Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → AUSLAND

AFRIKA/1029: Simbabwe - Hilflose Vermittlung (afrika süd)


afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
Nr. 3, Mai/Juni 2011

Hilflose Vermittlung
AU, SADC und der Fall Simbabwe

von International Crisis Group


Die Afrikanische Union, die SADC und Südafrika als Vermittler haben sich bislang als unfähig erwiesen, die Krise in Simbabwe lösen zu helfen. Ein Kommuniqué der SADC-Troika vom 31. März 2011, dass die Regionalgemeinschaft stärker in die Pflicht nimmt, hat die Zanu-PF verstört und könnte ein erster Schritt für mehr Handlungsfähigkeit der SADC im Simbabwe-Konflikt sein.


Im General Political Agreement (GPA) vom September 2009 ist vertraglich festgelegt, dass die "Umsetzung des Abkommens vom Vermittler, der SADC und der AU, garantiert und unterschrieben werden soll". Die Zanu-PF und beide Fraktionen der MDC sollen zudem "kontinuierlich die Effektivität und alles, was das Funktionieren der gemeinsamen Regierung im Rahmen dieser Übereinkunft betrifft, in Abstimmung mit den Garantiemächten überwachen". Südafrikas Staatspräsident Jacob Zuma wurde zum Vermittler berufen und berichtet der SADC, die die Berichte an die AU weiterleitet. Die vielfachen Verletzungen des Abkommens und seine mangelhafte Umsetzung haben grundsätzlich die Frage aufgeworfen, was hier Garantien und Unterschriften tatsächlich bedeuten und wie überhaupt das Funktionieren der Regierung kontrolliert wird.

In den 30 Monaten seit Abschluss des GPA haben MDC und Gruppen aus der Zivilgesellschaft ständig auf Verstöße gegen das Abkommen vor allem durch die Zanu-PF hingewiesen. Dabei wurde eine direkte Intervention der SADC gefordert. Bis zum Kommuniqué vom 31. März 2011 haben weder der Vermittler noch die SADC darauf öffentlich reagiert. Dadurch entstand der Eindruck, sie seien gegenüber den Verstößen der Zanu-PF blind. Die Zanu-PF versuchte einer ernsthaften Auseinandersetzung mit den Vorwürfen aus dem Wege zu gehen und forderte stattdessen die SADC und die AU auf, sich für eine Aufhebung der Sanktionen einzusetzen. In beidem hatte sie Erfolg. Damit wuchsen die Bedenken über die selektive Wahrnehmung der Garantiemächte.


Vermittler Zuma sind die Hände gebunden

Als Jacob Zuma seinen Vorgänger Thabo Mbeki als Vermittler ablöste, wuchs die Hoffnung, er würde energischer auf eine Umsetzung des GPA drängen und einen härteren Standpunkt gegen Mugabe einnehmen. Im Januar 2009 schien ein Durchbruch möglich, als die SADC Mugabe zur Annahme eines Zeitplans für die Bildung einer gemeinsamen Regierung bringen konnte. Das wurde als Fortschritt gefeiert, dabei war es nicht mehr als die überfällige Erfüllung des Abkommens und bewies Mugabes Meisterschaft, die Agenda immer zu seinen Gunsten zu bestimmen. Durch selektive Verstöße gegen Abmachungen des GPA lenkte er die Aufmerksamkeit von der Umsetzung ab auf lange, gewundene Verhandlungen über offene Fragen und auch klare Verstöße. Die MDC konnte da nur reagieren und keine eigene Agenda entwickeln.

Präsident Zuma schien in seiner Vermittlerrolle gegen diese Machenschaften hilflos. Es ist nicht zu sehen, dass es überhaupt eine kohärente Basis für diese Aufgabe gab. Denn sie hing im Wesentlichen von den verschiedenen simbabwischen Unterhändlern ab wie auch davon, wie sich die Strukturen zur Umsetzung des GPA konkret entwickelten.

Wenn diese nicht arbeitsfähig sind - und es zeigte sich, dass sie es nicht waren -, dann hat eine Vermittlung kaum eine Ansatzmöglichkeit.

Sydney Mufamadi, der im Team von Mbeki mit die Grundlagen für das GPA erarbeitete, wurde auf einer Veranstaltung in Harare im Juni 2009 gefragt, warum die Garantiemächte nicht mehr für die Durchsetzung des Abkommens täten. Mufamadi wies darauf hin, dass die Menschen in Simbabwe die eigentlichen Wächter über die Einhaltung des GPA seien. Sie müssten sich ganz nüchtern darüber klar werden, was die SADC unter den waltenden Umständen erreichen könnte. Ihre Einwirkungsmöglichkeiten seien begrenzt.

