Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/845: Folgen der Landreform in Simbabwe für die Blumenarbeiterinnen (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 2, April / Mai / Juni 2010

Verblühte Zukunft
Folgen der Landreform in Simbabwe für die Blumenarbeiterinnen

Von Gertrud Falk


Simbabwes einst blühende Blumenindustrie liegt am Boden. Während der Sektor in den 1980er- und 90er-Jahren Simbabwe in kurzer Zeit in die Gruppe der weltweit führenden Blumen exportierenden Länder katapultiert hatte, ist die Produktion seit der Landreform in 2000 auf ein Drittel geschrumpft. Dies hat für die Arbeiterinnen und Arbeiter der Plantagen dramatische Folgen. Gehörten sie auch vor der Landreform schon zur ärmsten Bevölkerungsgruppe, hat sich ihre Situation nun verschärft. Die entlassenen Arbeiterfamilien haben mit dem Job auch ihre Wohnungen und Gärten verloren. Für die verbleibenden Arbeiterinnen und Arbeiter haben sich die Arbeitsbedingungen verschlechtert.


Blumenboom

"Früher bekamen wir Arbeitskleidung von der Plantage gestellt", gerät Mary Chagunda (Name geändert) bei der Erinnerung an die Hochphase der simbabwischen Blumenindustrie ins Schwärmen. Seit über 20 Jahren arbeitet die 46-jährige auf einer Blumenplantage etwa 150 km südlich der Hauptstadt Harare. Sie hat Aufstieg und Niedergang des Sektors miterlebt.

Nach der Unabhängigkeit Simbabwes schossen Blumenfarmen wie Pilze aus dem Boden. Das Land verfügt über ein günstiges Klima für den industriellen Blumenanbau. Es wird tagsüber nicht sehr heiß und nachts kühlt es zwar ab, es gibt aber keinen Frost. Die Blumen bekommen dadurch große Blüten. Die geringe Luftfeuchtigkeit hält die Schimmelpilzbildung in Grenzen.

Der Sektor wurde schnell zum drittwichtigsten Devisenbringer nach Gold und Tabak. Ein enormer Technologietransfer vor allem von den Niederlanden fand statt. Neue, Wasser sparende Bewässerungsmethoden wurden eingeführt. Von 1980 bis 1999 stiegen die Einkünfte von 28 auf 47 Millionen Euro. Die Zahl der exportierten Blumen wuchs von 650 Millionen auf 1,4 Milliarden an. Die wichtigste Exportregion war von Beginn an die Europäische Union (EU). An Landwirtschaftsschulen wurden gesonderte Ausbildungsklassen für diesen Sektor geschaffen. Eine bemerkenswerter Logistiksektor mit Kühl- und Transportmöglichkeiten wurde aufgebaut, so dass auch die Nachbarländer den Flughafen in Harare für den Export nach Europa oder Amerika nutzten. Ende der 1990er-Jahre beschäftigte der Sektor rund 13.000 Personen, 75 Prozent davon waren Frauen.


Frauen profitieren, doch die Armut

Als erster Industriezweig stellte die Blumenindustrie vor allem Frauen ein. Bis zu diesem Zeitpunkt hatten Frauen in ländlichen Regionen kaum Chancen, im formellen Sektor beschäftigt zu werden. Aufgrund ihrer so genannten doppelten Kolonialisierung, der Diskriminierung durch die kolonialen Strukturen und durch das patriarchale Gesellschaftssystem, hatten sie wesentlich schlechtere Bildungschancen. Durch die Blumenindustrie veränderte sich das Bild. In der Annahme, dass Frauenhände besser mit empfindlichen Blumen umgehen können, stellten die Blumenfarmer vor allem Frauen für die Vermehrung, Pflege und Verpackung der Blumen ein. Allerdings werden sie häufig nur als Gelegenheitsarbeiterinnen ohne Arbeitsplatzgarantie beschäftigt.

