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LATEINAMERIKA/1214: Haiti - Wahlbetrug abgenickt, Vorwürfe gegen OAS (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 13. Januar 2011

Haiti: Wahlbetrug abgenickt - Vorwürfe gegen OAS

Von Andrea Lunt


New York, 13. Juni (IPS) - Das 'Center for Economic and Policy Research' (CEPR) in Washington hat in einer neuen Analyse über die Unregelmäßigkeiten bei den letzten Wahlen in Haiti schwere Vorwürfe gegen die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) erhoben. Die Schlussfolgerungen der OAS nach der Neuauszählung der Stimmen basierten auf gravierenden Fehlern und seien angesichts der Illegitimität des Wahlergebnisses nicht vertretbar, betonte die angesehene Denkfabrik.

Die OAS kommt in ihrem Wahlüberprüfungsbericht zu dem Schluss, dass Neuwahlen in dem karibischen Armuts- und Unruhestaat nicht erforderlich sind. Stattdessen empfiehlt sie den Rückzug des Regierungskandidaten Jude Célestin zugunsten des populären haitianischen Musikers Michel Martelly, der im ersten Wahldurchgang ausgeschieden war und nach OAS-Vorstellungen nun gegen die ehemalige First Lady Milande Manigat antreten soll.

Doch nach Ansicht von CEPR-Kodirektor Mark Weisbrot sind Neuwahlen ein absolutes Muss, da drei Viertel der Stimmberechtigten nicht an den Wahlen teilnahmen und die Auszählung der wenigen verbliebenen Stimmen fehlerhaft verlief. Eine derart niedrige Wahlbeteiligung sei bislang einzigartig in der westlichen Hemisphäre, so der Experte.

Eine in der Industriestadt Delmas 'entsorgte' Wahlurne - Bild: © Wadner Pierre/IPS

Eine in der Industriestadt Delmas 'entsorgte' Wahlurne
Bild: © Wadner Pierre/IPS

Der CEPR-Analyse zufolge 'verschwanden' in mindestens zwölf Wahllokalen Kontrollzettel oder wurden nicht berücksichtigt. Darüber hinaus ist ein Stimmenvorteil von 0,3 Prozent, den die OAS Martelly bescheinigt, statistisch gesehen viel zu klein, um einen Wahlsieg zu beanspruchen.


Parteilichkeitsvorwurf

Die OAS-Untersuchungsresultate geißelten die Politexperten zudem als politisches Zugeständnis an die US-amerikanische Rechte. "Im Fall von Haiti ist den USA an einem bestimmten Wahlausgang gelegen", betonte Weisbrot. "Sie wollen keinen wie (den derzeitigen Präsidenten René) Préval oder jemanden, der ihm nahesteht. Deshalb wollen sie auch keinen Célestin bei der Stichwahl sehen. Das könnte die OAS-Entscheidung beeinflusst haben."

"Es ist nicht sehr schwer, eine glaubwürdige Wahl in Haiti auf die Beine zu stellen", versicherte Weisbrot. "Es ist nur so, dass den Behörden und der internationalem Gemeinschaft an demokratischen Verhältnissen dort nicht gelegen ist. Ihnen geht es im Grunde um das Gegenteil: Sie wollen bestimmen, wer an die Regierung kommt."

Viele Haitianer hatten die Novemberwahlen boykottiert, nachdem die lokale Wahlkommission der größten politischen Partei des Landes, der 'Fanmi Lavalas', die Teilnahme an dem Urnengang untersagt hatte. Der Kommission gehören Günstlinge der Regierung an.


Stichwahl keine Lösung

Wie Brian Concannon, Direktor des haitianischen 'Institute for Justice and Democracy', gegenüber IPS erklärte, wird Haiti erst dann ein politisch stabiles Land werden, wenn alle Parteien zugelassen werden, aus denen die Haitianer dann ihren Wunschkandidaten wählen dürfen. Concannon zeigte zwar Verständnis für die Schwierigkeiten, mit denen die OAS bei der Neuauszählung der Stimmen zu kämpfen hatte. Doch eine Stichwahl, egal sie wie ausgehe, sei keine Lösung, warnte er.

"Die OAS versucht, die Stühle an Deck der Titanic umzustellen", so der Experte. "Was immer sich USA oder OAS auch vorstellen mögen, die Wahrheit ist, dass die Haitianer den Ausgang einer Stichwahl, die ohnehin keine fähige Regierung hervorbringen werde, nicht akzeptieren." (Ende/IPS/kb/2011)


Links:
http://www.cepr.net/index.php/publications/reports/haitis-fatally-flawed-election
http://ijdh.org/
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54105

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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2011