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ASIEN/604: Sri Lanka - Zur politischen Lage und der Minderheitenfrage (Mütter gegen den Krieg)


Mütter gegen den Krieg e.V. in Berlin - Brandenburg

Zur politischen Lage, vor allem der Minderheitenfrage, in Sri-Lanka

Von Rudolf Palmer und Brigitte Queck, Februar 2010


Die Vereinigung "Mütter gegen den Krieg Berlin-Brandenburg" hat im Februar 2010 eine Veranstaltung zum Thema "Politische Lage in Sri-Lanka" durchgeführt, wobei vor allem die Minderheitenproblematik der Tamilen im Vordergrund stand. Die Diskussion hat ergeben, dass man es sich bei der Einschätzung der politischen Lage gewisser Länder oft zu einfach macht. Das haben z. B. auch die Ereignisse im Kosovo Ende der 90iger Jahre gezeigt, bei denen es schließlich auch um die Minderheitenfrage ging und wo die wirklichen Fakten und welche Kräfte und Staaten dort hintergründig eine Rolle gespielt haben, erst viel später ans Tageslicht kamen. (siehe Dorin: "Sebreniza", Kai Homelius Verlag).


Folgende verallgemeinerten Schlussfolgerungen haben wir nach dem Vortrag des tamilischen Vertreters und den Diskutierenden gezogen:

1. die Minderheitenproblematik wird von den USA und ihren Helfern und Helfershelfern in den Ländern, die reich an Bodenschätzen sind und eine militärstrategische Bedeutung haben, ausgenutzt, um sich diese Staaten in neokolonialistischer Manier vollends zu unterwerfen, so auch Sri-Lanka.

2. Die NATO-Staaten, allen voran die USA, nutzen Bürgerkriegs-ähnliche Zustände in diesen Ländern, die sie in geschickter Weise durch ihre Geheimdienste selbst inszeniert haben, aus, um dann als "Menschenrechtskämpfer für Demokratie und Freiheit", natürlich nur zum Nutzen und Frommen der westlichen Welt verstanden, militärisch eingreifen zu können , um sie dann schließlich vollends unter "ihre Obhut zu nehmen". Im Falle Sri-Lankas haben sie es nicht nur auf die reichen Bodenschätze Sri-Lankas wie Titanerze, die zu den umfangreichsten der Welt gehören, Öl , bzw. Ilmenit, das ein begehrliches Mineral für die Computerindustrie ist, u.a. abgesehen, sondern auch auf die Kontrolle des Indischen Ozeans, über den viele Handesrouten, vor allem die Öltransportlinen laufen.

3. Die Tsunami-Katastrophe in Südostasien ereignete sich just zu dem Zeitpunkt, als die Verhandlungen zwischen der Regierung Sri-Lankas und den LTTE-Tamilen vor einem erfolgreichen Abschluss standen.

4. Die darauf folgende Hungerkatastrophe, wurde von den USA und der EU ausgenutzt, um die Spannungen in Sri-Lanka zusätzlich anzuheizen. So hatten beide, sowohl die USA als auch die EU ausdrücklich verfügt, dass den LTTE-Tamilen, die seiner Zeit von ihnen noch als "Terroristen" eingestuft wurden, nicht die Hilfslieferungen der westlichen Welt zugute kommen sollten.
Da die Tamilen diesen Hintergrund nicht kannten und somit alle Schuld auf ihre Regierung schoben, verhärteten sich wieder die Positionen zwischen ihnen und der Regierung von Sri-Lanka.

5. Mit der Zerschlagung der militärischen Seperatistenbewegung LTTE-Tiger haben vor allem die USA eine Niederlage hinnehmen müssen.
War es doch deren Ziel gewesen, in Asien noch weitere militärische Stützpunkte zu errichten und China und Russland in den Zangengriff zu nehmen.
So hatte die Synday Times "Pläne für eine amerikanisch geführte Militärmission in der Kriegszone im Norden Sri-Lankas aufgedeckt" (siehe: World Socialist Website vom 5. März 2009) Lunstead als ehemaliger US-Botschafter in Sri-Lanka hatte dem Außenpolitischen Ausschuss des US-Senats empfohlen, dass "eine beträchtliche amerikanische Truppenpräsenz im Norden der Insel ein starkes politisches Druckmittel wäre, um die Weichen nach dem Krieg in Colombo im Sinne von Washingtons strategischen Interessen zu beeinflussen" (siehe ebenda).

6. Die weltpolitische Lage indes hat sich seit 1999, dem Überfall Jugoslawiens durch die NATO, geändert. Nicht mehr Jelzin, der neben Gorbatschow den Ausverkauf der Sowjetunion verschuldet hat, steht an der Spitze Russlands, das nun zusammen mit China nicht nur in der UNO, sondern auch "vor ihrer Haustür" für mehr Stabilität in den internationalen Beziehungen sorgen will.

