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AFRIKA/860: D. R. Kongo - UN-Sicherheitsrat erwägt Sanktionen gegen Massenvergewaltiger (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010

D. R. Kongo: UN-Sicherheitsrat erwägt Sanktionen gegen Massenvergewaltiger

Von Aprille Muscara


New York, 9. September (IPS) - Der UN-Sicherheitsrat denkt derzeit über wirksame Sanktionen gegen die Verantwortlichen der jüngsten Massenvergewaltigungen in der Demokratischen Republik Kongo nach. Der Weltorganisation liegen inzwischen bestätigte Berichte über mindestens 500 Fälle sexueller Gewalt in den Provinzen Nord- und Süd-Kivu vor.

"Wir werden dafür Sorge tragen, dass die Vergewaltiger zur Rechenschaft gezogen werden", sagte die US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice. Die USA würden sich im UN-Sanktionsausschuss dafür einsetzen.

Zahlreiche Vergewaltigungen seien bisher noch unbestätigt, sagte der stellvertretende UN-Generalsekretär Atul Khare, der für die Friedensmissionen zuständig ist. Außerdem sei von einer hohen Dunkelziffer auszugehen, erklärte der indische Diplomat kürzlich vor dem Sicherheitsrat in New York. Khare war in das afrikanische Land entsandt worden, nachdem viele Medien Ende August über die Gewaltausbrüche berichtet hatten.

Mitglieder der Rebellenbewegungen 'Demokratische Befreiungskräfte Ruandas' (FDLR) und 'Mai Mai Cheka' hatten demnach bei einem viertägigen Überfall, der am 30. Juli begann, mehr als 242 Frauen in 13 Dörfern in Nord-Kivu systematisch missbrauch. Laut der UN-Friedensmission MONUSCO wurden danach 75 ähnliche Fälle in anderen Orten bestätigt.

Nach UN-Angaben wurden zudem in Süd-Kivu 214 Frauen, Männer und Kinder vergewaltigt. Einige Opfer waren erst sieben Jahre alt. Wie Khare erklärte, werden derzeit Informationen überprüft, denen zufolge im Dorf Kiluma keine einzige Frau vor der sexualisierten Gewalt verschont geblieben ist. In zehn Fällen wird die kongolesische Armee (FARDC) verantwortlich gemacht.


Armee an Menschenrechtsverletzungen beteiligt

Mitglieder der als undiszipliniert geltenden FARDC sind für Menschenrechtsverbrechen berühmt-berüchtigt. Zu den notorischsten Tätern zählt der ehemalige Rebellenführer und FARDC-General Bosco Ntaganda, der vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Kriegsverbrechen angeklagt werden soll.

Khare und Margot Wallström, die UN-Sonderbeauftragte für sexuelle Gewalt in Konflikten, mahnten dringend gezielte Sanktionen gegen die FDLR und die Mai-Mai-Cheka-Rebellen an. Dies wäre ein erster wichtiger Schritt, um die Straffreiheit in Fällen sexueller Gewalt und Menschenrechtsverletzungen in der D.R. Kongo zu beseitigen, erklärten sie.

Der UN-Botschafter des Landes, Ileka Atoki, bezweifelt jedoch, dass derartige Sanktionen greifen werden. "In den Tiefen des Äquatorial-Urwalds hätten diese Maßnahmen keinerlei Auswirkungen", betonte er. Den Menschen im Kongo werde damit nicht geholfen, die schrecklichen Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre zu überwinden.

Marcel Stoessel, der Direktor der Hilfsorganisation 'Oxfam' in der D.R. Kongo, ist der Meinung, dass nur ein langfristiges Vorgehen gegen die Straffreiheit die Sicherheitslage tatsächlich verbessern wird. Zugleich gab er zu bedenken, dass die Regierung zwar "Null Toleranz" bei sexueller Gewalt angekündigt habe, systematische Massenvergewaltigungen jedoch nach wie vor an der Tagesordnung seien.

"Die Regierung muss ihren Worten Taten folgen lassen", forderte Stoessel. Auch die internationale Gemeinschaft müsse sich stärker engagieren. Bislang zeigten weder kongolesische Regierung noch die Geberstaaten den nötigen Willen, eine umfassende Reform des Sicherheitssektors in dem Land voranzutreiben.

Die UN wurde bereits heftig dafür kritisiert, von den jüngsten Rebellenüberfällen in der Region gewusst zu haben, ohne einzuschreiten. Blauhelme seien überdies am 2. August, dem letzten Tag des großen Überfalls, in mehreren Dörfern gewesen, ohne etwas von den Vorfällen zu bemerken, hieß es.


Stellvertretender Generalsekretär gibt Pannen zu

Khare räumte nun gravierende Kommunikationsprobleme bei den UN-Friedenstruppen ein. Im dichten Urwald gebe es oftmals keine Mobilfunkverbindung, sagte er. MONUSCO stünden dort aber nur ein Satellitentelefon und ein Dolmetscher zur Verfügung.

"Für den Schutz der Zivilisten sind in erster Linie die kongolesische Armee und die Polizei verantwortlich. Aber auch wir haben ganz klar versagt.", erklärte er. Friedenstruppen, die nicht aktiv würden, seien überflüssig: "Wir brauchen keine 10.000 Touristen in der D.R. Kongo."

Dabei hat die mit einer Milliarde US-Dollar finanzierte MONUSCO-Mission für den Schutz von Zivilisten ein stärkeres Mandat als die UN-Friedenstruppen in anderen Teilen der Welt. Die Zahl der MONUSCO-Blauhelme ist ebenfalls am höchsten.

Als der Sicherheitsrat im Mai eine Verlängerung des Mandats beschloss, wurde allerdings auch angekündigt, dass ihr Umfang verkleinert werden solle. Dazu hatte die kongolesische Regierung gedrängt, die sogar den vollständigen Abzug der UN-Truppen verlangt. Seit Juni haben bereits rund 2.000 Blauhelme den mittlerweile als relativ stabil geltenden Westen des Landes verlassen. (Ende/IPS/ck/2010)


Link:
http://monuc.unmissions.org/
http://www.un.org/en/peacekeeping/
http://www.oxfam.de/informieren/dr-kongo
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=52758

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 9. September 2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. September 2010