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LATEINAMERIKA/1155: US-Interventionalismus ade - Peru fordert regionale Anti-Drogen-Front (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. September 2010

LATEINAMERIKA:
US-Interventionalismus ade - Peru fordert regionale Anti-Drogen-Front

Von Angel Páez


Lima, 27. September (IPS) - Peru wird auf dem Anti-Drogen-Gipfel Anfang Oktober in Lima den lateinamerikanischen Regierungen eine gemeinsame Allianz gegen den Rauschgifthandel vorschlagen. Dabei soll nicht länger zwischen Hersteller-, Konsumenten- oder Transitländern unterschieden werden.

In Lima werden sich vom 4. bis 7. Oktober die Leiter der nationalen Dienste zur Verfolgung der Rauschgiftkriminalität (HONLEA) treffen. Dazu meint Rómulo Pizarro, der die Tagung als Vorsitzender der peruanischen Nationalen Kommission für Entwicklung und ein Leben ohne Drogen Organisation (DEVIDA) vorbereitet: "Während wir uns zusammensetzen, um zu diskutieren, wie wir dem Drogenhandel begegnen, verwandeln sich die kriminellen Organisationen mit einer beeindruckenden Schnelligkeit und sind unseren neuen Strategien schon voraus."

Auf der bevorstehenden 20. HONLEA-Konferenz werde der Drogenhandel als globales Phänomen begriffen, das auch eine globale Antwort erfordere, so Pizarro. Die Unterscheidung zwischen Hersteller- und Konsumentenländern mache längst keinen Sinn mehr, da das organisierte Verbrechen auch keine Unterschiede kenne. Es sei falsch, bei der Formulierung einer Anti-Drogen-Politik allein auf die USA zu schauen, umso mehr, als Kokain inzwischen zum größten Teil nach Europa geliefert werde.


Militärische Lösung gescheitert

Experten von Nichtregierungsorganisationen (NGO) machen für das Scheitern der bisherigen Anstrengungen im Kampf gegen den Drogenhandel die repressive Politik verantwortlich, die die US-Regierung den lateinamerikanischen Ländern auferlegt habe. Ricardo Soberón, Chef des peruanischen Forschungszentrums für Drogen und Menschenrechte, sieht als letzten drastischen Beleg für diese Einschätzung die Militarisierung des Antidrogenkampfes in Mexiko.

Mit dem interventionistischen Ansatz sei Washington sowohl in Afghanistan als auch in Kolumbien gescheitert, so der Experte. Er schließt sich daher der Forderung nach einer Legalisierung des Drogenkonsums an, die in Lateinamerika zunehmend als einziger Ausweg erscheint. Ein Krieg, der sich grundsätzlich nicht militärisch gewinnen lasse, müsse eben auf wirtschaftlichem Weg beendet werden.

An dem HONLEA-Treffen werden neben den höchsten Vertretern der Anti-Drogen-Behörden aus 34 Ländern Lateinamerikas und der Karibik auch die Kollegen aus Nordamerika und anderen Teilen der Welt sowie UN-Experten teilnehmen.

Dem letzten Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) zufolge ist die Zahl der Kokain-Konsumenten von 2005 bis 2010 weltweit von 13,3 Millionen auf 17,2 Millionen gestiegen. Nur in den USA und in Kanada war ein Rückgang zu verzeichnen, der sich allerdings aus dem Umsteigen von Konsumenten auf andere Drogen erklärt.

Kokain aus Peru ging bis zu den 90er Jahren zu drei Vierteln in die USA, inzwischen ist Europa der größte Markt. Der DEVIDA-Vorsitzende Pizarro weist darauf hin, dass die USA im Antidrogenkampf nach wie vor ein sehr wichtiger Partner seien. Aus Europa sei ein größerer Beitrag als bislang wünschenswert.


Unabhängigkeit von Washington

Nach UNODC-Angaben entfallen von der Koka-Gesamtanbaufläche 43 Prozent auf Kolumbien, 38 Prozent auf Peru und 19 Prozent auf Bolivien. Die Militärhilfe der USA konzentriert sich auf Kolumbien. Perus Staatspräsident Alan García hat unlängst Interesse an der US-Hilfe im peruanischen Kampf gegen den Drogenhandel bekundet.

Ricardo Soberón hingegen ist der Meinung Lateinamerika solle eigene Prioritäten setzen und sich in dieser Frage nicht Washington oder Brüssel unterordnen. Perus Staatschef García steht daher ziemlich ++++ (unterordnen) allein in einem Umfeld, das nach regionalen Lösungen sucht. Der Trend geht hin zu mehr Unabhängigkeit von den USA.

Lateinamerika diskutiert über Alternativen, auch in Form regionaler Allianzen. Soberón spricht Klartext: "Uns geht es vor allem um die 60.000 Kokabauern und ihre Familien. Diktate aus Washington sind da unerwünscht." (Ende/IPS/bs/2010)


Links:
http://www.devida.gob.pe
http://www.un.org/spanish/Depts/dpi/boletin/drogas
http://www.ciddh.com/es/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=96494

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2010