Ende 2009 machten die Medien angesichts der zahlreichen Verstöße gegen das GPA die SADC als das Hauptproblem aus. Sie ignoriere penetrant die Beschwerden der MDC-T und habe sich einseitig auf die Seite Mugabes geschlagen. Dieser Vorstoß hat maßgeblich zum Rückzug Tsvangirais aus der Regierung im November 2009 beigetragen. Angesichts mangelnder Alternativen kam er bald zurück. Es folgten acht Monate Verhandlungen, in denen in einer Reihe von Einzelpunkten Einvernehmen erzielt werden konnte. Die kritischen Punkte blieben jedoch ausgespart. Die Unterhändler der SADC waren nicht in der Lage, hier die Blockaden zu lösen.

Im Oktober 2010 erhielten erstmals zivilgesellschaftliche Gruppen die Möglichkeit, direkt mit den SADC-Vermittlern zu reden. Sie wurden abschlägig beschieden: Die Vermittler handelten aufgrund eines Mandates der SADC und seien nicht befugt, mit nicht-staatlichen Akteuren in einen Dialog zu treten: man habe zudem strikt neutral zu sein.

Immerhin hat sich die Zivilgesellschaft damit erstmals direkt eingemischt. Es stellt sich allerdings die Frage, ob Gewicht und Sachkenntnis von Zivilgesellschaft wie MDC nach bisherigen Erkenntnissen den Herausforderungen entsprechen.

Die Delegation der Zivilgesellschaft wie auch andere Akteure haben wiederholt gefordert, die SADC müsse eine langfristige Beobachtermission berufen, zumindest für die sechs Monate vor den Wahlen. Und diese müsse sich strikt an die Principles and Guidelines Governing Democratic Election halten, die die SADC sich selbst gegeben hat. Das Vermittlungsteam hat in einer Antwort auf diese Forderung darauf verwiesen, es läge in der Verantwortung der Unterzeichner des GPA, die notwendigen Schritte zur Lösung der Differenzen zu unternehmen und den Kurs zu bestimmen. Mit Hinweis auf die ausbleibenden Umsetzungen des Abkommens sagten die Vermittler, es seien "die politischen Akteure, die den Prozess bremsen, (vor allem), weil sie sich nicht an die Prinzipien halten und Verhandlungsteams nicht einschalteten".

Im Oktober 2010 legte das Vermittlungsteam Standards für den Verhandlungsprozess fest. Darin heißt es u.a., dass die Verfassunggebung vor Wahlen und bestimmten Reformen abgeschlossen sein muss. Zivilgesellschaftliche Gruppen wurden ausdrücklich aufgefordert, mit lokalen Politikern zusammenzuarbeiten und sich ihrerseits für notwendig gehaltene Reformen einzusetzen. Sie könnten sich dabei auf die Aussagen von Jacob Zuma in einem Bericht an die SADC verlassen. Das Team deutete ferner an, dass auf einzelne Mitgliedsstaaten der SADC Druck ausgeübt werden sollte, um sich auf Prioritäten zu verständigen und Schwung in den Prozess zu bringen. Es blieb bei einzelnen Initiativen; die Zivilgesellschaft konnte sich nicht auf Prioritäten und Vorgehensweisen einigen.

Anfang Januar 2011 meldeten beide Fraktionen der MDC, sie hätten das Vertrauen in den Vermittler Jacob Zuma verloren, und brachten ihr Missfallen in die Verhandlungsführung der SADC zum Ausdruck. Der neu gewählte Präsident der MDC-M (Mutambara-Fraktion) und Chefunterhändler, Welshman Ncube, nannte Südafrikas Führung "schmachvoll". Er monierte, Südafrika und die SADC "hätten mehr Aufmerksamkeit und Zeit aufwenden müssen, um die Parteien zu Gemeinsamkeiten zu bringen, und sie haben es nicht getan". Der Sprecher der MDC-T (Tsvangirai-Fraktion) Chamisa stimmte zu: "Nach unserem Eindruck lassen die Aktionen von SADC und AU zu wünschen übrig." Er gestand zwar zu, dass sich die Garantiemächte bewegt hätten, aber sie hätten mehr tun können: "Sie haben es in der Hand, die Sache voranzubringen, und sie können ihre Muskeln ein wenig stärker spielen lassen." Premierminister Morgan Tsvangirai forderte angesichts der immer schlechter werdenden Sicherheitslage erneut eine Intervention der SADC.