Frauen gewannen mit ihrem eigenen Einkommen auch Bestätigung. In vielen Betrieben sind sie paritätisch in den Arbeiterkomitees vertreten. Da ihr Wissen über Pflanzenvermehrung und -pflege teilweise auch in der kleinbäuerlichen Landwirtschaft anwendbar war, erlangten sie Respekt in ihren Familien. Allerdings konnten die Arbeiterinnen aufgrund niedriger Löhne auch mit der Plantagenarbeit nicht der Armut entkommen. Zusätzlich kommt es immer wieder zu sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz. Mary Chagunda erklärt: "Unsere männlichen Kollegen sagen dann zum Beispiel Dinge wie: ,Mein Feuer brennt, du kannst es löschen'."


Landreform stoppt Boom

Die Entwicklung im Blumensektor wurde durch die schlechte Umsetzung der Landreform in Verbindung mit einer einseitigen Klientelpolitik der Regierung gestoppt. Die Landverteilung während der Kolonialzeit hatte weiße Plantagenbesitzer einseitig begünstigt. Während jeder von ihnen durchschnittlich 2.000 Hektar fruchtbaren Bodens besaß, mussten sich Kleinbauernfamilien mit weniger fruchtbarem Land zufrieden geben und Land lose sich als Tagelöhner verdingen. Mitte der 1990er-Jahre besaßen etwa viertausend weiße Großgrundbesitzer genauso viel Land wie die Hälfte der restlichen (schwarzen) Bevölkerung.

Nachdem die Verhandlungen der simbabwischen Regierung mit der ehemaligen britischen Kolonialmacht und internationalen Geldgebern über eine Landreform in den 1990er-Jahren gescheitert waren, setzte die Regierung ab 1999 ihr eigenes Konzept um. Insgesamt wurden im Zuge der so genannten schnellen Landreform 90 Prozent des Großgrundbesitzes enteignet, darunter auch viele Blumenfarmer. Der Enteignungsprozess radikalisierte sich, als Veteranen des Freiheitskampfes Ende 2000 begannen, Land zu besetzen. Andere Bevölkerungsgruppen folgten dem Beispiel und begannen ebenfalls Land zu besetzen, ohne die vorgesehenen Verfahren zu Zuteilung von Land zu durchlaufen. Gleichzeitig stieg die Zahl der Anträge auf Land. "Land" wurde zum Wahlkampfthema und damit über ein Maß hinaus politisiert, das der Sache dienlich war.

Die neuen Landbesitzer hatten oft keine Erfahrung mit dem harten Blumengeschäft oder von vornherein kein Interesse daran. Viele Betriebe wurden geschlossen oder gingen bankrott. Mit ihnen verschwanden auch die Logistik-Unternehmen, die für die nötige Kühlkette und den Export gesorgt hatten. 2007 exportierte Simbabwe nur noch Schnittblumen im Wert von 23,3 Millionen Euro in die EU, 2008 verringerte sich der Exportwert sogar auf nur noch 18,8 Millionen Euro.

Mit der Enteignung der Besitzer wurden vielerorts auch die Arbeiterinnen und Arbeiter vertrieben, die auf dem Plantagengelände lebten. Die entlassenen Arbeiterfamilien errichteten notdürftige Lager. Bis heute erhalten sie keine Unterstützung durch die simbabwische Regierung. Ihren Lebensunterhalt versuchen sie als Tagelöhner, durch den Verkauf von Brennholz oder Goldschürfen zu verdienen. Besonders hart traf es die Arbeitsmigranten aus Simbabwes Nachbarländern, die in der Boomphase häufig ohne Personalausweise eingereist waren. Ohne Ausweise haben sie keinen Anspruch auf Land. Ihre Kinder bekommen keine Geburtsurkunden und können deswegen keine weiterführende Schule besuchen.


