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LATEINAMERIKA/1439: Venezuela - Indigene fordern Beschleunigung des Demarkierungsprozesses (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2013

Venezuela: Indigene fordern Beschleunigung des Demarkierungsprozesses

von Humberto Márquez


Bild: © Humberto Márquez/IPS

Der Schamane José Carmona lehnt die Präsenz bewaffneter Gruppen auf indigenem Gebiet ab
Bild: © Humberto Márquez/IPS

Caño de Uña, Amazonasgebiet, Venezuela, 22. November (IPS) - "Alle Länder des Amazonas-Beckens behaupten von sich, für den Schutz der Umwelt einzutreten. Doch alle schließen Abkommen mit transnationalen Konzernen, die dort Straßen bauen, Rohstoffe fördern oder Wälder ausbeuten wollen", meinte der Anführer der indigenen Curripaco, Gregorio Díaz Mirabal, unlängst im Süden Venezuelas.

Wie er gegenüber IPS berichtete, gibt es allein in Venezuela 50 Gesetze und Bestimmungen zugunsten der Rechte der indigenen Völker. Das Problem sei die Umsetzung. Der Chief wies ferner darauf hin, dass die Regierung dazu verpflichtet sei, bei geplanten Projekten, die die ethnischen Gemeinschaften betreffen, deren Einverständnis einholen zu müssen.

Doch auch diese Auflage wird nicht eingehalten, beklagte Díaz Mirabal, Koordinator der Regionalorganisation der Indigenen Amazonasvölker (ORPIA), in der 17 der insgesamt 20 indigenen Gruppen Venezuelas organisiert sind. Er nannte ein Beispiel. So hat Venezuela das chinesische Unternehmen 'Citic' mit der Erstellung einer Karte beauftragt, in der die Rohstoffreserven des Landes eingezeichnet sind.

"Wir wollen aber keine Minen", erklärte der Indigenenführer. "Ebenso wenig wollen wir wie Störenfriede oder CIA-Agenten behandelt oder gar beschuldigt werden, fremden Interessen zu dienen."


Explorationsmoratorium gefordert

Seit Juni fordern elf indigene Organisationen der Amazonasregion von Staatspräsident Nicolás Maduro ein Moratorium gegen die Rohstoffexploration durch die Firma Citic. Sie verlangen ferner eine Beschleunigung des Demarkationsprozesses, damit sie endlich über ihre Gebiete bestimmen dürfen. "Unsere einzige Möglichkeit, zu überleben, besteht darin, unsere Umwelt, unser Habitat, zu schützen. Als Wächter des Amazonasgebiets können wir zur Rettung des Planeten beitragen", betonte Guillermo Arana, ein Chief der indigenen Uwottyja oder Piaroa.

Arana lebt in Caño de Uña - auf der Rückseite des Autana-Tepuis, eines Tafelberges. Nach mehrstündiger Bootsfahrt von Puerto Ayacucho - der regionalen Hauptstadt 400 Kilometer südlich von Caracas - flussaufwärts des Orinoco, Cuao und Autana ist das Ziel erreicht: der Tepui, der von den Uwottyja auch 'Wahari-Kuawai' (Baum des Lebens) genannt wird. Die Indigenen leben auf Dschungellichtungen in Flussnähe.

Im 184.000 Quadratkilometer großen Bundesstaat Amazonas sind 54 Prozent der 180.000 Einwohner Ureinwohner. Der Bergbau ist hier seit 1989 gesetzlich verboten und der Großteil des Territoriums steht unter einem besonderen Schutz.

Die Demarkierung der indigenen Territorien wurde in die Verfassung von 1999 aufgenommen. Für die Durchführung sind ein nationaler Ausschuss und das Umweltministerium zuständig. Wie aus dem vorläufig letzten Bericht des Ausschusses von 2009 hervorgeht, gingen 40 Eigentumstitel über Kollektivland an 73 Gemeinschaften von zehn unterschiedlichen indigenen Völkern - insgesamt 15.000 Menschen.

