest von López als Schritt hin zur Lösung der Krise


(Montevideo, 10. Juli, la diaria) - Der venezolanische Oppositionsführer Leopoldo López, der sich seit Februar 2014 in Haft befand, weil er eine Reihe öffentlicher Proteste gegen die Regierung angeführt hatte, bei denen 43 Menschen starben, kann seine restliche Strafe zu Hause absitzen. Die von dem Obersten Gerichtshof TSJ (Tribunal Supremo de Justicia) verkündete Maßnahme wurde als ein Triumph der Opposition gewertet, die von der Regierung die Freilassung der restlichen "politischen Gefangenen" verlangte, und als ein grundsätzlicher Schritt hin zu einer friedlichen Lösung aus der Krise, in der sich das Land befindet.

Die Führungsfigur der Opposition wurde in der Nacht zum Samstag, 8. Juli 2017, aus dem Militärgefängnis "Ramo Verde" in sein Haus in Caracas gebracht, nachdem er dreieinhalb Jahre einer Gesamtstrafe von insgesamt dreizehn Jahren und neun Monaten verbüßt hatte. Einige Stunden später informierte der TSJ in einer kurzen Mitteilung darüber, dass diese "humanitäre Maßnahme" wegen Lopez' "gesundheitlicher Probleme" ergriffen worden sei. Familienangehörige des Politikers versicherten hingegen, es gehe ihm ausgezeichnet, wovon man sich auf den ersten Fotos überzeugen konnte, die nach seiner Überführung in Umlauf waren. Seine Ehefrau Lilián Tintori erklärte jedoch, man habe ihn nach Hause geschickt, da man in Ramo Verde, wo man ihn "gefoltert" habe, nicht für sein Leben garantieren konnte. "Die letzten Tage waren die schlimmsten", versicherte sie. Es sei beispielsweise gezwungen worden, die Gefängniskost zu essen und nicht die Lebensmittel, die sie ihm geschickt habe und dass er fünf Kilogramm abgenommen habe.


Maduro befürwortet Hausarrest

Der Präsident Venezuelas, Nicolás Maduro, sprach sich nicht gegen den richterlichen Beschluss aus. Er erklärte im Gegenteil, dass er diesen nicht nur respektiere, sondern dass er selbst ihn einige Tage zuvor befürwortet habe. Die Bewilligung des Hausarrestes von López durch das Gericht erfolgte auf Basis eines Berichtes der Kommission für die Wahrheit, Gerechtigkeit und den Frieden, den Staatschef Maduro zuvor freigegeben hatte. Das gab dieser in einer öffentlich ausgestrahlten Erklärung an.

López war 2014 festgenommen worden, nachdem er die Venezolaner*innen unter dem Hashtag #LaSalida (der Ausweg) dazu aufgerufen hatte, auf die Straßen zu gehen, um das Ende der Regierung Maduros zu fordern, die ein Jahr zuvor gewählt worden war. Die Proteste dauerten mehrere Wochen an und forderten 43 Todesopfer; außerdem entstand beachtlicher Sachschaden. Die Justiz machte López - und andere Anführer*innen - dafür verantwortlich und verurteilte ihn wegen öffentlicher Einschüchterung, Sachbeschädigung und vorsätzlicher Tötung. Maduro erinnerte daran, dass López diese Proteste angeführt habe und überlegte, dass die Verlegung in dessen Haus einen Anreiz darstellen könne, damit der Anführer der Opposition "einen Aufruf zur Umkehr und für den Frieden mache". Maduro nutzte die Gelegenheit, um zu einem "umfangreichen Dialog" mit der Opposition aufzurufen, damit "der Frieden" einkehre in ein Land, welches seit über 100 Tagen Schauplatz von Protesten ist, die inzwischen 91 Todesopfer gefordert haben.

Doch López gab nicht klein bei. Im Gegenteil, er rief die Venezolaner*innen auf, auf den Straßen zu bleiben. "Ich wiederhole mein Versprechen, zu kämpfen bis wir die Freiheit erobert haben [...] wir werden auf die Straßen zurückkehren, um zu kämpfen", erklärte er in einem Brief. "Ich bleibe standhaft in der Ablehnung dieses Regimes und in meiner Überzeugung für den Kampf für einen echten Frieden, ein wirkliches Zusammenleben, einen echten Wechsel und die wahre Freiheit. Ich habe nicht die geringste Absicht, aufzugeben", fügte er hinzu. Einige Stunden später kletterte López auf die Mauer, die sein Haus von der Straße trennt, und begrüßte Dutzende von Menschen, die sich dort versammelt hatten, indem er eine Fahne von Venezuela hisste.