Verschlechterte Arbeits- und Lebensbedingungen

Heute arbeiten nur noch rund 4.000 Arbeiterinnen und Arbeiter auf Blumenplantagen, die in der Regel noch immer im Besitz von Weißen sind. Ihre Arbeitsbedingungen haben sich deutlich verschlechtert. "Vor der Landreform bekamen wir von unserem Arbeitgeber Arbeitskleidung kostenlos gestellt, heute arbeiten viele von uns barfuß", klagt Mary Chagunda. "Wir haben keine ausreichende Schutzkleidung gegen die Pestizide, die in den Betrieben gesprüht werden." Und das, obwohl Simbabwe die Konvention Nr. 155 der Internationalen Arbeitsorganisation zu Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz ratifiziert hat. Viele Missstände nehmen die Arbeiterinnen hin, weil sie ihre Rechte nicht kennen. Gewerkschaftsvertreter kommen nicht oft in die teils abgelegenen Plantagen. Die Arbeitsinspektoren sind zwar befugt, jeden Betrieb unangekündigt zu inspizieren. Faktisch fehlen der Behörde aber die finanziellen Mittel, um ihre Aufsichtspflicht wirksam auszuüben. Die Unternehmen nutzen diese Situation aus. Begünstigt wird diese Situation durch Arbeitsgesetze, die die Arbeiterinnen benachteiligen. So erlaubt das simbabwische Arbeitsgesetz, dass Werktätige bis zu acht Monaten als Saisonarbeiter beschäftigt werden. Erst bei längerer ununterbrochener Beschäftigung muss er/sie fest angestellt werden. Dadurch gehen Ansprüche gegenüber der Sozialversicherung verloren. Außerdem ist es für die Arbeiterinnen schwieriger, sich gewerkschaftlich zu organisieren, wenn sie nicht zwölf Monate im Jahr angestellt sind.

Alle Werktätigen haben zwar einen Anspruch auf bezahlte Krankentage, wenn sie ein entsprechendes ärztliches Attest vorlegen können. Für die Arbeiterinnen der Blumenplantagen stellt dies aber bereits eine enorme Hürde dar. Denn der nächste Arzt ist oft bis zu 20 km entfernt und ein öffentliches Verkehrssystem fehlt in den ländlichen Regionen. So sind die Arbeiterinnen im Krankheitsfall darauf angewiesen, dass die Farmbetreiber sie ins Krankenhaus fahren, was diese aber nicht immer tun. Diese starke Abhängigkeit von dem Unternehmer in Verbindung mit der schwachen Präsenz der Gewerkschaften im Sektor erschwert es den Arbeiterinnen, ihre Rechte durchzusetzen.

So reichen auch die Löhne nicht, um die Grundbedürfnisse einer Familie ausreichend zu decken. "Unsere Löhne sind so niedrig, dass sie nicht einmal für eine ausgewogene Ernährung ausreichen", ergänzt Chagunda. Die Gehälter der vier erwachsenen Familienmitglieder ergeben zusammen einen Monatslohn von 200 US-Dollar. Um ihre fünf eigenen Kinder und die vier Nichten und Neffen ihrer verstorbenen Geschwister ausreichend zu ernähren, bräuchte sie aber monatlich 360 Dollar.

Der niedrige Lohn erlaubt den wenigsten Familien, ihre Kinder auf einen weiterführende Schule zu schicken. Dies hat im Zuge der Wirtschaftskrise dazu geführt, dass erstmals auch Kinder auf den Plantagen arbeiten. Die Regierung führte noch in den 1990er-Jahren gemeinsam mit Entwicklungsorganisationen eine Kampagne gegen Kinderarbeit durch. Doch durch die mangelhafte Umsetzung der Landreform ist Kinderarbeit in der Blumenindustrie seit 1999 erstmals aufgetreten. Aufgrund der unsicheren Besitzverhältnisse scheuen sich die Plantagenbesitzer, langfristige Arbeitsverträge zu vergeben. Die fehlenden Kontrollen durch die Aufsichtsbehörde ermöglichen es ihnen, Kinder für einfache Arbeiten zu beschäftigen, wie zum Beispiel das Zuschneiden der Wellpappe für die Verpackung der Blumen oder das Unkrautjäten. Auf der anderen Seite steigt die Zahl der Aids-Waisen, die ihren Lebensunterhalt selbst verdienen müssen.

Mary Chagunda gibt trotz ihrer schwierigen Lebensbedingungen nicht auf. Ihr Traum ist ein Stück eigenes Land, auf dem sie Gemüse und Blumen zum Verkauf anbauen kann.


