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AFRIKA/805: Wirtschaftsmotor Milch in Burkina Faso (UBS)


Unabhängige Bauernstimme, Nr. 331 - März 2010
Die Zeitung von Bäuerinnen und Bauern

Wirtschaftsmotor Milch in Burkina Faso
Reisebericht: Wie Milchbauern in der Sahelzone Leben und was sie über unsere Sitten denken

Von Berit Thomsen


Gebieterisch schreitet Dorfchef Souleymane Diallo (63) an mir vorbei, nimmt in der letzten Reihe auf der Schulbank Platz und sitzt mit geradem Rücken vor seinem Schulheft. Er zeigt, was Pater Andreas Göpfert, der seit vielen Jahren in Burkina Faso lebt, sagt: "Die Peul gewinnen durch die Alphabetisierung an Selbstbewusstsein." In einem abgelegenen Landstrich in Burkina Faso besuche ich mit dem Fotografen Fred Dott das Dorf Guirko, ein von dem Hirtenvolk Peul bewohntes Fleckchen in der Sahelzone. Für das dreijährige Projekt der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) vom Bundesministerium für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) erarbeiten wir Fotoporträts und Hintergrundgeschichten von Milchbetrieben in Deutschland, Europa und in Burkina Faso. Ziel ist eine mobile Fotoausstellung, die ab dem Sommer in Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen gezeigt wird.

Die Dorfgemeinschaft der Peul in Guirko ist unsere erste Station. Gerade mal vierundzwanzig Stunden haben wir den Schnee in Deutschland hinter uns gelassen. Nach einer kurzen Nacht fuhr uns ein weißer Toyota von der Hauptstadt Ouagadougou über eine rostrote Sandpiste eineinhalb Stunden lang Richtung Südwesten. Die Piste ist wenige Kilometer vor dem Dorf zu einem schmalen Pfad geworden und der Autolack quietschte unter den Sträuchern, die an ihm entlang kratzten. Dann stehe ich vor zwei Handvoll kleiner runder Lehmhütten, die ein Strohmattendach und keine Fenster haben. Die Eingänge werden mit Tüchern verschlossen. Die Sonne knallt mir ins Gesicht, schon am frühen Morgen. Mit ihrer Kraft hat sie in den letzten vier Monaten nach der Regenzeit alles Grüne von dem Land genommen. Jetzt ist die Erde hellbraun, trocken und hart. Strauch- und Buschwerk stehen zwischen großzügig verteilten Bäumen in der Landschaft.


Hände schütteln

Bunte Gewänder kommen mit einem Lächeln auf uns zu. Die Dorfgemeinschaft kennt unsere Kontaktperson Aissata Barry (40). Sie ist die Geschäftsführerin der lokalen Molkerei in der unweit gelegenen Stadt Koudougou und unsere Eintrittskarte in diese andere Welt. Das Begrüßungsritual beginnt. Unzählige Hände strecken sich mir entgegen. Von alten Menschen, von Frauen, von kleinen Kindern, von allen Dorfbewohnern, die sich zu dem Zeitpunkt in Sichtweite aufhalten. Aber nicht nur zur Begrüßung und zum Abschied werden Hände geschüttelt, auch während unseres Aufenthaltes, wenn sich beispielsweise jemand aus irgendeinem Grund mit Händedruck bedankt, dann schreiten alle anwesenden Dorfbewohner heran.

Nach der Begrüßung darf ich meine ersten Fragen stellen. Noch benommen von den vielen Eindrücken gucke ich auf meinen Fragebogen und lese: Anzahl der Kühe und Milchleistung? Der Dolmetscher schüttelt den Kopf und sagt: "So können Sie nicht beginnen. Sie müssen erst fragen, wie viele Frauen und Kinder der Dorfchef hat." Also, Souleymane Diallo hat mit seiner ersten Frau Alizeta acht Kinder. Sechs Töchter und zwei Söhne, wovon zwei Töchter und ein Sohn verheiratet sind, die zusammen wiederum zehn Kinder haben. Die verheirateten Töchter sind aus dem Dorf weggezogen, während der Sohn geblieben ist. Die Aufzeichnungen über die zweite und dritte Frau gehen detailgetreu in meinem Notizbuch weiter.