Noch ein weiter Weg

Die Opposition feierte die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes, warnte aber auch, dass sich noch 400 "Gefangene aus Gewissensgründen" in den Gefängnissen Venezuelas befänden. Gleichzeitig versicherte sie, dass es Dank des soziales "Drucks" zur Verlegung von López gekommen sei und nicht, weil die Regierung einen "Dialog" angestoßen habe, so wie der venezolanische Verteidigungsminister Vladimir Padrino López argumentierte. In diesem Sinne wurde die Verlegung als ein "unbestreitbarer Triumph" angesehen, der die Notwendigkeit zeige, "den demokratischen Kampf zu intensivieren".

"Wir hoffen, dass diese Maßnahme der Regierung in Bezug auf Leopoldo - Ergebnis einer Kombination aus nationalem und internationalem Druck - der Beginn eines Umkehrprozesses sein kann, der dahin führt, was ganz Venezuela will (nämlich der Rücktritt der Regierung Maduros)", bekräftigte das Oppositionsbündnis Mesa de la Unidad Democrática MUD (Tisch der demokratischen Einheit) in einer Erklärung.


Lateinamerikanische Regierungen fordern glaubwürdigen Dialog

Ähnlich äußerten sich verschiedene Regierungen Lateinamerikas und internationale Organisationen. Der argentinische Präsident Mauricio Macri bekundete auf Twitter seine "Freude" über die Freilassung von López und erklärte, er "hoffe", dass "bald" das Gleiche mit den "übrigen politischen Gefangenen" passiere. Die chilenische Regierung forderte ihrerseits "die endgültige Freilassung López'" und einen "glaubwürdigen Dialog zwischen Regierung und Opposition". Die Regierungen von Kolumbien, Peru, Paraguay, Mexiko, Panama, Guatemala und der Dominikanischen Republik äußerten sich ebenfalls in diesem Sinne.

Nach Meinung des Generalsekretärs der Organisation Amerikanischer Staaten, Luis Almagro, sei das Verlassen des Gefängnisses von López eine "Gelegenheit zur nationalen Versöhnung und einem demokratischen Ausweg" aus der "ernsten" Krise, die das Land durchlebe.

Amnesty International warnte jedoch weniger optimistisch, dass sich die "Unterdrückung" in Venezuela trotz des Hausarrestes von López "verstärke" und erklärte daher nachdrücklich, dass dies ein erster Schritt sein müsse, "um die Politik der venezolanischen Regierung zu ändern, all die Personen zu unterdrücken, die nicht mit ihr einverstanden sind". Die Direktorin der Amerika-Abteilung für Amnesty International, Erika Guevara, erinnerte daran, dass sich der Oppositionspolitiker weiterhin nicht in Freiheit befinde. "Sich einer Regierung zu widersetzen ist kein Verbrechen. Alle Klagen gegen Leopoldo müssen zurückgenommen und er sofort und ohne Bedingungen freigelassen werden", fügte sie hinzu. Sie forderte Maduro außerdem auf, "damit aufzuhören, Menschen dafür zu bestrafen, dass sie anders denken" und seine Energie darauf zu konzentrieren, "machbare Lösungen zu finden, um die tiefe Krise zu lösen, in der sich das Land befindet".


Weitere Oppositionsführer bleiben in Haft

Einige Stunden, nachdem López in seinem Haus angekommen war, forderte die venezolanische Staatsanwaltschaft die Überprüfung von freiheitsentziehenden Maßnahmen dreier weiterer, sich in Haft befindenden Oppositionspolitiker: Die der Ex-Bürgermeister Antonio Ledezma und Daniel Ceballos, sowie dem Mitglied der Opposition, Lorent Saleh.

Ledezma, Ex-Bürgermeister von Caracas, wurde am 19. Februar 2015 wegen "Verschwörung gegen die Regierung" festgenommen. Er soll Gruppen unterstützt haben, die "die Absicht hatten, die Regierung zu destabilisieren". Er war - wie López - in Ramo Verde inhaftiert, bis er zwei Monate nach einem chirurgischen Eingriff seine Strafe als Hausarrest verbüßen konnte.

Ceballos, Ex-Bürgermeister von San Cristóbal, wurde im März 2014 festgenommen und zu zwölf Monaten Haft verurteilt, da er ein Urteil des Obersten Gerichtshofes nicht befolgt hatte, nach welchem er verpflichtet gewesen wäre, die Aufstellung von Barrikaden in seiner Gemeinde während der Proteste zu verhindern. Er verbüßte seine Strafe, blieb danach jedoch weiterhin in Haft, da das Gericht einen weiteren Rechtsverstoß im Zusammenhang mit den Protesten festgestellt hatte.

Saleh wurde im September 2014 aus Kolumbien ausgewiesen und den venezolanischen Behörden übergeben. Er soll in "konspirative Pläne" gegen die Regierung Maduros verwickelt gewesen sein. Seit diesem Zeitpunkt wird er in einem Kerker des venezolanischen Geheimdienstes gefangen gehalten.


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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Juli 2017

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