Tsvangirais Hilferuf

Mitte März sprach er sich für eine internationale Intervention aus: "Ich appelliere an alle friedliebenden Völker der SADC, der Afrikanischen Union und der internationalen Gemeinschaft, Simbabwe zu helfen, die Gewalt zu stoppen."

Die Verhaftung von führenden MDC-Mitgliedern im März sowie die begründete Befürchtung weiterer Festnahmen, darunter von Tsvangirai selbst, ließen den Ruf nach mehr Schutz durch die SADC lauter werden. Gegen Ende des Monats erwog eine zunehmend hilflose MDC-T erneut den Rückzug aus der Regierung.

Die augenscheinliche Handlungsunfähigkeit der SADC weist auf Meinungsverschiedenheiten in der Regionalorganisation hin, wie mit dem Demokratiedefizit in Simbabwe umgegangen werden sollte, nicht zuletzt weil eine Reihe von Mitgliedern mit ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Die Zurückhaltung ist aber auch darauf zurückzuführen, dass das Vertrauen in die MDC, ihre Kompetenz und politische Reife gering ist. Das hat damit zu tun, dass die MDC-Fraktionen wie die Zivilgesellschaft es versäumt haben, die Region einzubinden und Verbindungen zu den einzelnen SADC-Mitgliedern zu knüpfen.

Das änderte sich Ende 2010 und scheint Früchte zu tragen. Es wurde eingangs schon auf das Kommuniqué der SADC-Troika vom 31. März 2011 hingewiesen. Es markiert eine radikale Wende der SADC-Position. Es geht auf die mangelhafte Umsetzung des GPA und die Verstöße gegen das Abkommen ein und formuliert einen kohärenten Rahmen für die Durchführung des Abkommens. Es nimmt ferner die SADC - und damit indirekt die AU - in die Pflicht, sich stärker und unmittelbarer im Fall Simbabwe zu engagieren.

Dieses Kommuniqué hat die Zanu-PF ziemlich außer Tritt gebracht, nicht zuletzt, weil es auch vom namibischen Staatspräsidenten Hifikepunye Pohamba unterzeichnet war, bis dahin ein enger Alliierter und derzeit Vorsitzender der SADC. Es bleibt abzuwarten, ob dieses Kommuniqué auch die offene Zustimmung anderer Mitglieder wie Angola oder der DR Kongo findet, ebenfalls enge Alliierte der Zanu-PF. Die heftigen Reaktionen der Zanu-PF deuten jedenfalls an, dass die Partei in der Region an Boden verliert. Und nicht zuletzt dürften die unmissverständliche Forderung nach einer Beendigung der Gewalt wie auch die damit in Verbindung stehenden Reformen des Sicherheitssektors und des Aufbaus einer vertrauenswürdigen Gerichtsbarkeit ins Zentrum der Beobachtung und Bewertung rücken.

Die Vermittler der SADC haben immer wieder den Standpunkt betont, dass es am Ende die Menschen in Simbabwe sind, in deren Verantwortung die Überwindung ihrer Differenzen liegt, wie sie den Verpflichtungen gerecht werden. Das ist sicher richtig. Doch SADC und AU sind als Garantiemächte in der Pflicht. Sie sind gefordert, Hilfestellung zu leisten für gleiche Spielbedingungen und einen Lösungsprozess, der in sich legitim und nachhaltig ist. Ohne einen solchen Beistand dürfte es für die Parteien schwierig, wenn nicht unmöglich sein, einen Weg zu einem erneuerten oder weitergehenden Abkommen zu finden, das die gegenwärtigen Verwerfungen in der Machtteilung korrigiert, die unterschiedlichen Auffassungen über wirtschaftliche und politische Interessen einebnet und - ganz entscheidend - das Monopol der Zanu-PF über den Sicherheitsapparat beendet. Letzterem Problem wurde im bestehenden GPA zu wenig Beachtung gewidmet. Solange diese Frage nicht angegangen wird, steht der gesamte Reformprozess in Frage. Trotz allem, das letzte Kommuniqué der SADC vom März 2011 bildet einen wichtigen Meilenstein, der die Richtung weist, in der die weitere Entwicklung gehen muss.


