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AFRIKA/936: Namibia - Touristen und Uranmultis zieht es nach Erongo, Regierung setzt auf Atomstrom (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. Januar 2011

Namibia: Touristen und Uranmultis zieht es nach Erongo, Regierung setzt auf Atomstrom

Von Brigitte Weidlich


Windhuk, 5. Januar (IPS) - Namibia, weltweit viertgrößter Uranförderer, will seine Vorkommen des begehrten Rohstoffs nicht nur als Exportgut und Devisenbringer nutzen. Mit dem Aufbau einer eigenen Nuklearwirtschaft will die Regierung in Windhuk Wirtschaft und Strukturentwicklung des energiearmen Landes im südlichen Afrika deutlich voranbringen. Analysten und Umweltexperten verweisen darauf, dass die für den Uranabbau ausgewiesenen Gebiete teilweise in einem Nationalpark liegen oder als touristische Attraktionen gelten.

Bergbauminister Isak Katali stellte kürzlich die Regierungspläne für eine nationale, gesetzlich verankerte Atompolitik vor. Derzeit betätigen sich Experten der finnischen Atom- und Strahlungsbehörde als Entwicklungshelfer und unterstützen das Bergbauministerium in Windhuk beim Entwurf seiner Atompolitik. Bis Mitte 2011 sollen das Konzept und die erforderlichen Gesetzesentwürfe stehen.

"Die Regierung ist entschlossen, den nationalen Energiemix durch Atomstrom zu erweitern, um die für die Entwicklung unseres Landes erforderliche Energieversorgung sicherzustellen", betonte Katali. Das Konzept umfasst den gesamten Kreislauf atomarer Energieversorgung, von der Beteiligung an der Förderung und Weiterverarbeitung des Urans, der Entwicklung des einheimischen technischen Know-hows bis zur Zusage, die Atomkraft ausschließlich friedlich zu nutzen.

Vorgesehen sind auch die Einrichtung eines Fonds, der die Entsorgung des anfallenden Atommülls finanziert sowie die wirtschaftliche Einbindung der armen schwarzen Landbevölkerung. Über 30 Prozent der 2,1 Millionen Namibier leben unter der Armutsgrenze. Die Einkommensunterschiede zwischen Reichen und Armen sind in dem dünn besiedelten Land beispiellos.

In Namibia werden jährlich rund 5.000 Tonnen Uran gefördert. Das Land deckt fast zehn Prozent der weltweiten Nachfrage. "Es ist kein Geheimnis, dass wir unsere großen Uranvorkommen im eigenen Land entwickeln wollen, denn der Energiebedarf steigt ständig", erklärte Joseph Ita, ständiger Sekretär des Bergbauministeriums. "In Zusammenarbeit mit der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) werden wir einen stabilen Rahmen für eine sichere und effiziente Atompolitik erarbeiten", versicherte der Regierungsbeamte.

Namibia hat den Atomwaffensperrvertrag (NTP) und ergänzende Abkommen und Protokolle unterzeichnet und im Februar 2009 eine nationale Atomenergiebehörde etabliert. Vor der NTP-Nachfolgekonferenz 2009 in New York versicherte Namibias Außenminister Utoni Nujoma: "Wir haben versprochen, an einer Welt ohne Atomwaffen mitzuarbeiten, in der Länder und Völker in Frieden und Harmonie leben können und begrüßen es, dass der Vertrag über ein atomwaffenfreies Afrika (Pelinda Treaty) jetzt in Kraft ist. Namibia sieht darin einen wichtigen Schritt zu Frieden und Sicherheit in der Region und arbeitet an der Ratifizierung des wichtigen politischen Instruments."


Mehr als 60 Uranförderer warten auf grünes Licht

Um Zeit für eine verbindliche, gesetzlich geregelte Atompolitik zu gewinnen, stoppte die namibische Regierung 2007 durch ein Moratorium vorläufig die Vergabe neuer Lizenzen für die Uranförderung. Bislang besitzen 66 meist ausländische Unternehmen solche Lizenzen, die meisten Förderprojekte liegen in der Küstenregion von Erongo. Nur zwei Konzerne unterhalten Uranminen, zwei weitere bereiten den Abbau vor.

