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ASIEN/658: Thailand - Furchtloser Einsatz, Frauen fordern Freilassung gefangener Moslem-Rebellen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 27. September 2010

THAILAND: Furchtloser Einsatz - Frauen fordern Freilassung gefangener Moslem-Rebellen

Von Marwaan Macan-Markar


Songkhla, Thailand, 27. September (IPS) - Als ihr Mann als Mitglied einer Rebellenbewegung im unruhigen Süden Thailands ins Gefängnis kam, begann Pattama Heemmimas Kampf für Gerechtigkeit. Gemeinsam mit anderen muslimischen Malaiinnen suchte sie Polizeiwachen, Militärlager und Gerichte auf, um die Freilassung der inhaftierten Männer zu erreichen.

Heemmima stand zunächst völlig allein da. Keine Bürgerorganisation konnte ihr dabei helfen, ihren Mann wieder freizubekommen. Dem im Mai 2008 verhafteten Nawawee Daohumso wurde vorgeworfen, am Tod eines Zivilisten beteiligt gewesen zu sein. Als er schließlich im März dieses Jahres vor Gericht freigesprochen wurde, hatte seine 34-jährige Frau schon Mitstreiterinnen für ihre Sache gefunden.

Mit ihrer älteren Schwester Anchana Semmima gründete sie Mitte vergangenen Jahres die Organisation 'Hearty Support Group', die in der südthailändischen Provinz Songkhla Frauen dabei hilft, die Freilassung ihrer gefangenen Väter, Ehemänner und Brüder voranzutreiben.

"Die Frauen waren verzweifelt, nachdem ihre Männer und Söhne von Polizei und Militär verhaftet wurden", berichtete Pattama. "Nach der Festnahme meines Mannes hatte ich so viele Erfahrungen gesammelt, die ich nun mit den anderen teilen wollte." Inzwischen kümmert sie sich um rund 50 Familien und ist meist den gesamten Tag lang damit beschäftigt, rechtlichen Rat einzuholen oder mit der Polizei zu sprechen.

Derzeit sitzen etwa 450 Malaien in Gefängnissen im Süden des südostasiatischen Landes ein. Neben der 'Hearty Support Group' gibt es noch andere Vereinigungen, die die politische Landschaft in den Unruheprovinzen Songkhla, Pattani, Yala und Narathiwat nahe der Grenze zu Malaysia langsam aber sicher verändern.


Jahrelanger Konflikt zwischen Militär und Rebellen

In den Provinzen, die bis 1902 zum malaiisch-muslimischen Königreich Pattani gehörten, dann aber von Siam, dem damaligen Thailand, annektiert wurden, sind Guerillabewegungen aktiv, die für die Abspaltung der Region von Thailand kämpfen. Während der vergangenen sechseinhalb Jahre starben über 4.300 Menschen bei gewaltsamen Auseinandersetzungen, weitere 11.000 wurden dabei verletzt.

"Die Bürgergruppen reagieren unmittelbar auf den Konflikt", sagte Angkhana Neelapaijit, die eine Studie über muslimische Frauen im Süden Thailands verfasst hat. Die Aktivisten, die sich um Rechtsangelegenheiten kümmerten, seien größtenteils weiblich, meinte Angkhana, deren Mann im März 2004 von der Polizei verschleppt worden war. "Die Männer haben oft Angst, Klartext zu reden und sich in Konflikt mit den Behörden zu begeben."

Aus den Reihen der konservativen malaiisch-muslimischen Gemeinschaft kommt jedoch auch heftiger Widerstand gegen das Engagement der Frauen. In diesen Kreisen wird erwartet, dass sie eine untergeordnete Rolle spielen und sich vor allem um den Haushalt kümmern. Bislang hatten die Malaiinnen keine Chance, gesellschaftliche und politische Führungspositionen einzunehmen. "Religiöse Fundamentalisten versuchen, diese Frauen zu diskreditieren", erklärte Angkhana.

Erstmals traten die Aktivistinnen 2004 in Erscheinung, als nach einem Rebellenüberfall auf eine Kaserne des Militärs eine Welle der Gewalt ausbrach. Im Oktober des gleichen Jahres erstickten 78 muslimische Männer, die stundenlang in Armeelaster gepfercht worden waren.


Männer halten sich aus Furcht zurück

Die Witwen, die fast alle aus dem Dorf Tak Bai in Narathiwat kamen, schlossen sich daraufhin mit Unterstützung von Menschenrechtlern aus Bangkok zu einem Hilfsnetzwerk zusammen. "Die Männer - und selbst der Imam - halten sich aus Angst vor der Armee im Hintergrund", berichtete eine Dorfbewohnerin, die ungenannt bleiben wollte. "Wir wollen aber verhindern, dass unsere getöteten Männer und Väter in Vergessenheit geraten."

In einer in diesem Jahr ausgestrahlten Radiosendung sprachen Mitglieder der Nichtregierungsorganisation 'Friends of the Victimised Family' mit den Frauen über die Auswirkungen der Unruhen auf ihren Alltag. Die Vereinigung 'We Peace' aus Yala führt Seminare durch, in denen Frauen Inhaftierter über ihre Sorgen berichten können. Ein Armeeoffizier, der an mehreren Veranstaltungen teilnahm, würdigte den Mut und die Entschlossenheit der zivilgesellschaftlichen Gruppen. "Die Frauen verschaffen sich mehr Gehör als die Männer", sagte er anerkennend. (Ende/IPS/ck/2010)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 29. September 2010