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FINANZEN/1508: CDU hat Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auf dem Gewissen


Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion - 16. Mai 2013

Arbeitsgruppe: Haushalt

CDU hat Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank auf dem Gewissen



Anlässlich der Äußerungen des stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Michael Meister, erklärt der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Carsten Schneider:

Es ist bemerkenswert, in welchem Ausmaß die Konservativen inzwischen der unabhängigen Zentralbank öffentlich Ratschläge erteilen. Den Respekt vor deren Unabhängigkeit haben sie dabei längst verloren.

Im Mai 2010 hat die Bundeskanzlerin das Staatsanleihenankaufprogramm der EZB (SMP) ausdrücklich begrüßt. Die Zentralbanker Weber und Stark, die sie anfangs noch unterstützte, liess sie bald fallen und hat damit auch die Chance vergeben, mit Axel Weber die Nachfolge von Jean-Claude Trichet als EZB-Präsidenten zu besetzen. In der Folgezeit war sie gern bereit, der EZB eine stärkere Rolle als Krisenrettungsakteuer zu übertragen. Inzwischen ist die EZB der einzige handlungsfähige Akteur. Die deutsche Bundeskanzlerin trägt deshalb die Verantwortung für die Handlungsunfähigkeit der Politik. Dies liegt vor allem an ihrer eigenen Koalition, bei der sie keine eigene belastbare Mehrheit für ihre Krisenpolitik im Bundestag hat.

Als der neue EZB-Präsident im Spätsommer vergangenen Jahres ein neues Staatsanleihenankaufprogramm (OMT) auflegte, hat ihn der Bundesfinanzminister dafür ausdrücklich öffentlich gelobt. Inzwischen kritisiert der gleiche Minister die Überlegungen der EZB für neue unkonventionelle Maßnahmen mit einem weiteren Ankaufprogramm für strukturierte Wertpapiere die Kreditvergabe an die Unternehmen in Südeuropa anzukurbeln.

Der Unionsfraktion ist die Rolle der EZB dagegen wohl nicht offensiv genug, wie die heutigen Äußerungen von Michael Meister zeigen.

Dabei sollte er wissen, dass die EZB bereits schon einmal von einer italienischen Regierung unter Ministerpräsident Berlusconi Strukturreformen Gegenzug für Staatsanleihenkäufe verlangt hat. Nachdem die Staatsanleihen gekauft waren und der Zins gedrückt wurde, hat Berlusconi die Reformen einfach wieder zurückgenommen. Die EZB war blamiert.

Mit den bisherigen Entscheidungen der EZB wurden bereits Haftungsrisiken in erheblichem Umfang zwischen den Steuerzahlern in Europa umverteilt und Eurobonds durch die Hintertür eingeführt. Dies soll nun über die EIB und das neue Programm mit strukturierten Wertpapieren weiter verstärkt werden. Die EZB würde damit immer mehr zur Bad Bank Europas.

Auch die FDP versucht sich als Ratgeber der EZB und verlangt ein stärkeres Stimmgewicht im EZB-Rat für Deutschland und will die Gefahren der Inflation durch eine Grundgesetzgarantie abwehren. Die politischen Karnevalsreden des Herrn Brüderle haben realpolitisch keine Bedeutung oder Konsequenz. Vielmehr stützen er und Vizekanzler Rösler die Politik der Bundeskanzlerin, die EZB zum ultimativen Krisenakteur umzubauen.

Diese Veränderungen geschehen schleichend und ohne, dass das EZB-Statut dafür geändert würde. Wenn die EZB nun auch noch die Bankenaufsicht übernehmen soll, wird ihr unkontrollierter Einfluss weiter steigen. Daraus ergeben sich aber Probleme für ihr geldpolitisches Mandat und ihre Reputation. Wie kann sie die Banken beaufsichtigen, wenn sie gleichzeitig als deren Geschäftspartner für deren Liquiditätssteuerung zuständig ist, die sie derzeit auch sehr stark ausgeweitet hat? Die Übernahme der Aufsicht fällt in die Zeit, in der sie diese Liquidität eigentlich zurückführen muss.

Die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB schafft mehr Probleme als sie lösen müsste. Wichtiger als die Übertragung der Aufsicht auf die EZB ist die Schaffung eines wirksamen Abwicklungsregimes für ganz Europa mit einem Abwicklungsfonds, der von der Finanzindustrie finanziert wird.

Nur wenn Banken abgewickelt werden können, kann die Belastung der Steuerzahler durch die Banken beendet werden.

Die Bundeskanzlerin blockiert eine solche Lösung. Dagegen hat sie sich aber dazu drängen lassen, den ESM in einen Bankenrettungsfonds umzuwandeln. Damit wird die Haftung der Steuerzahler für die Risiken der Banken in ganz Europa aber sogar noch ausgeweitet.

Es wäre besser, die EZB würde sich aus der Fiskal- und Wirtschaftspolitik der Staaten der Eurozone raushalten können.

Die Art und Weise, in der Michael Meister die EZB auffordert, die Reformen in Italien zu überwachen, ist eine Kriegserklärung an das Demokratieprinzip und offenbart ein staatspolitisches Verständnis, mit dem ein Achtklässler in der Schule durch seine Sozialkunde-Klausur fallen würde. Es ist Sache der europäischen Finanzminister und der EU-Kommission, im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts Italiens Reformzusagen zu überwachen. Und es ist Sache der Politik, notfalls Konsequenzen zu ziehen. Die EZB ist nicht die Polizei für mutlose Minister und Regierungschefs.

Die bisherige Politik der Regierung Merkel/Rösler hat vor allem Zeit gekauft. Diese teuer erkaufte Zeit wurde aber nicht genutzt. Mit den unzureichenden Schritten für die Übertragung der Bankenaufsicht auf die EZB wird dieser Kurs fortgesetzt. Weil Merkel und Schäuble nicht zu den notwendigen Schritten eines europäischen Abwicklungsregimes bereit sind, bleiben die Bankenprobleme ungelöst und die EZB ist weiter gezwungen, andere Wege zu suchen.

Herr Schäuble gibt Frankreich in Brüssel mehr Zeit, Herr Meister fordert das Gegenteil. Dann muss er aber im Bundestag gegen seine Regierung aufstehen und nicht in der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Copyright 2013 SPD-Bundestagsfraktion

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Quelle:
Pressemitteilung Nr. 606 vom 16. Mai 2013
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veröffentlicht im Schattenblick zum 18. Mai 2013