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AFRIKA/1422: Angola - Rückenwind für Kleinbäuerliche Landwirtschaft (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 1, Januar/Februar 2018

Rückenwind für Kleinbäuerliche Landwirtschaft
Der Diskurs von Angolas neuem Präsidenten ermutigt Landorganisationen

von Petra Aschoff


Nach über einem Jahr reise ich wieder in Angola, besuche Partnerorganisationen und bin gespannt: Im August vergangenen Jahres gab es Nationalwahlen. Die seit der Unabhängigkeit 1975 regierende MPLA errang erwartungsgemäß eine Mehrheit. Die Oppositionsparteien berichten über Wahlbetrug. Die große Veränderung kam durch den Rückzug von Eduardo dos Santos als Staatspräsident. Ich bin gespannt, was ich hören und sehen werde.

Von Luanda aus geht es nach Osten in die Provinz Moxico. Das Projekt des Lutherischen Weltbundes Angola arbeitet in drei Distrikten, klärt über aktuelles Landrecht auf und begleitet Dorfgemeinschaften, die durch Landgrabbing - vorwiegend durch angolanische Akteure - Land verloren haben, dabei, ihre Rechte einzufordern. Neben beeindruckenden Gesprächen in den Dörfern, Theater-Szenen, die die oft absurde Bürokratie sichtbar machen, die mit der Erlangung der Landtitel durchlaufen werden muss, höre ich im Provinz-Meeting zum ersten Mal von der Antrittsrede des neuen Präsidenten João Lourenço, in der er die Bedeutung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft und die notwendige Sicherung der Landtitel hervorhob. Interessant.

Beim Besuch von Diamanten-Abbaugebieten sehe ich andere spannende Dinge, aber es bleibt wenig Zeit für den Land-Aspekt. Anders in der Provinz Huila: Auf der nationalen Versammlung von Gemeindevertreterinnen und -vertretern, das die Nichtregierungsorganisation ADRA (Acção para o Desenvolvimento Rural e Ambiental) organisierte und an dem 245 Delegierte aus sieben Provinzen teilnehmen, wird der Diskurs erwähnt, spielt aber noch keine herausragende Rolle. Bei anschließenden Besuchen in verschiedenen Dörfern der beiden Projekte von ADRA-Huila wird es aber sehr konkret. Der Projektleiter ist einer der wenigen, die im Verfahren der "Partizipativen Demarkierung von Gemeindeland" ausgebildet sind. Die FAQ hat ihn deshalb gebeten, eine Schulung durchzuführen, um Verwaltungsangestellte, Sobas (die traditionellen Autoritäten, die vielfach bei Landkonflikten zwischen Familien oder zwischen Dörfern vermitteln), NRO-Mitarbeitende und betroffene Dorfbewohnerinnen und -bewohner mit der Methode vertraut zu machen.

Dies Problem zeigte sich nämlich schon in Moxico: Zwar haben die Dörfer grundsätzlich das Recht, ihr Gemeindeland kostenfrei registrieren zu lassen, aber die Mitarbeitenden des IGCA (Instituto Geográfico e Cadastral de Angola) auf Provinzebene kennen das Verfahren nicht, und haben auch kein Budget für die Durchführung. Die FAO scheint rasch zu intervenieren, um den Aufbau der notwendigen Kapazitäten voran zu bringen.

Der Koordinator von ADRA-Huila brachte ein Dorf ins Gespräch, das sich bereits sehr aktiv um seine Belange kümmert, und so wurde die seit langem erste partizipative Landvermessung in Giraúl im Distrikt Qualuquembe durchgeführt. Bis zur Ausstellung aller Dokumente wird es wohl ein paar Monate dauern, aber dann wird der Provinz-Gouverneur den Titel eigenhändig an die Dorfgemeinschaft überreichen. So ein Ereignis wird von den offiziellen Medien aufgenommen und kommt einer PR-Aktion gleich - wenn denn alles gut geht. Und ADRA benannte drei weitere Dörfer, in denen diese Prozesse im Rahmen weiterer Trainings durchgeführt werden.

Für die Dörfer bedeutet dieses Verfahren, dass nicht nur das Ackerland der Familien, ihre Weideflächen, Friedhöfe und Wälder einbezogen werden, sondern auch alles Land, das von den Dörfern "kulturell" genutzt wird - und diese Definition unterliegt einer weiten Deutung. Anders als beim DUAT (Direito de Uso e Aproveitamento das Terras) müssen die Dörfer nicht nach den obligatorischen drei Jahren die landwirtschaftliche Nutzung dieser Flächen nachweisen. Sie unterliegen also nicht der Möglichkeit, das Land zu verlieren, wenn sie es nicht bearbeiten, wie es bei den Flächen mit DUAT, für die die Kooperativen optieren, vorgeschrieben ist. Die Dorfflächen gehören im Unterschied zum Kooperativenland zu einer anderen staatlichen Land-Kategorie. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Staat diese Leistung erbringen muss und sie bis auf eine geringe Gebühr kostenfrei ist, was allerdings beim derzeitigen Abbau staatlicher Leistungen auch ein Problem bleiben könnte.

Wichtig ist, dass sich Mitarbeitende der Distrikt- und Provinzbehörden durch den Diskurs des Präsidenten eingeladen fühlen, den Dörfern und Kooperativen bei der Sicherung ihrer Landtitel bzw. ihrer Nutzungsrechte zu helfen. Nicht alle, aber diejenigen, die die Ungerechtigkeiten der bisherigen Praxis verändern wollen, und die gibt es auch.

Zurück in Luanda führen wir mit NRO Diskussionen, ob der neue Präsident eine wirkliche Transformation bewirkt - da war noch große Skepsis. Aber die NRO, die in ländlichen Regionen und zu diesen Themen arbeiten, nutzen den Rückenwind des präsidialen Diskurses, um ihre Arbeit für die Rechte der kleinbäuerlichen Familien und der Dörfer voranzubringen und die Gunst der Stunde zu nutzen.


Die Autorin ist Referentin für Angola und Mosambik bei Brot für die Welt, Berlin


Landrecht in Angola

Das Eigentum am Land liegt beim Staat. Aber es gibt verschiedene Nutzungskategorien:

1. Terra do Dominio Privada do Estado (Privatland des Staates)
2. Terra do Dominio Publico do Estado (Öffentliches Land des Staates)
3. Terra Rural Comunitário (Kommunales Land)
Zur 1. Kategorie gehören
a.) die Flächen der Städte jetzt und zukünftig (Terrenos Urbanas)
b.) die Flächen, auf denen der Staat Nutzungsgenehmigungen vergeben kann, z.B. für Land- und Forstwirtschaft, für Infrastrukturprojekte und sonstiges (DUAT - Direito ao Uso e Aproveitamento da Terra)

Das Land der Kategorien zwei und drei ist geschützt, nicht verteilbar (Não Consediveis). In die Kategorie drei fallen die Flächen der Dörfer. Quer zum Landrecht hat der Staat aber auch das Recht, Flächen für staatliche Interessen zu nutzen. Werden Bodenschätze gefunden, wiegt das staatliche Recht zur Ausbeutung höher als das Landrecht der Gemeinden. Diese Bestimmung kommt in den Diamanten-Regionen zum Tragen. Hier müssen die Gemeinden entschädigt werden.

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Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
46. Jahrgang, Nr. 1, Januar/Februar 2018, S. 27-28
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Juni 2018

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