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ASIEN/720: Burma - Ethnische Rohingya auf der Flucht, Unterdrückung im Arakan-Staat (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 14. Februar 2011

Burma: Ethnische Rohingya auf der Flucht - Unterdrückung im Arakan-Staat

Von Marwaan Macan-Markar


Bangkok, 14. Februar (IPS) - Es war Nacht, als das morsche Boot die Südküste Thailands erreichte. Zwei Wochen lang war es durch die Andamanensee geschaukelt - mit Dutzenden muslimischen Rohingya an Bord, die vor Gewalt und Unterdrückung aus dem westburmesischen Arakan-Staat geflohen waren.

Seit dem 22. Januar sind insgesamt drei solcher Schiffe angekommen, um insgesamt 211 Rohingya 'auszuspucken'. Sie gelten als die neuen Bootsflüchtlinge Südostasiens. Jetzt, wo sich das Meer nach den Monsunregen wieder beruhigt hat, erwarten Menschen- und Flüchtlingsorganisationen die Ankunft weiterer Flüchtlinge.

"Die beiden ersten Boote waren zwölf Tage auf See", berichtet Chris Lewa vom 'Arakan Project'. Die Organisation dokumentiert Menschenrechtsverletzungen gegen die Rohingya in Burma. Sie war darüber informiert worden, dass am 9. Januar ein Boot mit etwa 100 Menschen und am 10. oder 11. Januar ein weiteres mit etwa 70 Menschen anlegen würden."

Die Menschen, die es bis an den thailändischen Strand einschließlich der Insel Phuket geschafft haben, die mit ihren sauberen und großen Stränden jedes Jahr Millionen Touristen anzieht, gehören zu den Glücklichen. "Von den vier Booten, die vorher in See gestochen sind, haben wir nichts gehört, ebenso wenig von den zwei Booten, die am 14. und am 22. Januar losgefahren sind."


Leben in der Sackgasse

Die Ankunft der Rohingya wirft ein Schlaglicht auf die schwierige Lage, der sie im vorwiegend buddhistischen Burma, aber auch nach ihrer Flucht nach Thailand ausgesetzt sind. In Thailand harren sie dann in Haftzentren aus, weil sich die Regierung in Bangkok weigert, sie als Flüchtlinge anzuerkennen.

"Wer illegal in unser Land einwandert, wird nach dem thailändischen Einwanderungsgesetz behandelt", erläutert der Sprecher des thailändischen Außenministeriums, Thani Thongpakdi. "Die thailändischen Behörden haben Schiffsladungen voller Boat People ohne Papiere aufgegriffen, die nicht belegen können, dass sie in ein Drittland unterwegs sind."

Auf die Frage, ob das UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) mit den Häftlingen sprechen wird, antwortete Thani: "In Übereinstimmung mit dem regulären Verfahren erhält das UNHCR nach Abschluss der rechtlichen Schritte Zugang zu ihnen."

Das UNHCR muss mit den 211 Neuankömmlingen noch reden. Von den Gesprächen erhofft es sich zweierlei: "Zum einen wollen wir uns ein Bild von der Situation der Betroffenen machen, zum anderen herausfinden, ob jemand von ihnen internationalen Schutz bedarf, sie also als Flüchtlinge anerkannt werden sollten", so Andrej Mahecic, Sprecher des UNHRC in Genf, in einem Telefongespräch mit IPS.

UNHCR zufolge läuft die Zusammenarbeit mit den thailändischen Behörden inzwischen besser. Als 2009 78 Rohingya Asyl beantragen wollten, wurden UNHCR-Vertreter immerhin wenngleich selten zu ihnen vorgelassen. Das machte es für das Hilfswerk nahezu unmöglich, den Status der Betroffenen zu klären. Die meisten von ihnen sitzen bis heute in thailändischen Haftzentren ein. Noch schlechter wurden sie im Dezember 2008 behandelt. Damals schickten die Behörden rund 1.000 Rohingya zurück. Die meisten wurden in der Mitte des Meeres - ohne Motor oder Proviant - ausgesetzt.

Dabei hatte Thailand nach dem Vietnamkrieg in den 1970er Hunderttausende von Flüchtlingen aufgenommen, die vor dem Konflikt in Indochina das Weite suchten. Obwohl Bangkok das Internationale Flüchtlingsabkommen nicht unterzeichnet hatte, durften die Vietnamesen bleiben.

"Das Problem ergibt sich aus der Weigerung Thailands, Rohingya als Flüchtlinge anzuerkennen", meint Anoop Sukumaran vom Asiatisch-Pazifischen Netzwerk für Flüchtlingsrechte, ein Zusammenschluss von 120 zivilgesellschaftlichen Organisationen aus der Region. "Die Rohingya werden als Wirtschaftsflüchtlinge und als Sicherheitsgefahr betrachtet. Dabei sind sie eine bedrohte Volksgruppe, die in das Profil von Flüchtlingen ebenso hineinpassen wie in das Raster staatenloser Menschen."

In Burma gibt es fast 135 ethnische Gemeinschaften. Doch nur wenige werden von den Regierungstruppen derart gnadenlos drangsaliert wie die Rohingya im Bundesstaat Arakan. Das Militärregime sprach ihnen das Recht auf die burmesische Staatsbürgerschaft ab, hat ihre Bewegungsfreiheit zwischen den Dörfern eingeschränkt und sie als Zwangsarbeiter missbraucht. 1991 nahm die Unterdrückung ein solches Ausmaß an, dass die Menschen in Massen flohen. Rund 250.000 Rohingya flohen ins benachbarte Bangladesch.


1,5 Millionen Rohingya im Exil

Derzeit leben rund 1,5 Millionen Angehörige der Volksgruppe im Exil in Ländern wie Saudi-Arabien, Pakistan, Indien, Bangladesh, Malaysia und Thailand. Zu den häufig genutzten Flüchtlingswegen gehört die Andamanensee. Zwischen Oktober 2006 und März 2008 machten sich 8.000 Angehörige der Ethnie in Booten von der Küste Bangladeschs nach Thailand und Malaysia auf.

"Die Rohingya haben immer noch allen Grund, aus Burma zu fliehen und um Asyl zu bitten", meint dazu Nurul Islam, Vorsitzender der Nationalen Organisation der Rohingya aus Arakan mit Sitz in London. "Ihre Situation wird durch Menschenrechtsverletzungen und Übergriffe der Grenzpolizei immer schlechter."

Wie Islam weiter betont, sind die Bildungs-, Handels- und Geschäftseinschränkungen bis heute nicht aufgehoben. Willkürliche Festnahmen, Folter und Ausbeutung seien an der Tagesordnung. "Es gibt keine Religionsfreiheit", so Islam. Reparaturen an ihren Moscheen dürften sie nur im Einverständnis mit den Behörden vornehmen. (Ende/IPS/kb/2011)


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http://ipsnews.net/news.asp?idnews=54440

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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Februar 2011