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AFRIKA/893: Kongo - Schutzgesetz für die Wälder, Waldbewohner sehen sich um ihre Rechte geprellt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010

Kongo: Schutzgesetz für die Wälder - Waldbewohner sehen sich um ihre Rechte geprellt

Von Arsène Séverin


Brazzaville, 5. November (IPS/IFEJ*) - In der Republik Kongo (Kongo-Brazzaville) sorgt ein Umweltgesetz von 2008 bei 3.000 Waldbewohnern für Empörung. Sie werfen den Behörden vor, sie um ihre Waldnutzungsrechte und somit um ihre Existenzgrundlage gebracht zu haben.

"Inzwischen schäme ich dafür, die Papiere für die Gründung des Parks unterschrieben zu haben", sagt Mpaka-Mbouiti, der Vorsteher der Ortschaft Loussala im Conkouati-Douli-Nationalpark. "Konnte ich wissen, dass wir mitten im Wald verhungern müssen?"

"Tiere sind offenbar wichtiger als wir Menschen", meint Celestin Mavoungo aus dem Dorf Ngoumbi, das sich ebenfalls innerhalb des Parks befindet. "Wie haben keinerlei Rechte. Und selbst wenn unsere Felder von Elefanten verwüstet werden, stoßen wir bei den Behörden auf taube Ohren."

In der Republik Kongo sind elf Prozent des nationalen Territoriums oder 3,6 Millionen Hektar Land als Schutzgebiete ausgewiesen. Der 500.000 Hektar große Conkouati-Douli-Nationalpark, der im Südwesten an den Atlantik angrenzt, ist für viele bedrohte Arten wie Schimpansen, Gorillas und Waldelefanten ein wichtiges Rückzugsgebiet. Darüber hinaus befindet sich hier die weltwichtigsten Brutstätten für Schildkröten. In dem Park leben aber auch 3.000 Menschen, die sich vom Fischfang, von der Landwirtschaft und der Jagd ernähren.

Entwaldung, Wilderei und die Verschmutzung durch die Offshore-Ölproduktion haben dem Ökosystem in den vergangenen Jahren einen beträchtlichen Schaden zugefügt. Nach Ablauf eines von der Globalen Umweltfazilität (GEF) geförderten Schutzprogramms 1999 war es dann auch den Patrouillen vorbei, die Wilderer und Fallensteller aus dem Gebiet fernhalten sollten. Seitdem werden dort immer wieder professionelle Jäger gesichtet, die das Fleisch der erlegten Tiere in Pointe-Noire, der zweitgrößten Stadt Kongos, verkaufen.


Unklarheiten nicht beseitigt

Um dem Treiben wirksam ein Ende zu setzen, verabschiedete der Kongo im November 2008 ein neues Gesetz zur Regelung der Verwaltung der Nationalparks und Schutzgebiete. Es entzog den Waldbewohnern sämtliche Nutzungsrechte in bestimmten Kernschutzgebieten. Erlaubt sind Fischfang, Landwirtschaft und Jagd in den umliegenden Gebieten.

Doch die Bestimmungen haben bei den Menschen vor Ort für Verstimmung gesorgt. "Wir haben keine Ahnung, wo sich die Gebiete befinden, die wir bewirtschaften dürfen", meint Mpaka-Mbouiti. "Alles ist Park. Und wir halten uns aus Unsicherheit mit unserer Feldarbeit zurück."

Ähnlich unklar ist die Situation für die Waldbewohner im Norden des Landes. "Hier verbieten uns die Ranger nicht nur die Jagd, sondern dringen in unsere Küchen ein, holen unser Fleisch aus der Pfanne, um zu prüfen, ob wir es uns nicht aus dem Busch beschafft haben", berichtet Clémentine aus Ngombé, einem Dorf in der Nähe des Nouabale-Ndoki-Nationalparks.

Der Leiter der Waldschutz- und Wildtierbehörde Pierre Kama nimmt jedoch seine Leute in Schutz. "Wir haben es hier mit einer Gruppe starrköpfiger Menschen zu tun, die sich den Parkwächtern widersetzen", sagt er und fügt hinzu, dass den Waldbewohnern vor Abschluss der Verträge klar gewesen sei, dass es in einigen Teilen des Waldes mit der Jagd vorbei sein würde. "Es stimmt, sie mussten ihre Aktivitäten einschränken", erläutert er. "Doch gibt es für sie noch genügend Orte, wo sie weiterhin jagen und fischen könnten, ohne gegen geltendes Recht zu verstoßen."

Menschen mit bösen Absichten, die gegen geltendes Recht verstoßen, seien zu bestrafen, versichert Kama. Die Arbeit sei für die Parkranger nicht immer ungefährlich. So komme es manchmal zu Übergriffen bewaffneter Wilderer, gegen die sich seine Mitarbeiter verteidigen müssten.