Bisher wurde kein Landtitel für ein ganzes Volk vergeben. Vielmehr wurden bestimmte Gemeinschaften außerhalb des Amazonas bedacht. "Das ist aufgrund der Multiethnizität - der Existenz verschiedener Gruppen, die in einem Gebiet koexistieren - ein komplexer Prozess", meinte César Sanguinetti, Mitglied der ethnischen Curripaco und Abgeordneter der regierenden Vereinigten Sozialistischen Partei Venezuelas, der den Bundesstaat Amazonas vertritt. Wie Sanguinetti erklärte, ist vorgesehen, den Demarkationsprozess spätestens Ende des Jahres zu beschleunigen.

Bild: © Humberto Márquez/IPS

Kinder vom Volk der Uwottyja im Amazonas-Dorf Samaria
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Sanguinetti und ein weiterer indigener Parlamentarier der Regierungspartei, José Luis González, boten sich als Unterhändler eines Treffens zwischen den indigenen Gemeinschaften und der Regierung an. Der Demarkationsprozess werde die kollektiven Rechte der Indigenen stärken. Doch könne nicht davon ausgegangen werden, dass damit der illegale Bergbau automatisch zum Erliegen komme, meinte González, Vorsitzender des parlamentarischen Ausschusses der indigenen Völker und Mitglied der ethnischen Pemón im Südosten des Landes.

Während Citic-Vertreter in verschiedenen Regionen nach Rohstoffen suchen, dringen kleine Goldschürfer immer weiter in das Amazonasgebiet vor. In der Mehrheit handelt es sich um Goldwäscher aus Brasilien, Kolumbien und anderen Ländern der Region, die für die Zerstörung der Wälder und die Verseuchung der Flüsse mit Quecksilber verantwortlich gemacht werden. Quecksilber wird verwendet, um das Gold aus dem Gestein zu lösen.


Indigene von Goldsuchern versklavt

Die Invasoren missbrauchen offenbar Indigene als Sklaven. "Wir haben Ureinwohner gesehen, denen die Goldschürfer Nummern in die Arme gebrannt haben, um sie als ihr Eigentum zu kennzeichnen", berichtete der Yanomami-Aktivist Luis Shatiwe im IPS-Gespräch. "Die indigenen Männer werden als Lastenträger, die Frauen als Bedienstete eingesetzt und mit ein bisschen Essen, Rum oder einer Machete bezahlt."

Die Indigenen berichteten ferner, dass Mitglieder der Guerilla Bewaffnete Streitkräfte Kolumbiens (FARC) ins venezolanische Amazonasgebiet vordringen, dort Lager errichteten, ihre Vorräte auffüllten und der Region ihre eigenen Gesetze aufzwängen.

"Der Goldrausch und die Rebellen sorgen für Chaos und Verwüstung", erklärte der Gouverneur des Bundesstaates Amazonas, Liborio Guarulla, unlängst vor Journalisten. "Die FARC-Rebellen treten auf, als seien sie die Bodyguards der illegalen Goldschürfer. Sie alle verstoßen gegen die Rechte der Indigenen und verseuchen deren Umwelt."

Die Uwottyja-Gemeinden hatten sich im Mai mit FARC-Vertretern getroffen und diese aufgefordert, sich aus den Territorien zurückzuziehen. "Die Rebellen kamen hierher, um uns zu erklären, dass wir uns gegen das 'Imperium' erheben sollen", meinte der Schamane José Carmona, der den Ältestenrat in Caño de Uña leitet. "Wir sind aber friedliebende Menschen. Wir wollen keine Waffen. Wir wollen friedlich in den Gebieten leben, die uns gehören." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://www.coica.org.ec/index.php/es/quienes-somos/80-orgaizciones/80-organizacion-regional-de-pueblos-indigenas-del-amazonas-orpia
http://www.ipsnews.net/2013/11/demarcation-of-native-territories-essential-for-venezuelas-amazon-region/
http://www.ipsnoticias.net/2013/11/demarcacion-indigena-se-vuelve-clave-para-amazonia-venezolana/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 22. November 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. November 2013