7. Doch diese militärische und politische Niederlage in Asien will man seitens der USA und der Westmächte nicht hinnehmen. Sie versuchen nunmehr auf juristischem Wege durch eine plötzliche einseitige Schuldzuweisung am Krieg an die sri-lankische Regierung, diese in den Augen der Weltöffentlichkeit diskreditieren, was augenscheinlich zu einer gewollten Wiedereinführung kapitalistischer Zustände dort führen soll. Das plötzliche "Vorführen" der sozialistischen Regierung von Sri-Lanka seitens der USA und der Westmächte erinnert sehr an ihr damaliges Vorgehen gegenüber Jugoslawien. Nachdem die UCK von ihnen vor 1999 erst als Terroristenbewegung eingestuft worden war, ist diese dann plötzlich als "Befreiungsbewegung" und Verbündeter der NATO wie Phönix aus der Asche wieder auferstanden.

8. Wie vor kurzem über die Zeitschrift German Foreign Policy und unter: www.amnesty-sri-lanka.de bekannt geworden ist, versuchen sowohl die USA, als auch die EU, die Kriegsverbrechen Sri-Lankas vor den Internationalen Gerichtshof zu bringen und Sri-Lanka wegen Kriegsverbrechen anzuklagen, die die Westmächte durch ihre Geheimpolitik und militärische Unterstützung der LTTE-Tigers selbst verschuldet haben. Wenn man dann noch weiß, dass in allen Verfassungen der Staaten der Welt militärische Sezessions (Abspaltungs)-Bewegungen unter hohe Strafe gestellt ist, wird erst das ganze Ausmaß der Heuchelei der USA und der ihr zum großen Teil unterwürfig folgenden Westmächte sichtbar.

9. Bei diesem "Mächtegerangel" sollen die LTTE-Tigers aus dem Ausland, sollten sie sich blauäugig wie weiland die Kosovo-Albaner missbrauchen lassen," mitspielen". Doch auch die Tamilen würden, sollten sie mit Hilfe der Westmächte Erfolg in ihrem Ringen um einen selbständigen Staat haben, sehr bald merken, dass die Unterstützung ihres Kampfes um Unabhängigkeit seitens der Westmächte "ihren Preis" hat. Die dann folgende westliche"Beraterfunktion" in ihrem Lande, bereits erfolgreich im Kosovo praktiziert, würde den erneuten Verlust ihrer Selbständigkeit und die Ausbeutung der Bodenschätze von ausländischen Mächten nach sich ziehen, ohne dass die eigene Bevölkerung daraus einen Nutzen zieht (siehe Kosovo heute nach der Erklärung ihrer Souveränität).
Diese bittere Erfahrung haben die kosovarischen Albaner den Tamilen voraus. Nach der Erlangung ihrer Unabhängigkeit ist dort tiefe Ernüchterung und Enttäuschung eingekehrt, da alle eingestehen, dass sie im einigen sozialistischen Jugoslawien besser gelebt haben.

10. In den ehemaligen Ländern des sozialistischen Weltsystems hatten die Minderheiten die gleichen Rechte wie die übrige Bevölkerung des jeweiligen Staates. Demzufolge wäre damals keiner auf den Gedanken gekommen, sich vom jeweiligen Mutterland abzuspalten.
Erst mit der Auflösung des sozialistischen Weltsystems wurde die Minderheitenproblematik, die schon Hitler erfolgreich nach der Methode "Teile und herrsche" benutzt hat, von den führenden Westmächten wieder aufgegriffen, um durch ideologische Beeinflussung von außen die ehemals sozialistischen Länder aufzuspalten, den früheren Zusammenhalt der Bevölkerung dieser Länder zu zerstören, um dann schließlich diese Länder neu zu kolonialisieren.

11. Wie früher Jugoslawien, war auch Sri-Lanka ein führendes Land der Blockfreien, die in allen Weltorganisationen, wie z. B. in der UNO, Kraft ihrer ausgleichenden Wirkung immer ein vermittelndes Wort mitzureden hatten und gern gehört wurden.
Nachdem z.B. Jugoslawien durch die Sezessionsbewegung von innen mit äußerer, auch militärischer, Unterstützung der UCK durch die USA und die Westmächte aufgespalten wurde, droht es nunmehr ein billiges Opfer der EU und NATO zu werden.

12. Das die USA und die Westmächte ihr Ziel, Sri-Lanka aus machtpolitischen Gründen fest in den Augen behalten, sollten wir sehr aufmerksam die Entwicklung in diesem Raum verfolgen.


Schon Berthold Brecht warnte in seinem Stück "Macki Messer": "Und der Haifisch, der hat Zähne und die trägt er im Gesicht, doch Macki, der hat ein Messer und das Messer sieht man nicht!" Darum kann die Strategie und Taktik zur Durchleuchtung dieser und anderer kapitalistischer Lügengespinste, die letzten Endes gegen uns alle gerichtet sind, weil sie immer auch den Keim von neuen Kriegen in sich tragen, nur die gegenseitige Information und Aufklärung sein.


Rudolf Palmer, Studienrat
Brigitte Queck, Diplomstaatswissenschaftlerin Außenpolitik


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Quelle:
Mütter gegen den Krieg e.V. in Berlin - Brandenburg, Februar 2010
© 2010 Rudolf Palmer und Brigitte Queck
Mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Februar 2010