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AFRIKA/1052: Côte d'Ivoire - Mit Reformen zur geeinten Armee, Vertrauen in Armee und Polizei fehlt (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2011

Côte d'Ivoire: Mit Reformen zur geeinten Armee - Vertrauen in Armee und Polizei fehlt

von Grit Porsch


Abidjan, 11. Oktober (IPS)) - Nach den brutalen politischen Machtkämpfen in Côte d'Ivoire sitzt das Misstrauen der Bevölkerung gegen Armee und Polizei tief. Angesichts der in vielen Regionen herrschenden Unsicherheit will Staatspräsident Alassane Ouattara nun mit Reformen versuchen, das miserable Ansehen der Sicherheitskräfte aufzupolieren, die verfeindeten Truppenteile miteinander zu versöhnen und sie zu einer nationalen Armee zu einen.

Zunächst wird die ivorische Armee umbenannt. Aus der von Ouattara im März verordneten Bezeichnung 'Republikanische Kräfte Côte d'Ivoires' (FRCI) werden wieder die 'Nationalen Streitkräfte Côte d'Ivoires' (FANCI). Die Reformpläne sehen weiter vor, bis Ende des Jahres 10.000 Soldaten zu entlassen, die Ausbildung der Soldaten zu verbessern und die vorhandenen Militärposten umzustrukturieren.

Nach Angaben von Sicherheitsexperten soll sich FANCI aus 29.000 ehemaligen Angehörigen der 'Verteidigungs- und Sicherheitskräfte' (FDS) des abgewählten ehemaligen Präsidenten Laurent Gbagbo sowie aus 9.000 ehemaligen Kämpfern der nordivorischen 'Neuen Kräfte (FN) und aus 2.000 Freiwilligen zusammensetzen.


Versetzungen

Zudem ist vorgesehen, regionale FRCI-Kommandeure von ihren Truppen zu trennen und auf andere Posten zu versetzen, um ihren militärischen Einfluss zu verringern. Dennoch bleiben Spannungen bestehen. So kam Ende September ein Soldat ums Leben, als Gefolgsleute von zwei verschiedenen Regionalkommandeuren in Abidjan im Stadtviertel Yopougon aneinander gerieten.

"Mit manchen Kommandeuren können wir einfach nicht länger zusammenarbeiten", kommentierte der ivorische Verteidigungsminister Paul Koffi Koffi den Vorfall. "Es ist unsere Aufgabe, vor allem die jungen Soldaten so zu erziehen, dass sie ihr Verhalten ändern."

Analysten wie Gilles Yabi, der westafrikanische Vertreter der Internationalen Krisengruppe (ICG) bezweifeln den Erfolg des Reformkonzeptes. "Das Misstrauen der Bevölkerung gegenüber den Soldaten der FRCI ist überwältigend. Hielten sich am Ende des Krieges noch Vertrauen und Misstrauen die Waage, so überwiegt inzwischen weithin das Misstrauen", stellte er fest. Andere betonen, Ouattara bleibe wenig Spielraum, um die FRCI entscheidend umzustrukturieren. Schließlich verdanke er es vor allem ihnen, dass er an die Macht kam.

Das Monate lange politische Patt zwischen Ouattara, der von den Vereinten Nationen als Gewinner der Stichwahl vom 28. November letzten Jahres anerkannt worden war, und dem damaligen Präsidenten Gbagbo, der die Macht jedoch nicht abgeben wollte, hatte zahlreiche Menschenrechtsverbrechen zur Folge. Ouattara ist seit Mai im Amt, nachdem die Truppen seines Widersachers mit internationaler Hilfe zurückgedrängt wurden und Gbagbo selbst festgenommen werden konnte.

Viele Bewohner der Millionen-Metropole Abidjan lasten den während der Kämpfe um Abidjan bis zu 30.000 eingesetzten unausgebildeten Freiwilligenmilizen Verbrechen und Plünderungen an. "Die meisten sind nichts weiter als Banditen", klagte Yvette N. gegenüber dem UN-Nachrichtendienst IRIN. Die Hausfrau aus dem Stadtteil Attoban im Norden Abidjans ist überzeugt: "Auch wenn sie hier derzeit weniger gewalttätig auftreten, fühle ich mich unsicher, wenn mir einer von ihnen über den Weg läuft."

Zuversichtlicher zeigt sich Guillaume Ngefa, der Direktor der Menschenrechtsbüros der UN-Mission in Côte d'Ivoire (UNOCI). Abidjan sei sicherer geworden, auf den Straßen gebe es weniger FRCI-Patrouillen und seltener Meldungen über Plünderungen und räuberische Erpressungen, berichtete er.


Lage im Westen weiterhin unsicher

Besonders im Westen des Landes bleibt die Unsicherheit groß. UNOCI registrierte hier zwischen Mitte Juli und Mitte August 26 Tötungsdelikte von FRCI-Soldaten. Nach Ansicht von Sicherheitsexperten muss vor allem die Polizei gestärkt werden, wenn sich die Sicherheitslage der Bevölkerung entscheidend verbessern soll. Immerhin hätten die Soldaten in Abidjan die von ihnen während der Kämpfe besetzten Polizeikasernen geräumt und den Polizeikräften, die in großer Zahl geflohen waren, wieder überlassen, erklärte der Verteidigungsminister.

Ein auf Anonymität bestehender afrikanischer Diplomat berichtete, in Abidjan seien FRCI-Soldaten und Polizisten gemeinsam auf Patrouillen unterwegs. "Es sieht so aus, als seien die Gewinner der Schlacht zwar damit einverstanden, mit den Verlierern zusammenzuarbeiten, doch dabei kontrollieren sie jeden ihrer Schritte."

Ohne einen ausgewogenen Umgang mit den während der vergangenen Monate begangenen Gewalttaten werde es für Präsident Ouattara schwierig, im eigenen Land sowie international an Glaubwürdigkeit zu gewinnen, meinte Yabi. Während inzwischen gegen 58 ehemalige Angehörige von Gbagbos FDS Ermittlungsverfahren wegen Kriegsverbrechen eingeleitet wurden, blieben die für Ouattara kämpfenden FRCI-Truppen bislang unbehelligt. (Ende/IPS/mp/2011)


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http://www.unhcr.org/refworld/docid/4e818a1b2.html
http://www.irinnews.org/report.aspx?reportid=93886

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Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 11. Oktober 2011
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veröffentlicht im Schattenblick zum 12. Oktober 2011