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AFRIKA/1129: Südafrika - Gewerkschaften im Visier (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2012

Gewerkschaften im Visier
Die demokratisache Allianz fordert Lohnsubventionen

von Hein Möllers



Junge Arbeitslose sollen so bessere Chancen auf dem Arbeitsmarkt bekommen. Die Gewerkschaften sind strikt dagegen. Sie stoppten gewaltsam eine Demonstration der DA zum Gewerkschaftshaus in Johannesburg.


Die Demokratische Allianz (DA) rief zum 15. Mai 2012 zu einem Marsch auf das Haus des Gewerkschaftsverbandes Cosatu in Johannesburg auf.

Zwei- bis Dreitausend folgten dem Aufruf. Am Marsch nahmen viele schwarze jugendliche Arbeitslose teil. Manche Beobachter sprechen von einer Mehrheit unter den Teilnehmern. Die offizielle Arbeitslosenrate beträgt 24 Prozent, bei Jugendlichen von 15 bis 24 findet jeder zweite keine Arbeit. Die DA ist die größte Oppositionspartei in Südafrika und genießt nach der südafrikanischen Verfassung den Status der offiziellen Opposition.

Die DA gilt gemeinhin als Partei, die die Interessen der weißen Mittel- und Oberschicht sowie der Wirtschaft vertritt. Mitglieder des Congress of South African Trade Unions (Cosatu) stellten sich dem Marsch entgegen und stoppten ihn an der Nelson-Mandela-Brücke. Die DA wirft der Polizei vor, sich auf die Seite Cosatus gestellt und die DA-Mitglieder mit Gummigeschossen zurückgeschlagen zu haben. Teilnehmer des Marsches berichteten, sie seien von der DA gedrängt worden, Strafanzeige gegen einzelne Cosatu-Mitglieder, die an der Gegenaktion beteiligt waren, zu stellen.

Die Forderung nach Lohnsubventionen für Jugendliche ist nicht neu und auch keine genuine Forderung der DA. Bereits der ehemalige Staatspräsident Thabo Mbeki hatte sich mehrfach für eine Subvention ausgesprochen. Auch weite Teile der heutigen Regierung - auch der heutige Staatspräsident Jacob Zuma - befürworten Lohnsubventionen bei der Einstellung von jugendlichen Arbeitslosen. Bei zwei Mitgliedern der Dreierallianz der Regierung, beim ANC und bei der kommunistischen Partei SACP, findet die Idee breite Zustimmung. Finanzminister Pravin Gordhan hat dementsprechend die veranschlagten Kosten von rund 5 Mrd. Rand (etwa 500 Mio. Euro) in den laufenden Haushalt eingestellt. Lediglich der dritte Partner der Allianz, der Gewerkschaftsverband Cosatu, stellt sich quer.

Insofern sind die Forderungen der DA, denen mit dem Marsch ein publikumswirksames Zeichen gesetzt wurde, ein geschickt angesetzter Keil in die Dreierallianz. Sie selbst präsentiert sich dabei als Sachwalterin der Zukurzgekommenen. Die DA hat es überdies verstanden, den gewaltsamen Stopp des Marsches propagandistisch zu nutzen. "Jeder in Südafrika weiß nun, dass die DA für die Arbeitslosen eintritt, während Cosatu stattdessen deren Interessen notfalls auch gewalttätig bekämpft", zitierte DA-Vorsitzende Helen Zille wenige Tage nach den Marsch den Reportern in die Notizblöcke. Und sie rechnete vor, dass über Lohnsubventionen für jugendliche Berufsanfänger 423.000 Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Was sie nicht sagte: Diese Zahl entnahm sie den Berechnungen des Finanzministeriums, das auf dieser Grundlage die möglichen Kosten berechnet und in den Haushalt eingestellt hat.

Doch aus welchen Gründen stemmt sich die Gewerkschaft einer solchen Subvention so vehement entgegen? Die zentrale Forderung von Cosatu an die Regierung lautet: Schafft mehr Arbeitsplätze. Eine Lohnsubvention an bestimmte Gruppen lehnt sie dabei ab. Zum einem sieht sie in solchen staatlichen Zuschüssen einen Finanztransfer an die Unternehmen, zum anderen fürchtet sie ein gespaltenes Lohnsystem, in dem die Unternehmer dann nach eigenem Vorteil spielen könnten. Konkret drohe den älteren Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen ein höheres Kündigungsrisiko, wenn Arbeitsplätze für Jüngere subventioniert würden.

Die DA wendet gegen diese Vorbehalte ein, Subventionen sollten nur an Firmen vergeben werden, die nachweislich ihre Belegschaft ausweiten. Cosatu weist das als heuchlerisch zurück. Denn gleichzeitig fordere die DA eine Lockerung des Kündigungsschutzes und einen Verzicht auf Lohnerhöhungen in tarifgebundenen Arbeiten, nicht aber in den mittleren und höheren Führungsebenen der Unternehmen.

Kein Wunder, dass Cosatu massiv und direkt reagierte. Die inhaltliche Auseinandersetzung blieb dabei jedoch auf der Strecke. Platte Rassismusvorwürfe reichen nicht, die perspektivlosen Jugendlichen auf Seite der Gewerkschaft zu halten. Der Cosatu-Generalsekretär hat die Gefahr erkannt, wenn er anmerkte, die DA beute die Verzweiflung der am meisten Marginalisierten aus. Doch niemand solle glauben, die "Tausenden von schwarzen Anhängern der DA" unterstützten nur die "weiße Madame" Helen Zille. Ein Mensch mit leerem "Magen kümmert sich nicht um Ideologie, um Logik und Rationalität - er ist verzweifelt."

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afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
41. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2012, S. 16
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2012