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LATEINAMERIKA/1310: Argentinien - Alle für Cristina, Opposition bei Präsidentschaftswahlen chancenlos (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 20. Oktober 2011

Argentinien: Alle für Cristina - Opposition bei Präsidentschaftswahlen chancenlos

von Marcela Valente


Buenos Aires, 20. Oktober (IPS) - Keine klare Führung, keine alternativen Ideen - kurz vor den Präsidentschaftswahlen am 23. Oktober in Argentinien zeigt sich die Opposition zur regierenden Peronistischen Partei (PJ) mit wenig Selbstwertgefühl: Die Kandidaten kämpfen nicht um die Präsidentschaft, sondern wollen nach Favoritin Cristina Fernández de Kirchner lediglich Zweiter werden. Die aktuellen Umfragen geben ihnen Recht: Während Fernández, die aktuelle Präsidentin des südamerikanischen Landes, auf Zustimmungsraten von mehr als 50 Prozent kommt, erreichen ihre Konkurrenten kaum 15 Prozent.

Ein illustrer Haufen tritt am Sonntag zur Wahl an: Cristina Fernández hat bereits eine Amtsperiode hinter sich, vorher regierte von 2003 bis 2007 ihr Mann Néstor Kirchner, der im vergangenen Jahr verstarb. In allen Umfragen kommt die Kandidatin der 'Front für den Sieg', dem größten Mitte-Links-Flügel der PJ, auf mehr als die Hälfte aller Stimmen in einem Land, in dem Wahlpflicht herrscht. Dennoch beteiligen sich in der Regel nicht mehr als 70 Prozent aller Wahlberechtigten am Urnengang.

Daneben tritt für die Unión Civica Radical - einst eine ernstzunehmende Partei, mit der die PJ um die Präsidentschaft gerungen hatte - Ricardo Alfonsín an. Alfonsín ist Sohn des verstorbenen Ex-Präsidenten Raúl Alfonsín, der 1983 erster demokratisch gewählter Präsident nach sieben Jahren Militärdiktatur wurde und bis 1989 regierte. In den Vorwahlen im August erhielt sein Sohn zwölf Prozent der Stimmen und erreichte damit Platz zwei hinter Cristina Fernández mit mehr als 50 Prozent der Stimmen.

In aktuellen Umfragen wurde Alfonsín allerdings von Hermes Binner überholt, der seit 2007 Gouverneur der Provinz Santa Fe ist. Binner gehört der Sozialistischen Partei an, tritt nun aber als Kandidat für die Breite Progressive Front an, zu der verschiedene linksdemokratische Gruppierungen gehören. Binner will sich von der aktuellen Regierung nicht durch politischen Diskurs abgrenzen, sondern eher durch den Regierungsstil.


Bekannte Gesichter

Daneben geht Alberto Rodríguez Saá als Präsidentschaftskandidat für das Föderale Versprechen ins Rennen, einer rechtsgerichteten Abspaltung der Peronistischen Partei. Der Gouverneur der Provinz San Luis ist jüngerer Bruder von Adolfo Rodríguez Saá, der nach dem wirtschaftlichen und politischen Zusammenbruch Argentiniens im Jahr 2001 für kurze Zeit Übergangspräsident war.

Schließlich treten noch zwei weitere bekannte Persönlichkeiten an: Der eher unbeliebte Eduardo Duhalde, Übergangspräsident in den Jahren 2002 bis 2003, der für den Föderalen Peronismus in den Ring steigt, einem Mitte-Rechts-Flügel der PJ. Außerdem stellt sich Elisa Carrió zur Wahl, die bei den Präsidentschaftswahlen 2007 noch 23 Prozent der Stimmen einholte. Jetzt liegt die Kandidatin der Bürgerlichen Koalition in Umfragen lediglich bei 3,2 Prozent.

"In einer Demokratie gibt es immer die Möglichkeit, sich abzuheben und eigene Schwerpunkte zu setzen", sagte Carla Carrizo, Professorin für Politikwissenschaft an der katholischen 'Universidad del Salvador' in Buenos Aires, gegenüber IPS. "Selbst, wenn die regierende Partei besonders beliebt ist und, wie in diesem Fall, die Arbeitslosigkeit niedrig hält", fügte sie hinzu. Bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen würden allerdings kaum Alternativen geboten. "Die Oppositionsführer scheinen sich darauf geeinigt zu haben, nicht gegen Cristina Fernández anzutreten, sondern einzig um den zweiten Platz zu kämpfen."

Am dritten Wochenende veröffentlichte das Zentrum für Studien zur politischen Meinung eine Umfrage, nach der 63,5 Prozent der Befragten der Ansicht sind, dass die Opposition keine Alternative zur aktuellen Regierung bietet. Für 22,9 Prozent bietet die Opposition eine Alternative, 13,6 Prozent enthielten sich der Stimme.


Kein Programm, kein Führungsbild und kein Zusammenhalt

Dafür spricht auch, dass Binner der einzige der Oppositionskandidaten mit eigenem politischem Programm ist. Saá versucht immerhin, sich über sein Amt als Gouverneur und seine in dem Rahmen erzielten politischen Erfolge zu profilieren. Alfonsín hat bereits öffentlich gesagt, dass er davon ausgeht, dass Fernández die Wahlen gewinnen wird. Er selbst "glaube ihr allerdings nichts" und werde sie auch nicht darin unterstützen, "unbefristet wiedergewählt" zu werden.

Aus einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts 'Ipsos-Mora y Araujo' geht Cristina Fernández als beliebteste Kandidatin hervor. Während 65 Prozent der Befragten ein positives Bild von ihr haben, wird sie von 33 Prozent abgelehnt. An zweiter Stelle steht Binner mit 39 Prozent der Stimmen auf der Positivseite und 32 auf der Negativseite.

Für den Parteiforscher Rosendo Fraga fehlt den Oppositionskandidaten ein klares Führungsbild. Darüber hinaus sei die Opposition zu sehr gespalten. Sie müsse sich zusammenschließen, um gegen die beliebte Präsidentin Fernández eine Chance zu haben. "Raum für ein gemeinsames Oppositionsbündnis ist vorhanden. Was fehlt, ist jemand, der die Führung übernimmt und die unterschiedlichen Strömungen zu einem Strom zusammenführt", sagte der Leiter des Forschungszentrums für die Neue Mehrheit. Carrizo hingegen sieht strukturelle Gründe für die aktuelle Situation: "Das Parteiengesetz gibt geradezu Anreize dazu, dass sich die Parteien immer mehr zersplittern." (Ende/IPS/jt/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Oktober 2011