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AFRIKA/1226: Somalia - Der stärkste Klan regiert die Südprovinzen, Kritik an Juba-Abkommen (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. September 2013

Somalia: Der stärkste Klan regiert die Südprovinzen - Kritik an Juba-Abkommen

von Ahmed Osman


Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Milizenführer Ahmed Mohamed Islam alias Sheikh Madobe hat sich zum Präsidenten von Jubaland ernannt
Bild: © Abdurrahman Warsameh/IPS

Mogadishu, 3. September (IPS) - Somalische Klanführer haben das Abkommen vom 27. August zwischen der Regierung und einigen handverlesenen Führern der drei Südregionen als unvollkommen bezeichnet. Die Übereinkunft, die den Machtkämpfen in der Region ein Ende bereiten soll, hält ihrer Meinung nach mehr Probleme als Lösungen bereit.

"Das Abkommen kommt den Forderungen eines einzigen Klans entgegen, indem es der Ras-Kamboni-Miliz das Recht zugesteht, die lokalen Gemeinschaften zu kontrollieren. Und das nur, weil sie die größten Gewehre besitzt", sagt Mohamed Hassan, ein älterer Klanchef in der südsomalischen Hafenstadt Kismayo, gegenüber IPS. "Das ist sicher nicht günstig."

Nach der Vertreibung der islamistischen 'Al-Shabaab'-Miliz im letzten Jahr waren die somalische Regierung und die Ras Kamboni in der Frage, wer die südlichen Gebiete kontrollieren soll, zerstritten.

Am 15. Mai hatte Ras Kamboni Ahmed Mohamed Islam, besser bekannt als Sheikh Madobe, zum neuen Klanchef und Präsidenten des von ihr zum autonomen Staat erklärten Jubaland ernannt - mit Kismayo als Hauptstadt. Die somalische Regierung hatte jedoch die Anerkennung des aus den drei Südregionen Gedo, Unteres Juba und Mittleres Juba bestehenden Jubalandes verweigert.

Im Juni kam es dann zu bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen den Ras-Kamboni-Kämpfern und lokalen Klans, die Madobes Herrschaft ablehnen. Die Weltgesundheitsorganisation berichtete, dass die Kämpfe mehr als 70 Menschen das Leben gekostet haben. Hunderte wurden verletzt.


Klan-Diversität bleibt unberücksichtigt

Hassan zufolge geht das Juba-Abkommen, das in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba unterzeichnet wurde, nicht auf die Kernproblematik des Konflikts ein. Es werde deshalb den Menschen in der Region eine noch ungewissere Zukunft bringen.

Das Abkommen sieht eine zweijährige Interimsverwaltung vor, an der Führer der drei südlichen Bundesstaaten mit dem Ziel beteiligt sind, die föderalen Institutionen einschließlich der Infrastrukturen zu verwalten. Zu diesen Infrastrukturen gehören auch der Flug- und der Seehafen, die beiden wichtigsten Einnahmequellen der Regionen Gedo, Unteres Juba und Mittleres Juba. Der Vertrag sieht ferner die Integration der lokalen Milizionäre in die Nationale Armee Somalias vor und ruft zur Versöhnung und zu vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen den Gemeinschaften der Regionen auf.

Bild: © Ahmed Osman/IPS

Ein somalischer Soldat, der an einer Straße in der südlichen Hafenstadt Kismayo patrouilliert
Bild: © Ahmed Osman/IPS

Doch Hasan hält die 'Ein-Klan-Hegonomie" über die südsomalischen Regionen für einen Fehler. "Einem Klan die Macht über alle anderen zu verleihen, wird den Konflikt nur verlängern. Ich appelliere deshalb an die somalische Regierung und die internationale Gemeinschaft, das sogenannte Abkommen zu annullieren und für eine wirkliche Aussöhnung der Klans zu sorgen", sagt er.

"Wir wünschen uns Frieden und Brüderlichkeit und lehnen die Legalisierung des Klantums ab. Wir werden nichts anderes akzeptieren als Gerechtigkeit, Gleichheit und Respekt allen gegenüber."

Yusuf Omar, ein politischer Wissenschaftler und unabhängiger Analyst aus Kismayo, weist darauf hin, dass die meisten lokalen Klans zu den Gesprächen nicht eingeladen waren, die zur Unterzeichnung des Abkommens vom 27. August führten. "Wir haben es hier nicht mit einem Konflikt zwischen der Regierung einerseits und einem Klan andererseits zu tun, sondern es geht um einen Streit zwischen lokalen Gemeinschaften über die Zukunft der Provinzen. Die meisten dieser Gemeinschaften waren bei den Verhandlungen nicht zugegen."

Während die verschiedenen Klanführer der Meinung sind, dass sich durch die Übereinkunft wenig an der derzeitigen Situation ändern wird, pochen die somalische Regierung und die Ras-Kamboni-Führer darauf, dass die neue Interimsverwaltung ein inklusives und alle Klans und Wahlkreise gleichermaßen repräsentierendes Gebilde sei.


Repräsentanz nicht gewährleistet

Doch auch die unabhängige somalische Denkfabrik, das 'Heritage Institute for Policy Studies' (HIPS), kritisiert das Abkommen als willkürliches und vages Konstrukt. "In Abwesenheit von verlässlichen Bevölkerungszahlen und einem jüngsten Zensus ist eine akkurate Verteilung der Sitze unter den Klans nicht möglich. Doch steht die Frage der Repräsentanz im Vordergrund des politischen Konflikts", warnt HIPS in einem Bericht mit dem Titel 'Das Juba-Abkommen: Ein unvollkommener Fortschritt'.

Kulmiye Yusuf, ein weiterer Experte aus Kismayo, schließt sich dieser Einschätzung an. So vage, wie das Abkommen formuliert sei, werde es bei der Umsetzung weitere Probleme nach sich ziehen, meint er. Allerdings sieht er in dem Deal die Chance eines Neubeginns für die Beziehungen zwischen der Regierung und dem selbst ernannten Präsident von Jubaland, Madobe. "Immerhin kann der Versöhnungsprozess zwischen den lokalen Gemeinschaften jetzt losgehen." (Ende/IPS/kb/2013)


Links:

http://hiiraan.com/news4/2013/Aug/40895/agreement_between_the_federal_government_of_somalia_and_jubba_delegation.aspx
http://www.heritageinstitute.org/
http://www.ipsnews.net/2013/09/biggest-guns-to-control-somalias-south/

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IPS-Tagesdienst vom 3. September 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. September 2013