Die Rinder stehen in der Sonne. Vor mir sehe ich eine Schale mit Maiskolben. "Füttern Sie Ihren Kühen Mais?" Dieser Satz wird erst in Französisch, dann in die Peulsprache Fulfulbe übersetzt. Dort angekommen blicke ich in große erstaunte Augen. "Nein. Natürlich nicht. Den Mais essen wir selbst." Dass unsere Kühe sehr viel Mais zu fressen bekommen und zwar mit Körnern, löst ein Kopfschütteln im halben Dorf aus. Später haben mich die Frauen gefragt, was denn die Menschen in Deutschland eigentlich essen würden.

In der Trockenzeit, die von Oktober bis Juni dauern kann, gibt jede der fünfzig Kühe gerade mal einen halben Liter Milch am Tag. Das Futter reicht nicht für mehr Milchleistung, die in der Regenzeit auf drei Liter pro Tag ansteigen kann. Die Milchleistung soll verbessert werden. Diallo plant, Heu einzulagern und vermehrt Futtermittel anzubauen. Im Gespräch ist der eigene Anbau von Soja. Er hat sich Projekte im Norden des Landes angeschaut. Noch fehlt aber das Wissen und die Erfahrung für die Umsetzung. Auf die Milchleistung haben die Peul traditionell nicht geachtet. Immer stand die Fleischproduktion im Vordergrund. Dafür müssen sie mit ihren Herden durchs Land ziehen können. Das wird zunehmend schwieriger. Durch die Förderung der Baumwollproduktion für den Export werden die Flächen für die Peul, vor allem in der Regenzeit, knapper. Das wiederum führt zu Konflikten und ist mit ein Grund, warum vor wenigen Jahrzehnten auch Diallos Dorfgemeinschaft seßhaft geworden ist.


60 Liter für die Molkerei

Bis vor fünf Jahren haben die Frauen ihre Milch selbst in Koudougou verkauft. Dafür sind sie mit Milch gefüllten Kalebassen auf dem Kopf täglich mehr als zehn Kilometer pro Weg zu Fuß gelaufen, haben ihre Milch in kleinen Portionen in die Behälter der Kunden abgefüllt. Seither gibt es die kleine Molkerei "Letaid du Bulkiemdé de Burkina Lait", die mit Projektgeldern aufgebaut worden ist. Die Milch der Peul wird jetzt gesammelt und mit dem Fahrrad dorthin geliefert. Vierzig Liter verkauft die Dorfgemeinschaft in der Regenzeit an die Molkerei und nicht einen in der Trockenzeit. "Das ist auch ein Problem der Molkerei", sagt Geschäftsführerin Aissata Barry. Gerade mal 60 Liter Milch gelangen in der Trockenzeit in die Molkerei. In der Regenzeit verarbeiten die sechs Angestellten täglich 130 Liter. Ein Teil wird pasteurisiert, ein Teil zu einer Art Frischkäse verarbeitet und zu Butter, zu Joghurt oder auch zu Seife. Die Nachfrage nach heimischen Milchprodukten ist groß und kann lange nicht gedeckt werden.

Die Milch kurbelt lokale Wirtschaftskreisläufe und Bildung an. Seit drei Jahren leisten sich die Peul in Guirko eine Schule. Jedes Jahr wird zweieinhalb Monate in der Trockenzeit gelernt. "Die Peul haben erkannt, wie wichtig Schulbildung ist und schicken seither auch ihre Kinder in die Schule", beobachtet Pater Göpfert. Da unser Besuch im Peuldorf auf ein Wochenende fiel, simulierten die Bewohner für ein Foto den Schulunterricht.


Ab Juni kann die mobile Fotoausstellung "Gesichter und Geschichten hinter der Milch" ausgeliehen werden.
Infos: thomsen@abl-ev.de


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Quelle:
Unabhängige Bauernstimme, Nr. 331 - März 2010, S. 14
Herausgeber: Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft - Bauernblatt e.V.
Bahnhofstr. 31, 59065 Hamm
Telefon: 02381/49 22 20, Fax: 02381/49 22 21
E-Mail: redaktion@bauernstimme.de
Internet: www.bauernstimme.de

Erscheinungsweise: monatlich (11 x jährlich)
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Abonnementpreis: 36,00 Euro jährlich
(verbilligt auf Antrag 26,00 Euro jährlich)


veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Mai 2010