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ASIEN/859: Sri Lanka - Riskante Überfahrten, Bootsflüchtlinge stoßen in Australien auf Widerstand (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2013

Sri Lanka: Riskante Überfahrten - Bootsflüchtlinge stoßen in Australien auf harten Widerstand

von Amantha Perera


Bild: © Amantha Perera/IPS

Srilankischer Militäroffizier hält Ausschau nach Bootsflüchtlingen
Bild: © Amantha Perera/IPS

Colombo, 26. September (IPS) - Für Ananda war es ein einfaches Rechenexempel. Da er mit seinen Einkünften als Taxifahrer in Sri Lanka nie über die Runden kam, wagte er im vergangenen Jahr die riskante und teure Bootsüberfahrt in Richtung Australien. Wie viele seiner Landsleute kam er dort aber nicht an.

"Ich fuhr ein dreirädriges Taxi und verdiente in besseren Monaten 25.000 Rupien (umgerechnet etwa 180 US-Dollar)", erzählt der 28-Jährige, der eigentlich anders heißt. "Ich hatte irgendwann die Nase voll, von der Hand in den Mund zu leben." Er nahm die 300.000 Rupien, die seine Mutter angespart hatte, und machte sich mit etwa 50 weiteren Männern auf die 6.800 Kilometer lange Reise.

Gleich in der ersten Nacht stiegen sie etwa drei Kilometer von der srilankischen Küste entfernt von einem kleinen Boot auf einen Trawler um. Schon am nächsten Tag waren sie aber wieder in dem Land, das sie eigentlich verlassen wollten. "Jemand hat uns bei der Marine verpfiffen, die uns abfing", berichtet er.

Der Singhalese Ananda ist einer von mindestens 10.000 Srilankern, die sich 2012 auf den gefährlichen Weg nach Australien machten. Nach Angaben der Einwanderungsbehörde in Canberra gelangten 6.428 von ihnen in australische Gewässer.


Vor allem Tamilen schaffen es bis nach Australien

Die Behörden in Sri Lanka gaben an, im vergangenen Jahr mehr als 3.000 Menschen an den einmonatigen Überfahrten gehindert zu haben. Wie viele Flüchtlinge auf hoher See ertranken, ist nicht bekannt. Nur etwa 1.000 Angehörige der Bevölkerungsmehrheit der Singhalesen erreichten im letzten Jahr per Boot Australien.

Kanan ist ein junger Mann aus Kilinochchi, dem Wirtschaftszentrum der nördlichen Region Vanni, die mehr als drei Jahrzehnte lang Schauplatz eines blutigen Bürgerkriegs war. Seit Kriegsende im Mai 2009 erholt sich die Region allmählich von den Kämpfen. Kanan und anderen Altersgenossen geht es aber nicht schnell genug voran. "Hier gibt es keine Arbeit", klagt er. In der Region wird landesweit die höchste Zahl von Arbeitslosen verzeichnet. Die Regierung spricht von fünf bis acht Prozent, während unabhängige Analysten von mehr als dem dreifachen Wert ausgehen.

Ein Schleuser brachte Kanan im vergangenen August zur Ostküste des Inselstaates, wo er einen Platz in einem überfüllten Boot ergatterte. "Ich zahlte 100.000 Rupien an, den Rest der Summe sollte meine Familie nach meiner Ankunft in Australien begleichen", schildert er. Insgesamt sollte die Überfahrt rund eine Million Rupien (7.000 Dollar) kosten. Doch das Boot war nach sechs Tagen auf dem Meer defekt. Von der srilankischen Marine wurden die Männer wieder zurückgebracht.

Kanan ist inzwischen wieder in seinem Heimatdorf und hat immer noch keine Arbeit gefunden. Den Traum von einem besseren Leben anderswo hat er immer noch. Er sei in das klapprige, mit Hilfe eines manuellen GPS-Systems gesteuerte Boot gestiegen, weil er unbedingt sein Land verlassen wollte, sagt er. Das politische Klima der Nachkriegszeit behage ihm nicht. "Sicherheitskräfte und Polizei beobachten mich immer mit Misstrauen."

Die australische Regierung hat derweil die Gesetze verschärft, um Bootsflüchtlinge abzuschrecken. Seit Mitte dieses Jahres können selbst diejenigen, deren Flüchtlingsstatus anerkannt wird, keine australische Staatsbürgerschaft beantragen. Sie dürfen sich stattdessen auf den Pazifikinseln Nauru oder in Papua Neu-Guinea niederlassen.


Australiens Regierung greift hart durch

Die Regierung in Canberra versucht zudem mit einer massiven Informationskampagne mögliche Flüchtlinge von Bootsüberfahrten abzuhalten. Die Hardliner-Strategie zeigt bereits Wirkung. Während des vergangenen Jahres ist die Zahl der Boote, die die australischen Küsten erreichten, deutlich zurückgegangen. Bis Ende August 2013 kamen 1.957 Srilanker in Booten in Australien an, gut ein Drittel weniger als bis Ende August 2012.

Von der neuen konservativen Regierung in Canberra wird erwartet, dass sie die Maßnahmen gegen Flüchtlinge weiter verschärft. So ist es geplant, Boote wieder zurückzuschicken, eine Anerkennung von Asylanträgen zu erschweren und die Flüchtlingsaufnahmequoten zu reduzieren. Die Regierung argumentiert, dass die meisten illegalen Bootspassagiere allein aus wirtschaftlichen Gründen ihre Heimat verlassen.

Emily Howard von der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Law Centre' in Melbourne räumt zwar ein, dass ökonomische Faktoren in vielen Fällen eine große Rolle spielen. Oftmals spielten aber auch politische und sicherheitspolitische Probleme eine Rolle.

In ihrer Studie 'Sri Lankan Boat Migration to Australia, Motivations and Dilemmas' legt Howard dar, dass in 90 Prozent die Asylanträge srilankischer Bootsflüchtlinge berechtigt gewesen seien.

Muttukrishna Sarvananthan, Leiter des 'Point Pedro Institute of Development' in Jaffna im Norden Sri Lankas, sieht allerdings die finanzielle Misere als Hauptgrund für die Migrationswelle. Sarvananthan führte Ende 2010 eine Umfrage durch, an der vor allem ehemalige Bürgerkriegskämpfer, Jugendliche und alleinstehende Frauen beteiligt wurden. Mehr als 70 Prozent von ihnen erklärten, dass sie ihr Land verlassen wollten, um der großen Armut zu entgehen. (Ende/IPS/ck/2013)


Links:

http://www.epw.in/special-issues/sri-lankan-boat-migration-australia.html
http://www.ipsnews.net/2013/09/boats-of-hope-head-for-australian-rocks/

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 26. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. September 2013