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LATEINAMERIKA/1304: Honduras - Weniger Rechte fürs Militär, Demilitarisierungsprojekt in Arbeit (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 4. Oktober 2011

Honduras: Weniger Rechte fürs Militär - Demilitarisierungsprojekt in Arbeit

Von Thelma Mejía


Tegucigalpa, 4. Oktober (IPS) - In Honduras arbeiten Politexperten und Vertreter der Zivilgesellschaft an einem Projekt, das die Einflussnahme der Streitkräfte auf die Politik des zentralamerikanischen Landes verringern soll. Ziel ist es, einen Putsch wie vor zwei Jahren zu verhindern.

Der Staatsstreich gegen den damaligen Präsidenten Manuel Zelaya, der im Juni 2009 gezwungen wurde, im Pyjama ein Flugzeug in Richtung Costa Rica zu besteigen, hatte für Honduras selbst weit reichende Folgen, wie Edmundo Orellano gegenüber IPS erklärte. Dem ehemaligen honduranischen Verteidigungsminister zufolge meint das Militär seither, "das Land hat ihm zu dienen statt umgekehrt".

Der Coup habe Honduras in finstere Zeiten zurückgeworfen, sagte Orellana, ein ehemaliger Generalstaatsanwalt. "Wir konnten beobachten, wie ehemalige Mitglieder der Streitkräfte erneut Schlüsselpositionen in Politik und Wirtschaft einnahmen, die ihnen einst entzogen worden waren. Das zeigt die schwere Last der militärischen Vergangenheit von Honduras."

Orellana war eine Woche vor dem Staatsstreich gegen Zelaya (2006-2009) von seinem Amt als Verteidigungsminister zurückgetreten. Anlass waren Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Entscheidung des damaligen Präsidenten, den Militärs eine breitere öffentliche Präsenz einzuräumen. Ein weiterer Streitpunkt war die von der Regierung geplante Volksbefragung zu politischen Reformen, die ein Gericht als illegal abgelehnt hatte.


Militär soll Führungsanspruch verlieren

Zusammen mit Experten und Vertretern der Zivilgesellschaft arbeitet Orellana nun an dem Entwurf einer Verfassungsreform, die den im Grundrecht vorgesehenen Führungsanspruch der Streitkräfte streichen und eine politische Kultur herbeiführen soll, die das Verhältnis zwischen Zivilgesellschaft und Sicherheitsapparat grundlegend verändert.

Die Abgeordneten der Opposition warten bereits auf das Projekt des Honduranischen Dokumentationszentrums (CEDOH), das auch mit dem Mythos von der Unangreifbarkeit des Militärs Schluss machen will. "Es gilt zu verhindern, dass den Militärs unter dem Vorwand der Drogenbekämpfung noch mehr Sicherheitsbefugnisse übertragen werden", meinte der sozialdemokratische Abgeordnete Mario Vásquez.

Víctor Meza, der Leiter der lokalen Denkfabrik CEDOH war der Putsch vom 28. Juni 2009 ein institutioneller "Kollaps", aus denen Lehren gezogen werden müssten. Es gelte ein demokratischeres Modell zu entwickeln, was die politische Stellung der Streitkräfte angehe. Meza zufolge sind die Reformvorschläge Ergebnis eines in den letzten vier Monaten mit unterschiedlichen Akteuren geführten Dialogs.

Nach Ansicht der Soziologin Leticia Salomón, einer Expertin für Sicherheitsfragen, besteht die größte Herausforderung darin, das Land zu demilitarisieren. "Die Zivilbevölkerung, die Verteidigungsfragen lange ignoriert hat, erkennt inzwischen die Notwendigkeit, auf die Risiken hinzuweisen, die mit einer Ausweitung der Befugnisse der Militärs einhergehen", sagte sie.


Rückgabe alter Pfründe

Salomón zufolge beinhalten die Projektvorschläge eine Rückgabe von Unternehmen und Institutionen wie die Einwanderungsbehörde, Handelsmarine, den sozialen Wohnungsbau und zivile Anti-Korruptions-Organe, die sich derzeit in der Hand pensionierter Offiziere mit besten Verbindungen zum Militär befinden. Diese Personen seien direkt in den Putsch verwickelt gewesen. So habe General a. D. Romeo Vásquez, der das staatliche Telekommunikationsunternehmen 'Hondutel' leitet, den Befehl gegeben, den damaligen Präsidenten Zelaya mitten in der Nacht aus seinem Haus zu holen und in den Flieger nach Costa Rica zu setzen.

Den Reformvorschlägen zufolge sollen die Militärs auch um ihren bisherigen Verfassungsanspruch gebracht werden, als Garanten des politischen Übergangs und freier Wahlen in Erscheinung zu treten. Militärs sind in Honduras für den Transport und die Bewachung der Wahlurnen zuständig.

CEDOH zufolge hat der "Rückfall in finstere Zeiten" sogar die von den Streitkräften selbst in den 1970er Jahren unternommenen Reformversuche zurückgeworfen. Damals hatte sich das Militär als progressiver und entwicklungsorientierter Befürworter von Veränderungen der Landbesitzverhältnisse inmitten eines Klimas von Toleranz und Respekts hervorgetan. Und in den 1990er Jahren akzeptierte es sogar den Demilitarisierungsprozess des damaligen Präsidenten Carlos Roberto Reina (1994-1998). Doch all dies sei mit einem Handstreich hinweggefegt worden, sagte Meza. "Ob die Militärs nun in die Kasernen zurückkehren werden, hängt ganz vom Druck der Bürger und deren Vorschlägen ab." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.cedoh.org/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=99270

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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Oktober 2011