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ASIEN/686: China - Ausplündern ist nicht, Monopol auf Seltene Erden soll sich lohnen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 15. November 2010

China: Ausplündern ist nicht - Monopol auf Seltene Erden soll sich lohnen

Von Antoaneta Becker


London, 15. November (IPS) - In den Augen des Westens errichtet China gerade neue Handelsschranken. Peking hingegen fühlt sich an die Zeiten erinnert, als das Reich der Mitte vom Westen ausgeplündert und nach den Opiumkriegen des 19. Jahrhunderts zu Maßnahmen gezwungen wurde, die den Zusammenbruch des chinesischen Imperiums einleiten sollten.

Der internationale Aufruhr, den Chinas Ankündigung hervorgerufen hat, den Export der Metalle der seltenen Erden zu drosseln, lässt das Reich der Mitte in einem konträren Licht erscheinen: als aggressive neue Weltmacht und als Opfer internationaler Tyrannei.

Just in einer Zeit, in der die Nachfrage nach den silbrig glänzenden Metallen wächst, die wegen ihrer besonderen elektrischen, magnetischen und mechanischen Eigenschaften aus der Elektronikindustrie gar nicht mehr wegzudenken sind, hat die Volksrepublik angekündigt, ihre Ausfuhren zurückzufahren.

China hält ein Monopol auf die Seltenen Erden, die zwar gar nicht so selten sind, sich in anderen Ländern aufgrund der dort höheren Löhne und strengeren Umweltauflagen längst nicht so preiswert produzieren ließen wie in dem ostasiatischen Wirtschaftswunderland.


Ein Drittel aller Seltenen Erden in China

China wehrt sich gegen die Kritik des Westens mit dem Argument, es müsse seine seit 20 Jahren für andere Staaten rücksichtslos ausgebeuteten Reserven schonen. Immerhin habe die Volksrepublik die internationale Nachfrage zu mehr als 90 Prozent gedeckt, ohne für diese Leistung angemessen bezahlt worden zu sein. Das bevölkerungsreichste Land der Welt besitzt ein Drittel aller weltweiten Vorräte.

"China ist reich an den Seltenen Metallen, so wie der Nahe Osten reich an Erdöl und Australien reich an Eisenerz ist", hieß es unlängst in einem Leitartikel Ende Oktober in der Zeitung '21st Century Economic Herald'. Doch habe es anders als andere nicht im gleichen Maße profitiert.

Peking zufolge hat eine fehlende industrielle Übersicht die rigorose Ausbeutung der Reserven, den Schmuggel und die Unterbewertung der seltenen Erden begünstigt. Chinesische Medien berichten, dass 2009 rund 20.000 Tonnen der Metalle aus China herausgeschmuggelt wurden. Das entspricht einem Drittel der Ausfuhren des vergangenen Jahres.

Chinesische Unternehmen sind über den Druck des Westens, eine Aufweichung der Exportkontrollen zu erreichen, erbost. Gerade jetzt sei man dabei, sein eigenes Haus in Ordnung zu bringen, lautet ihre Kritik. So arbeite man seit 2004 an Plänen, die Industrie zu standardisieren.

Die Volksrepublik hat Richtlinien erlassen, die jährliche Exporteinschränkungen von zehn Prozent ab 2006 verlangen. "Chinas Seltene Metalle sind in der misslichen Situation, dass es die großen Mächte der Welt auf sie abgesehen haben", heißt es in einem weiteren Leitartikel der 'International Business Daily', dem Sprachrohr des chinesischen Handelsministeriums.

Chinas Medien gehen, was den 'Krieg um die Rohstoffe' angeht, in die Offensive. Die Regierung müsse sich dem westlichen Druck widersetzen und den Forderungen, nach einer Lockerung der Exportkontrollen entschieden entgegentreten, fordern sie.


Spekulationen über politische Motive

Doch der Rückgang der Exporte der Seltenen Erden von 40 Prozent gegenüber dem Vorjahr lässt Zweifel an der Aufrichtigkeit der chinesischen Erklärung aufkommen. Dass gerade die Lieferungen nach Japan unterbrochen wurden, das fast vollständig auf diese Importe angewiesen ist, wird von den Kritikern Pekings als Demonstration chinesischer Macht interpretiert, um Nippon im bilateralen Territorialstreit auf Kurs zu bringen.

Auch ein wirtschaftlicher Nationalismus ist aus den jüngsten Mitteilungen chinesischer Handelsvertreter heraushören. Die Regierung sollte den chinesischen Vorsprung, was die Ressourcen und die Produktion der Seltenen Metalle angehe, nutzen, um Chinas Preisvorstellungen auf dem globalen Rohstoffmarkt durchzusetzen, wurde unlängst ein hochrangiger Beamter im Handelsministeriums, Mei Xinyu, zitiert. Er gilt als Chinas Guru der internationalen Handelsbeziehungen.

Auf die Bedeutung der Seltenen Metalle hatte bereits Deng Xiaoping, der Architekt der chinesischen Wirtschaftsreformpolitik, hingewiesen. "Der Nahe Osten hat Öl, China hat die Seltenen Metalle", sagte er bereits 1992 bei einem Besuch mehrerer chinesischer Exportzonen.

Die insgesamt 17 Metalle kommen in unterschiedlichen Bereichen zur Anwendung: in I-Pods ebenso wie in Turbinen oder Elektroautos. Samarium zum Beispiel wird auch in Raketenlenksystemen verwendet.

China selbst fehlt die notwendige Technologie, um diese High-End-Produkte herzustellen. Die Pekinger Pläne, die Exporte zu drosseln, haben deshalb Spekulationen Nahrung gegeben, dass es China darum gehen könnte, ausländische Unternehmen dazu zu bringen, ihre raffinierten Elektronikartikel im Reich der Mitte produzieren zu lassen. Immerhin strebt der für die nächsten fünf Jahre festgezurrte Wirtschaftsplan Fortschritte in der Produktionskette an.

Peking hat wiederholt bestritten, die Rohstoffe als Druckmittel gegen andere wirtschaftlich rivalisierende Länder zu verwenden. US-Außenministerin Hillary Clinton erklärte unlängst, dass sie von ihrem chinesischen Amtskollegen Yang Jiechi die Zusage erhalten habe, dass es China keineswegs darum gehe, die Seltenen Erden vom Weltmarkt fernzuhalten. (Ende/IPS/kb/2010)


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 15. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 17. November 2010