Aus: International Crisis Group, Zimbabwe: The Road to Reform or another Dead End? Africa Report No 173, 27. April 2011


*


Weitere Artikel in afrika süd Nr. 3, Mai/Juni 2011


Eine Bankrotterklärung
hat der Sondergipfel der Regionalgemeinschaft SADC auf ihrem Sondergipfel abgeliefert, meint Hein Möllers.

aktuell

südafrika
Zuma sieht sich bestätigt - aber Zille tanzt
Bei den Kommunalwahlen am 18. Mai in Südafrika war die Demokratische Allianz von Helen Zille die große Gewinnerin, weil sie deutlich zulegen konnte. Der ANC behielt seine klare Mehrheit, musste aber prozentuale Verluste hinnehmen. Armin Osmanovic berichtet.

Jeder Mann kann sich ändern
Zur vielschichtigen Arbeit des "Sonke Gender Justice Network" gehört angesichts der hohen Mord- und Vergewaltigungsraten in Südafrika die Gewaltprävention. Dabei werden insbesondere Männer angesprochen. Von Rita Schäfer.

afrika - südafrika
Walk to Work
Mahmood Mamdani zieht einen Vergleich zwischen den Aufständen von Soweto im Jahr 1976 und den Demonstrationen auf dem Tahrir-Platz in Kairo, dem Symbol für den Volksaufstand in Ägypten.

simbabwe
Der Fall Mike Campbell
Eine Moritat auf den Rechtsverfall in Simbabwe und der Region singt Hein Möllers.

Nichts als Rückschläge
Die Entwicklung Simbabwes unter der Gemeinschaftsregierung analysiert die International Crisis Group.

Hilflose Vermittlung
Die Afrikanische Union, die SADC und Südafrika als Vermittler haben sich bislang als unfähig erwiesen, die Krise in Simbabwe lösen zu helfen. Ein Bericht der International Crisis Group.

madagaskar
Gescheiterte Vermittlung
Die Mediationspolitik der Afrikanischen Union und der SADC ist auch bei der Krisenbewältigung auf Madagaskar gescheitert. Zu stark ist der Widerstand des Putschisten Andre Rajoelina. Von Andreas Baumert.

dr kongo
Zertifikation alleine reicht nicht
US-Unternehmen sollen per Gesetz verpflichtet werden, die Herkunft von Mineralien aus der Krisenregion des Ostkongo offen zu legen. Über die Probleme im Umgang mit Konfliktmineralien aus der DR Kongo berichtet Thierry Vircoulon.

mosambik
Subventionen gegen Unruhen?
Die mosambikanischen Regierung will mit neuen Stützungsmaßnahmen die Auswirkungen steigender Lebensmittelpreise abfedern. Alcino Moiana fragt: Reicht das aus, um erneute Brotaufstände wie im September 2010 zu verhindern?

Prekäre Ernährungslage

mosambik: landfrage
Land in Sicht?
In Zeiten knapper werdender Ressourcen rückt die Frage nach Land in den Vordergrund. Auch in Mosambik mehren sich Konflikte um fruchtbares Land. Die Regierung scheint die Brisanz erkannt zu haben und hat die Landfrage auf die politische Agenda gesetzt. Von Tabea Behnisch.

südafrika: landfrage
Die Landreform ist ausgeblieben
Mercia Andrews ist Direktorin der südafrikanischen Landrechtsbewegung "Trust for Community Outreach and Education" (TCOE). Andreas Bohne sprach mit ihr über den Stand der Landreform in Südafrika.

afrika: landfrage
Bauernlegen in Afrika
Afrikas Familienbetriebe sind von Großunternehmen bedroht, doch die Weltbank verabreicht immer wieder die falsche Medizin, meint Joan Baxter.

Ernten für die Tonne

malawi
Subventionen keine Lösung
Malawis Kleinbauern brauchen mehr als nur Saatgut und Dünger. Ein IRIN-Bericht.

service
Nord-Süd-Infos, Rezensionen, Leserinnenbrief


*


Quelle:
afrika süd - zeitschrift zum südlichen afrika
39. Jahrgang, Nr. 3, Mai/Juni 2011, S. 20 - 21
Herausgeber: informationsstelle südliches afrika e.V. (issa)
Königswinterer Straße 116, 53227 Bonn
Tel.: 0228 / 46 43 69, Fax: 0228 / 46 81 77
E-Mail: issa@comlink.org
Internet: www.issa-bonn.org

"afrika süd" erscheint mit 6 Heften im Jahr
Jahresabonnement Euro 35,-


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. August 2011