In Namibias erster und ältester Uranmine Rössing Uranium, die dem weltgrößten britisch-australischen Bergwerkskonzern und Anlagenbauer Rio Tinto gehört, bei einer 15-prozentigen Beteiligung der iranischen Regierung, wird seit 1976 Uran gefördert. Erst drei Jahrzehnte später, 2007, folgte die zum australischen Konzern Paladin Energy gehörende Uranmine Langer Heinrich Uranium (LHU). Sie produzierte 2009 1,170 Tonnen des so genannten 'Yellow Cake' (Uranoxid), eines gelben, pulverförmigen Gemischs von Uranverbindungen, das zur Herstellung von Brennelementen für Atomkraftwerke benötigt wird.

Auch Frankreichs staatlicher Atomkonzern Areva ist vor Ort und beginnt in Namibia mit der Uranförderung. In der Nähe von Swapokmund bereitet der französische Nuklearmulti die Uranförderung im Tagebau von Trekkopje vor. Mit der Inbetriebnahme der ersten Meerwasserentsalzungsanlage im südlichen Afrika sorgt Areva nicht nur für die Wasserversorgung der eigenen Uranmine. Ein Teil davon soll nach eigenen Angaben auch der einheimischen Bevölkerung zugute kommen.

In den nächsten drei bis vier Jahren sollen in Namibia mindestens fünf weitere Uranminen genehmigt werden. Der nationale Energieversorger NamPower ist bereit dabei, sein Stromnetz und seine Elektrizitätskapazität auszubauen.


Warnung vor Umweltschäden

Weil das Gelände der neuen Uranminen teilweise in einem ausgewiesenen Nationalpark und in der Nähe von anderen touristischen Brennpunkten liegt, melden Umweltexperten Bedenken an. "Wenn es nicht gelingt, für ein gutes Management des Uranabbaus und für die notwendigen Sicherheitsmaßnahmen zu sorgen, sind Umweltschäden nicht nur in der direkten Umgebung der Mine zu befürchten", warnt Peter Tarr. "Sie werden sich auf das benachbarte Gebiet, den Tourismus sowie auf die Menschen und ihre Lebensgrundlage auswirken", erklärte der Experte, der an einer Untersuchung der zu erwartenden Folgen der Atomindustrie mitgearbeitet hat.

Sorgen macht sich auch Peter Versveld. Der Mitarbeiter des Touristikunternehmens 'Namib Desert', der Besuchern die zerklüftete Gebirgslandschaft und die als 'lebende Fossile' berühmten tausendjährigen Wüstenpflanzen Welwitschia zeigt. "Der Bau eines Atomreaktors in dieser herrlichen Landschaft wird nicht ohne Folgen für den Tourismus an der Atlantikküste und die angrenzende Wüste bleiben", meinte er.

Anders Johannes Goraseb, dessen Familie seit Generationen 80 Kilometer von Swapokmund entfernt in einer bescheidenen Hütte lebt. Jetzt gehört Arevas Uranmine zu seiner Nachbarschaft. "Areva hat uns schon neue Wassertanks geschenkt", freut er sich. "Die Mine wird die Gegend wirtschaftlich voranbringen, denn sie will ihre Belegschaft in einem eigenen Dorf unterbringen. Ich hoffe, auch ich werde hier neue Arbeit finden. Denn vom Tourismus können wir auf Dauer nicht leben. Hierher kommen zu wenige Besucher." In der Nähe liegen auch die 'Spitzkoppe Mountains' mit ihren antiken Felsenmalereien.

Der Gouverneur von Erongo, Samuel Nuuyoma, setzt auf den Uranbergbau als bedeutende Stütze der namibischen Wirtschaft. Er rechnet mit einem Wachstum des Inlandsproduktes von 5,54 Prozent (2008) auf 14,78 Prozent (2015). "Der Beitrag des Urans zur Wirtschaft des Landes dürfte sich bis 2015 von derzeit 150 Millionen auf 305 Millionen US-Dollar (2015) verdoppeln."

Man rechnet damit, dass allein in Erongo durch die neuen Uranminen und den Ausbau der bisherigen Uranförderung tausende neuer Arbeitsplätze geschaffen werden. (Ende/IPS/mp/2011)


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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Januar 2011