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LATEINAMERIKA/1358: Kolumbien - Weitere Attentate geplant, Zeuge sagt aus (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2012

Kolumbien: Weitere Attentate geplant - Zeuge sagt aus

von Constanza Vieira


Der Abgeordnete Iván Cepeda - Bild: © Constanza Vieira/IPS

Der Abgeordnete Iván Cepeda
Bild: © Constanza Vieira/IPS

Bogota, 13. Juli (IPS) - Nach dem Bombenattentat auf den ehemaligen kolumbianischen Innen- und Justizminister Fernando Londoño hat ein Zeuge über Pläne berichtet, denen zufolge auch die Ex-Senatorin Piedad Córdoba und der Bürgermeister von Kolumbiens Hauptstadt Bogota, Gustavo Petro, Attentaten zum Opfer fallen sollen. Nach dieser Aussage ist der Zeuge ins benachbarte Venezuela geflohen.

Der rechtsgerichtete Politiker Londoño hat das Attentat vom 15. Mai mit leichten Verletzungen überlebt. Allerdings kamen der Fahrer und ein Leibwächter des 68-Jährigen ums Leben. 20 Unbeteiligte wurden verletzt.

Der Name des Zeugen ist bisher nicht bekannt. Einige seiner Aussagen erschienen am 9. Juli in der kolumbianischen Zeitung 'La Opinión', die in Cúcuta erscheint, einer Stadt an der Grenze zu Venezuela. Demzufolge war er Mitglied einer kleinen Zelle von drei Personen, darunter eine Frau. Das Mordkommando soll hochtechnisiert gewesen sein und Mikrochips in der Nähe ihrer Opfer angebracht haben, um dann im passenden Moment Bomben per Fernsteuerung zu zünden.

Dem Zeitungsbericht zufolge beauftragte der Ex-Sergeant Hernando Medina den Zeugen mit der Durchführung der Verbrechen. Beide Männer hatten vor Jahren der gleichen Armeeeinheit angehört. Insgesamt war für die Ermordung von Córdoba und Petro eine Milliarde kolumbianischer Pesos in Aussicht gestellt worden - umgerechnet 560.000 US-Dollar. Die Hälfte wollte Medina für sich behalten, den Rest sollte sich der Zeuge mit seinen Komplizen teilen.


Angst um sein eigenes Leben

Ausgestiegen sei der Zeuge, weil er ein Telefongespräch mitgehört habe, in dem es hieß, es dürfe im Rahmen der Aktion keine "losen Schiffstaue" geben. Dem Zeitungsbericht zufolge gab er das Vorhaben aus Angst, nach dem Anschlag umgebracht zu werden, auf. Eine Videoaufzeichnung seiner Aussage habe er abgelehnt, um sich nicht in Gefahr zu bringen.

Zumindest einen Teil der Geschichte hat das vermeintliche künftige Opfer selbst bestätigt. Nach dem Attentat erhielt Córdoba nach eigenen Angaben einen Drohanruf, in dem es hieß, ihr werde das Gleiche wie Londoño zustoßen. "Das Ganze ist offensichtlich ein Destabilisierungsplan", betonte die Ex-Senatorin.

Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre hatte einen Monat nach dem Attentat erklärt, dass den Nachforschungen zufolge die Rebellenorganisation FARC hinter dem Attentat stehe. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens sind seit 1964 in Kolumbien aktiv. Montealegre fügte hinzu, dass die Aktion gegen Londoño in Verbindung mit einer Autobombe zu sehen sei, die am selben Tag einen Polizeistützpunkt treffen sollte, aber rechtzeitig entschärft werden konnte.

Gegenüber IPS bestätigte Montealegre, dass "im Fall des Attentats auf Londoño eine Aussage vorliegt". Darüber hinaus kündigte er weitere Ermittlungen an. Die Frage, ob der Zeuge neben Medina weitere Namen genannt habe, wollte Montealegre nicht bestätigen. In dem Zeitungsartikel war der Ex-Kommandant der staatlichen Streitkräfte (1996-1997), Harold Bedoya, als Drahtzieher des Plans genannt worden. Dieser wies die Anschuldigung jedoch zurück.

Der Zeuge hat sich nach Informationen von IPS nicht nur an die Zeitung, sondern auch an den Parlamentarier Iván Cepeda, Sohn des 1994 ermordeten kommunistischen Journalisten und Senators Manuel Cepeda, gewandt. "Er sagte, er sei in seiner Kindheit ein Nachbar von Hernando Medina gewesen. Medina war einer der Attentäter meines Vaters", so Iván Cepeda. 1999 wurde Medina für diesen Mord zu 43 Jahren Haft verurteilt. 2007 kam er aber wieder auf freien Fuß.

Laut der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch' (HRW) hat Medina seither weitere Verbrechen verübt. "Trotz seiner vermeintlichen Suspendierung aus dem Dienst war Medina weiterhin für die Streitkräfte aktiv", heißt es in einem Brief, den die Organisation am 3. November 1999 an den damaligen Präsidenten Andrés Pastrana richtete. HRW schrieb damals außerdem, dass Medina trotz Ermittlungen gegen seine Person einen Geheimdienst leite, jede Bewegungsfreiheit genieße und regelmäßig seine Familie in der Stadt Neiva besuchen könne.

Der Zeitung La Opinión zufolge wird zurzeit gegen Medina wegen Beteiligung am Drogenhandel ermittelt. Seit November 2011 soll er in Bogotá inhaftiert sein. Der Zeuge gab jedoch gegenüber La Opinión an, sich am 6. Mai dieses Jahres mit Medina getroffen zu haben. Wenn das stimmt, dann ist Medina heute genauso 'sicher' verwahrt wie vor 13 Jahren - und bewegt sich weiterhin frei im Land und könnte von daher auch seinen kriminellen Machenschaften weiter nachgehen. (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.ipsnews.net/2012/07/colombian-informant-exposes-destabilisation-plot/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=101167

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 13. Juli 2012
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Juli 2012