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EUROPA/1200: Aus Verantwortung für Europa - Kein Pakt ohne Steuer


SPD-Pressemitteilung 68/12 vom 12. März 2012

Beschluss des SPD-Parteivorstandes: Aus Verantwortung für Europa: Kein Pakt ohne Steuer


Der SPD-Parteivorstand hat in seiner Sitzung am 12. März 2012 folgenden Beschluss gefasst:

Wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben auf unserem Bundesparteitag deutlich gemacht: Wir sind die Europa-Partei, wir stehen für eine starke Europäische Union, die Frieden, Wohlstand und Gerechtigkeit sichert:

"Europa befindet sich in seiner schwersten Krise. Was als Finanzmarktkrise begann, sich als Schuldenkrise in einzelnen EU-Staaten fortsetzte, ist zu einer Vertrauenskrise geworden, die die Europäische Union in ihrem Kern bedroht. Schon längst geht es nicht mehr um das Schuldenproblem von Ländern an der europäischen Peripherie. Die Geburtsfehler der Währungsunion werden offenbar. Das gesamte institutionelle Gefüge der Europäischen Union steht auf dem Prüfstand. Wir müssen jetzt die Währungsunion weiter entwickeln zu einer echten Finanz-, Währungs- und Wirtschaftsunion. Andernfalls droht Europa Rückabwicklung und Zerfall.

Wir deutschen Sozialdemokraten stehen zur europäischen Verantwortung Deutschlands. Wir wissen, dass nur Europa unseren Frieden und unseren Wohlstand sichern kann. Wir wollen gemeinsam mit unseren europäischen Freunden und Partnern ein demokratisches und gerechtes Europa bauen. Mit uns gibt es kein Zurück in das Zeitalter der Nationalstaaten. Wir wollen, dass aus dieser Krise ein neues, ein stärkeres, ein sozialeres Europa entsteht!"

Das bedeutet für uns auch: Wir übernehmen Verantwortung für Europa. Auch in Zeiten der Opposition. Wir nutzen die Krise der Europäischen Union nicht für kurzfristige eigennützige Interessen. Alle grundlegenden Beschlüsse des Deutschen Bundestages, die mit der Bewältigung der Krise in Zusammenhang stehen, wurden auch mit den Stimmen der Sozialdemokratie auf eine breite Mehrheit gestellt. Das alles bedeutet aber nicht, dass Fragen der Europäischen Union und der Bewältigung der Krise ein politikfreier Raum sind, bei denen die Opposition allein aus Gründen der Staatsräson stets mit der Regierung stimmen muss. Sondern wir leiten unsere Zustimmung von unseren Grundwerten, Zielen und einer offenen Debatte. Das sind wir Europa schuldig.

Für den Beschluss des von der deutschen Bundesregierung intensiv nach vorne getriebenen Fiskalpaktes sind diesmal die Stimmen auch der Sozialdemokratie nicht nur eine Frage der politischen Symbolik, sondern Voraussetzung für die Mehrheitsfähigkeit.

Zweifelsohne liegt in einigen Ländern der Europäischen Union ein Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte vor. Wer zur Lösung aber ausschließlich auf harte Sparprogramme setzt, übersieht, dass es jeden Wachstumsimpuls braucht, um die Krise zu meistern: Sinkende Wachstumsraten führen zu mehr Arbeitslosigkeit und weniger Steuereinnahmen und damit nochmals höherem Konsolidierungsbedarf. Gerade die Jugendarbeitslosigkeit ist derzeit in den von der Krise am stärksten betroffenen Ländern enorm - in Spanien mehr als 40 Prozent, in Griechenland mehr als 30 Prozent und in Italien fast 30 Prozent. Gerade wer auch die Zukunftschancen junger Menschen im Blick hat, kann diesem einseitigen Weg nicht folgen.

Es besteht die Gefahr, dass demokratische Entscheidungsprozesse durch die angedachten Regelungen ausgehebelt werden können. Die Rolle eines sogenannten Euro-Gipfels und die Wechselwirkungen mit vorhandenen Gremien der Europäischen Union müssen durch ein wirksames EU Vertragsrecht abgeglichen und geregelt werden und dürfen nicht einfach durch diesen Fiskalpakt festgeschrieben werden.

Überdies ist noch offen, welche konkreten Kompetenzen dieser Eurogipfel erhalten soll und wie sich diese auf das eigentliche Kompetenzgefüge in der Union auswirken. Die Einbindung des Europäischen Parlamentes in diesen Prozess ist sicherzustellen und für uns ein elementarer Bestandteil.

Auch muss vor der Ratifizierung feststehen, wie der Fiskalpakt in Deutschland umgesetzt wird und wie er sich auf den Bund und die Länder auswirkt. Insbesondere muss geklärt werden, wie die öffentliche Verschuldung auf den europaweit gültigen Stand von 60% des BIP zurückgeführt werden soll.

Für uns ist daher klar: Dieser Fiskalpakt reicht nicht. Nötig ist eine stärkere Koordinierung der Finanzpolitik, die nicht nur auf einseitige Sparprogramme setzt, sondern auch Einnahmen und Ausgaben im Blick hat, die Auswirkungen der Fiskalpolitik auf Wachstum und Beschäftigung berücksichtigt. Dazu gehört auch eine Lösung der Altschuldenproblematik. Ein Schuldentilgungsfonds, wie ihn die deutschen Wirtschaftsweisen vorgeschlagen haben, könnte einen Rahmen schaffen, um die aufgelaufene Schuldenlast glaubwürdig und verlässlich zurückzuführen und Vertrauen zurückzugewinnen. Ein erster kurzfristig wichtiger Schritt ist die Einführung einer Finanztransaktionssteuer in der Europäischen Union. Sie kann und wird nicht alle Probleme lösen. Sie trägt aber auf der einen Seite dazu bei, die Finanzmärkte stärker zu regulieren und erhöht andererseits die Einnahmen der europäischen Staaten. Damit könnten von ihr kurz- und mittelfristig entscheidende Impulse für eine Politik für Wachstum, Beschäftigung und Konsolidierung ausgehen.

Die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird bislang insbesondere von der deutschen Bundesregierung verhindert. Wir fordern die Bundesregierung auf, ihren Widerstand gegen eine sinnvolle Besteuerung der Finanzmärkte aufzugeben und damit den Weg für einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung frei zu machen. Solange die Finanztransaktionssteuer blockiert wird, kann die SPD einem Fiskalpakt nicht zustimmen. Nicht trotz unserer europäischen Verantwortung, sondern gerade wegen ihr.


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Quelle:
SPD-Pressemitteilung 68/12 vom 12. März 2012
Herausgeber: SPD Parteivorstand, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 14. März 2012