Die US-amerikanische Umweltorganisation 'Wildlife Conservation Society' (WCS) unterstützt die Regierung in dem Bemühen, die Parks und Schutzgebiete zu schützen. Den Vorwurf, dass die Ranger in die Hütten der Waldbewohner vordringen, hält der Sprecher von WCS Kongo, Nazaire Massambe, für eine glatte Lüge. Parkpersonal, das seine Nase in die Töpfe der Waldbewohner stecke, werde unverzüglich gefeuert, betont er. "Wir versuchen lediglich den Verkauf des Buschfleischs in den Städten zu verhindern."

Doch lokale Menschenrechtsorganisationen sehen durchaus Grund für Beschwerden. "Wir haben nichts gegen Umweltschutz", meint Roch Euloge N'zobo von der Kongolesischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. "Doch hier werden die Rechte der Menschen mit Füßen getreten."


Mit Problemen allein gelassen

N'zobo zufolge herrscht in den Dörfern Verwirrung über den Verlauf von Grenzen, die die Wälder in Kernschutz- und Randgebiete unterteilt. Die Unsicherheit und Angriffe von Elefanten hätten dafür gesorgt, dass die Familien ihre Nahrungsmittel nur noch in nächster Nähe ihrer Häuser anbauten. "Im Umfeld des Conkouati-Douli-Parks zum Beispiel müssen sich die Menschen das Land mit Elefanten teilen. Deshalb waren sie gezwungen, ihre Feldfrüchte gleich hinter ihren Häusern anzubauen."

Die Regierung hat bereits eingeräumt, im Umgang mit den Dorfbewohnern einige Fehler gemacht zu haben. So habe man versäumt, die Meinung der Waldbewohner einzuholen. Kama zufolge wird die Umsetzung des Gesetzes für Wildtiere und Schutzgebiete von 2008 die Gründung von Komitees erforderlich machen, denen auch Mitglieder der Gemeinschaften angehören werden.

"Die Regierung wird sich ihrer Verantwortung stellen. Sie ist bereit, die Nutzungsrechte der Waldgemeinden in Erwägung zu ziehen", sagt Joseph Moumbouilou, der im Ministerium für nachhaltige Entwicklung für Forschung und Projekte zuständig ist.

Nach Ansicht der US-Umweltgruppe WCS sind es jedoch gerade die lokalen Gemeinschaften, die vom Waldschutz profitieren. "Wir beschäftigen über 300 Mitarbeiter, und die Mehrheit stammt aus den Gemeinden", rechnet Massamba vor. In Bomassa nahe des Odzala-Kokoua-Parks ebenfalls im Norden des Landes könnten Kinder kostenfrei zur Schule gehen. Darüber hinaus stünden den Familien dort Geschäfte zur Verfügung, in denen sie ihre Waren zu reduzierten Preisen kaufen können. Mit der Verwaltung des 1,5 Millionen Hektar großen Parks wurde ein südafrikanisches Unternehmen betraut.


Waldnutzungskarte in Arbeit

In Ntandou Ngoma, einem Dorf nahe des Conkouati-Douli-Parks, verdanken die Menschen den Naturschützern den Zugang zu sauberem Trinkwasser, Fernsehsendern und Satellitenschüsseln. Doch N'zobo hält diese Zugeständnisse für unbedeutend. "Das ist viel Rauch um nichts", meint er. "Die Menschen haben im Grunde nichts bekommen. Der Umweltschutz hat sie um ihre Rechte gebracht und sie der Armut preisgegeben." Seine Organisation will nun mit den Waldbewohnern Karten erstellen, aus denen klar hervorgeht, wo sie was tun dürfen.

Der feindliche Ton zwischen Umweltschützern und Behörden auf der einen Seite und Anwohnern und Menschenrechtlern auf der anderen Seite habe sich zwar verschärft, doch könne aus der Konfrontation durchaus Positives erwachsen", hofft Daniel Akouele-Oba, Leiter der Bewegung der Kongolesischen Jugend für Reflektion und Analyse. "Der Schutz der Artenvielfalt wird ohne eine Teilhabe der lokalen Gemeinschaften nicht zum Erfolg führen." (Ende/IPS/kb/2010)

* Dieser Beitrag ist Teil einer Serie von IPS und der 'International Federation of Environmental Journalists' (IFEJ) zum Thema nachhaltige Entwicklung.

Links:
http://www.wcs-congo.org/about/about.htm
http://protectedplanet.net/sites/313401
http://www.ifej.org
http://ipsnews.net/news.asp?idnews=53464


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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 5. November 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. November 2010