Die Autorin arbeitet für FIAN Deutschland


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 1, April / Mai / Juni 2010


30 Jahre Simbabwe - a luta continua
Der Sieg im Unabhängigkeitskampf ist nicht das Ende der Befreiung, sondern nur deren Voraussetzung, meint Psychology Maziwisa.

aktuell

südafrika
Schwere Zeiten
Südafrikas Präsident Jacob Zuma hat seinen Kredit aufgebraucht. Die Regierung ist ohne Kompass und Steuermann. Im ANC und bei dessen Bündnispartnern wächst die Kritik an der "lahmen Ente" Zuma. Von Hein Möllers.

Nachwuchsförderung à la ANC
Die verbalen Ausbrüche von ANC-Jugendliga-Präsident Julius Malema werden der Parteizentrale langsam lästig. Über Malemas Aufstieg und sein Verhältnis zu Zuma berichtet Ringo Raupach.

Wehret den Anfängen
Zackie Achmat sieht in der Person des umstrittenen Julius Malema das Aufkommen einer gefährlichen Ideologie in Südafrika.


It's Africa's Time: afrika süd zur WM 2010 - Folge 6

Von Schusswesten und langen Unterhosen
Eine Fußball-WM nach Afrika zu vergeben halten manche Meinungsmacher in Europa immer noch für eine Fehlentscheidung, stellt Hein Möllers fest.

Literatur zu WM 2010

Der Herr Gastgeber
Der Weltfußballverband ist ein Staat im Staate. Von Azad Essa und Oliver Meht.


simbabwe
Die Unsicherheit mit der Sicherheit
Sie sind die Stütze für Simbabwes Präsident Robert Mugabe: Über die Macht der sog. "Securocrats" berichtet die International Crisis Group.

Poker um Wahlen und Verfassung
2011 soll in Simbabwe gewählt werden, die angekündigte Verfassungsdebatte stockt dagegen. Das Zimbabwe Election Support Network hat jetzt grundlegende Gesetzesänderungen und Meinungsfreiheit angemahnt.

Streumunition
Sind Sanktionen eine geeignete Maßnahme, um das Mugabe-Regime zur Vernunft zu bringen? Briggs Bomba und William Minter haben in der Sanktionsdebatte Widersprüchliches aufgedeckt.

simbabwe
Parade - neue Männerforen
Es gibt sie - Männer, die ihre Frauen nicht schlagen. Rita Schäfer stellt ermutigende Männerinitiativen gegen geschlechtsspezifische Gewalt in Simbabwe vor.

Verblühte Zukunft
Simbabwes einst blühende Blumenindustrie liegt am Boden, die Landreform hat den Boom gestoppt. Über die Folgen für die Blumenarbeiterinnen berichtet Gertrud Falk.

namibia
20 Jahre Republik Namibia
Von der angestrebten sozialen Gerechtigkeit hat sich Namibia 20 Jahre nach der Unabhängigkeit weit entfernt, stattdessen machen sich Demokratieverlust, Intoleranz und Selbstgerechtigkeit breit. Eine Zwischenbilanz von Henning Melber.

angola
Bulldozer der Macht
Immer mehr Armensiedlungen weichen in Angola ehrgeizigen Infrastrukturprojekten. Über Vertreibungen und Zwangsumsiedlungen in Lubango berichtet Lothar Berger.

mosambik
"Niebel gab sich als Lernender"
Ute Koczy, entwicklungspolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, hat im Januar Entwicklungsminister Dirk Niebel nach Mosambik begleitet. Rainer Tump unterhielt sich mit ihr.

tansania
Ganz legal
Wie sich tansanische Beamte über ein großzügiges Zulagesystem an der Staatskasse bereichern, schildert Helmut Zell.

dr kongo
Von Staatlichkeit keine Spur
Bericht der International Crisis Group zur Entwicklung in der DR Kongo.

afrika: epa
Hände weg von EPA!
Ein Interview mit Yash Tandom zu den destruktiven Folgen der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit der EU für afrikanische Staaten.

service
Nord-Süd-Infos, Rezensionen


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 2, April / Mai / Juni 2010, S. 25 - 26
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. August 2010