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AFRIKA/1059: Armut in den Trockengebieten, Experten fordern Hilfen für Hirtennomaden (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2011

Afrika: Armut in den Trockengebieten - Experten fordern Hilfen für Hirtennomaden

von Stephen Leahy


Changwon, Südkorea, 24.. November (IPS) - Seit Jahrtausenden haben die Menschen am Horn von Afrika mit der Dürre gelebt. Heute hungern mehr als 13 Millionen Einwohner der Region vor allem deshalb, weil die Regierungen ihrer Länder instabil sind.

Teilnehmer der Konferenz der Vertragsstaaten der UN-Konvention gegen Wüstenbildung kritisierten auf ihrem soeben zu Ende gegangenen Treffen im südkoreanischen Changwon, dass diese Staaten zu wenig in die Hungerbekämpfung investierten. 2,5 Milliarden US-Dollar an humanitärer Hilfe wären demnach notwendig, um die verheerenden Hungersnöte in Teilen von Dschibuti, Äthiopien, Kenia und Somalia zu lindern.

Weltweit sind zwei Milliarden Menschen in Trockengebieten heimisch. Mehr als die Hälfte von ihnen lebt in absoluter Armut, wie Anne Juepner vom 'Drylands Development Centre' des UN-Entwicklungsprogramms UNDP in der kenianischen Hauptstadt Nairobi erklärte. "Trockenzonen sind kein Ödland, wie oft angenommen wird. Mehr als die Hälfte der Rinder, Schafe, Ziegen und das meiste Getreide auf der Welt sind in solchen Gebieten anzutreffen", sagte Juepner IPS am Rande der COP 10-Konferenz in Changwon.

Die Expertin stellte in Changwon den Bericht 'The Forgotten Billion' vor, der auf die verbreitete Armut in den sich über ein Drittel der Erde erstreckenden Trockengebieten aufmerksam macht. Darunter fallen etwa die 'Great Plains' in Nordamerika, die argentinische Pampa sowie die Weizenanbauregionen in der Ukraine und in Kasachstan. Auch große Städte wie Los Angeles, Mexiko-Stadt, Neu Delhi, Kairo und Peking liegen in trockenen Zonen.

Ein Großteil Nordamerikas besteht aus Trockengebieten, in denen sich die Qualität der Böden immer weiter verschlechtert. Die ärmsten Menschen sind allerdings in den wasserarmen Gebieten in Entwicklungsländern zu finden. Laut Juepner werden sie häufig von den Regierungen ihrer Länder und von den Entwicklungshilfeorganisationen außer Acht gelassen.


Vom Menschen gemachte Probleme

Tausende Jahre lang haben Menschen in den Trockengebieten mit Müh und Not überleben können. Wenn Regierungen Grenzen ziehen, Naturschutzgebiete einrichten oder Siedlungen anlegen, kann eine Dürre die Anwohner in große Not bringen, wenn beispielsweise nicht mehr genug Weideflächen für Nutztiere übrig bleiben. Regierungen investieren in diesen armen Regionen zumeist nur wenig in den Bau von Straßen und Schulen. Wie Juepner anmerkte, halten sich auch Entwicklungshilfeinstitutionen und Geber dort mit Investitionen zurück.

Eine Reihe von Dürren hat etwa Kenia hart getroffen. Ein Neustart ohne Hilfe von außen scheint fast unmöglich. "Gezielte kleinere Investitionen können betroffenen Gemeinden dabei helfen, sich wieder zu erholen", sagte die Expertin. Ein solches UNDP-Projekt hilft dem Volk der Turkana im Nordwesten Kenias dabei, aus Aloe Vera-Pflanzen Seife herzustellen, die auf lokalen Märkten gefragt ist. Laut Juepner können schon solche geringen Investitionen wirkungsvoll Krisen verhindern. Ein Teil der beträchtlichen Summe von 2,5 Milliarden Dollar für Katastrophenhilfe am Horn von Afrika müsse in derartige Projekte gesteckt werden, die den Gemeinden eine Anpassung an die neuen Lebensumstände ermögliche, forderte sie.

Das Dasein von Hirten gilt oft als rückwärtsgewandte oder hoch riskante Lebensform. Nomaden wird häufig vorgeworfen, durch das Weiden ihrer Tiere Land zu schädigen. Neuere Forschungen zeigen jedoch, dass sich die Trockengebiete an Nutztiere angepasst haben und sogar leiden, wenn die die Tiere ausbleiben. "Geschädigte Böden erholen sich besser, wenn die richtige Anzahl von Tieren dort weidet", sagte Juepner.

Hirtennomaden könnten dazu beitragen, die Krise zu überwinden, meinte Pablo Manzano, der globale Koordinator der 'World Initiative for Sustainable Pastoralism'. Die wandernden Hirten seien besser in der Lage, sich unterschiedlichen Regenzeiten und Klimaveränderungen anzupassen. In Tausenden Jahren hätten sich die Menschen somit bereits an das Verhalten wild lebender Tiere angepasst.

"Künstlich bewässerte Felder anzulegen, ist teuer und kein Allheilmittel gegen die Nahrungsknappheit in Trockengebieten", sagte Manzano. Die Bewässerungssysteme strapazierten die Wasserquellen und führten zu Konflikten mit den Hirten.


Landtitel für Hirten

Manzano rät deshalb dazu, den Hirten Landtitel zu geben. Damit werde eine der Voraussetzungen für eine gute Bewirtschaftung der Flächen geschaffen. Politische Grenzen stellten willkürliche Hürden auf, kritisierte er. "Am Horn von Afrika verläuft keine einzige Grenze entlang der kulturellen und ökologischen Linien." Nach Ansicht des Entwicklungsexperten sollten langfristig angelegte Hilfsstrategien den Hirten ermöglichen, ihr Vieh diesseits und jenseits der von Menschen errichteten Grenzen zu weiden.

Hungersnöte sieht Manzano eng mit politischen Unruhen verbunden. Die derzeitige Krise am Horn von Afrika sei bereits vor einem Jahr absehbar gewesen, sagte er. Der politische Konflikt in Somalia sei der Hauptgrund dafür, dass vier Millionen Menschen dort in einer verzweifelten Lage seien.

"Die Krisen am Horn von Afrika dauern seit 20 Jahren an", sagte der Präsident des Weltkinderhilfswerks UNICEF in Kanada, David Morley. "Wir müssen deshalb unsere Arbeitsweise ändern." Um dürrebedingte Hungersnöte zu verhindern, müsse man in die Entwicklung kleiner Unternehmen investieren, die den Hirten ein zusätzliches Einkommen sichern könnten. Sie bräuchten zudem flexiblen Schulunterricht, eine dezentralisierte Gesundheitsversorgung und eine lokale Verwaltung von Wasserstellen. (Ende/IPS/ck/2011)


Links:
http://www.undp.org/drylands/
http://www.undp.org/drylands/docs/Forgotten_Billion.pdf
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=105563

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 24. Oktober 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 25. Oktober 2011