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AFRIKA/864: Freihandel zwischen Kapstadt und Kairo - Experten mit Zukunftsvisionen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2010

Afrika: Freihandel zwischen Kapstadt und Kairo - Experten mit Zukunftsvisionen

Von Servaas van den Bosch


Kapstadt, 21. September (IPS) - Afrikas Regierungen haben sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Sie wollen eine Freihandelszone von Kapstadt bis Kairo einrichten. Auf der Jahreskonferenz des unabhängigen 'Trade Law Centre for Southern Africa' (TRALAC) im südafrikanischen Stellenbosch befürworteten etliche Teilnehmer das ehrgeizige Vorhaben mit der Begründung, es nütze dem Kontinent mehr als existierende Zollunionen, die nichts bringen.

2008 hatten die regionalen Spitzenpolitiker das von der Europäischen Union (EU) begeistert unterstützte ehrgeizige Vorhaben eines trilateralen Freihandelsabkommens in Kampala konzipiert. Durch den Zusammenschluss der Entwicklungsgemeinschaft des Südlichen Afrika (SADC), des Gemeinsamen Marktes für Ost- und Südafrika (COMESA) und der Ostafrikanischen Gemeinschaft (EAC) soll ein aus 26 Ländern bestehender Markt mit 578 Millionen Verbrauchern und einem Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 853 Milliarden US-Dollar entstehen.

Nur China und Indien hätten größere Märkte zu bieten, und mit ihrem BIP würde die angestrebte afrikanische Freihandelszone beim Internationalen Währungsfonds (IWF) im weltweiten Vergleich Platz 15 einnehmen. "Größe ist ein bedeutendes Wirtschaftskriterium", betont der für TRALAC arbeitende Wissenschaftler Sean Woolfrey. "Sie erleichtert die Diversifizierung, bringt der industriellen Entwicklung einen enormen Aufschwung und verhilft dem regionalen Binnenhandel zu einer Vielzahl von Partnern."

Bislang überleben die afrikanischen Länder, die sich dem künftigen Handelsblock anschließen wollen, hauptsächlich durch den Export von Rohstoffen in die EU und nach China. Ihre Abhängigkeit von importierten Kapitalgütern ist enorm, und der regionale Binnenhandel ist vor allem im südlichen Afrika bescheiden. "Er stagniert seit 2001 bei zehn Prozent und entspricht nicht unseren Erwartungen", meint Woolfrey. "Das zeigt schon ein Blick auf das wirtschaftlich mächtige Südafrika, das lediglich sechs Prozent seiner Importe von regionalen Märkten bezieht."

Die vor einem Jahr angebahnte Zollunion für Ost- und Südafrika (COMESA) verdient bislang diese Bezeichnung nicht. Beim Übergang vom eigenen Freihandel zu einer Zollunion haben sich bei der SADC große Schwierigkeiten aufgetan. "Bei der Umsetzung der Handelsprotokolle gibt es erhebliche Probleme. Es fehlt eine Einrichtung, die sie überwacht. Staaten, die sich nicht an die Vereinbarungen halten, haben keine Sanktionen zu befürchten", kritisiert TRALAC-Geschäftsführerin Trudi Hartzenberg. Sie begrüßt, dass die SADC-Regierungschefs bei ihrer Gipfelkonferenz im August die Pläne von einer Zollunion auf Eis gelegt haben. "Es war einfach zu früh für ein solches Vorhaben", betont sie.


Bremsklotz Südafrika

Weil sich vor allem Südafrikas Regierung bei der Handelsintegration der SADC querlegt, räumt Hartzenberg einem dreiseitigen Freihandelsabkommen in Afrika realistischere Chancen ein. "Der Weg dahin wird nicht leicht sein, auch wenn der regionale Freihandel viel zu bieten hat", meint Woolfrey.

Zu den Stolpersteinen auf dem Weg zu einem trilateralen Handelsabkommen gehören nicht-tarifäre Handelshemmnisse, die Harmonisierung von Zöllen und Standards sowie das Fehlen schlüssiger Strategien, eine geringe wirtschaftliche Diversifikation und die Haltung der südafrikanischen Zollunion.

Eines der größten Hindernisse ist Südafrika mit seinen komplizierten Regeln, die die Herkunft einer Ware nachweisen. Mit solchen komplexen, kaum durchschaubaren Regeln versuchen viele Staaten, Drittländer von handelspolitischen Präferenzen auszuschließen. So etwa könnte ein aus China stammendes Produkt, das in Südafrikas neu verpackt wird, nach den Vorgaben der zwischen Südafrika und der EU vereinbarten Handels- und Entwicklungs-Kooperation (TDCA) nicht nach Europa exportiert werden.

"Die industrielle Basis vieler der zur künftigen Freihandelszone gehörenden afrikanischen Länder ist klein. Sie würden deshalb von einfachen Handelsregeln profitieren", stellt Michael Humphrey, Berater in Handelsfragen, fest. Anders Südafrika mit seiner diversifizierten Wirtschaft. "Seine Vorschriften für die Herkunftsbezeichnung von Waren sind sehr kompliziert und für jede Unterkategorie verschieden", berichtet er.


Die Privatwirtschaft einbinden

Nach Meinung der Experten ist damit zu rechnen, dass Südafrika und Ägypten, die mit ihrer Wirtschaftskraft im geplanten afrikanischen Freihandel den Ton angeben, mit ihrem Festhalten an komplizierten Regeln für die Herkunftsbezeichnung möglicherweise den afrikanischen Binnenhandel lahm legen. "Diese Vorschriften werden zum Knackpunkt der Verhandlungen über den Freihandel werden", meint Humphrey.

Hartzenberg stimmt ihm zu: "Mit solchen Regeln wollen Ägypten und Südafrika die eigenen Märkte schützen." Die dadurch entstehenden Spannungen ließen sich vielleicht dadurch abbauen, dass die 24 übrigen Staaten ihre Märkte für Südafrika öffnen.

Einen anderen Ausweg aus der Zwickmühle sieht die TRALAC-Chefin in einer besseren Einbindung der Privatwirtschaft in die Verhandlungen. Gegenüber IPS verweist sie darauf, dass Wirtschaftssektoren in Sachen Herkunftsbezeichnung unterschiedliche Ansichten vertreten. "In etlichen Branchen dürfte man einsehen, dass man von liberaleren Vorschriften profitiert", erklärt Harztenberg.

Der für Juni 2011 vorgesehene Verabschiedung eines regionalen Freihandelsabkommens für Afrika wird sich möglicherweise verzögern, denn derzeit sind noch viele der beteiligten Länder damit beschäftigt, mit der EU eigene Partnerschaftsabkommen (EPAs) auszuhandeln. (Ende/IPS/mp/2010)


Links:
www.tralac.org/
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52876egen.

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 21. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 23. September 2010