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SCHLESWIG-HOLSTEIN/2234: Fotografieren in Zeiten des Datenschutzes (Der Landtag)


Der Landtag - Nr. 04 / Dezember 2018
Die Parlamentszeitschrift für Schleswig-Holstein

Fotografieren in Zeiten des Datenschutzes
Innen- und Rechtsausschuss nimmt neue EU-Verordnung unter die Lupe


Wann und wen darf man fotografieren? Diese Frage treibt viele Menschen um, seit die Europäische Union im Mai 2018 die Datenschutzregeln verschärft hat. Die neue Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) schreibt vor, dass "die betroffene Person ihre Einwilligung zur Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten" geben muss. Was bedeutet das für Hobby-Knipser und für Berufsfotografen, wenn sie in der Straße oder auf der grünen Wiese auf den Auslöser drücken - und es laufen Menschen durchs Bild? Darüber hat sich der Innen- und Rechtsausschuss Mitte November mit Fachleuten ausgetauscht, nachdem die SPD die Debatte im Sommer angestoßen hatte.


Fünf Erkenntnisse:

1.) Keine Gefahr fürs Familienalbum

Es handele sich um ein "heiß diskutiertes Thema", bemerkt Schleswig-Holsteins Datenschutzbeauftragte Marit Hansen. Bei ihrer Behörde seien "ganz viele Nachfragen" eingegangen. Die Datenschützerin stellt in vielen Fällen eine "Überreaktion" fest, denn: "So viel hat sich nicht geändert." Das private Bilderalbum und die heimische Festplatte bleiben weitgehend unberührt, betont Hansen. Im Urlaub oder bei der Einschulung der Kinder dürfe man die Kamera nach wie vor einsetzen - solange die Bilder privat bleiben und nicht etwa auf Facebook oder Instagram auftauchen.

2.) Die Presse hat Befürchtungen

Es herrschten "Unsicherheit und Handlungsbedarf", unterstreicht Bettina Neitzel, Landesgeschäftsführerin des Deutschen Journalistenverbandes (DJV). Der SPD-Abgeordnete Stefan Weber hatte bereits im Juni gewarnt: Es bestehe "ein großes Risiko, sich durch das Fotografieren von Straßenszenen, Sehenswürdigkeiten oder Volksfesten, auf denen Personen erkennbar abgelichtet wurden, Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen auszusetzen". Der DJV pocht auf "Rechtssicherheit für das Fotografieren in der Öffentlichkeit" und das "Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit". Für die Medien wird es besonders heikel, wenn Kinder im Bild sind oder wenn die Presse über ein Gerichtsverfahren berichtet. Bei diesen Fällen setzt die DSGVO besonders hohe Hürden.

3.) Manche Fotografen geben auf

Für Berufsfotografen sei die Lage ebenfalls schwierig, berichtet David Seiler. Der Rechtsanwalt vertritt den Berufsverband Freie Fotografen und Filmgestalter. Er moniert "Auswüchse wie das Fotografierverbot bei Einschulungen oder das Schwärzen von Gesichtern bei Aufnahmen von Kindergartengruppen". Unter diesen Vorsichtsmaßnahmen leide seine Branche, so Seiler: "Fotografen verlieren Aufträge oder sie wissen nicht, wen sie ablichten dürfen, wenn sie für eine Veranstaltung gebucht werden." Mehr noch: "Einige Fotografen haben ihre Webseiten geschlossen, andere gar den Beruf aufgegeben".

4.) Berlin könnte Klarheit schaffen

Wie könnte die Lösung aussehen? Die DSGVO enthält eine Öffnungsklausel, die es den EU-Mitgliedsstaaten erlaubt, eigene Regelungen für Presse, Öffentlichkeitsarbeit, Wissenschaft und Kunst zu treffen. Der Bund macht davon bislang jedoch keinen Gebrauch. Berlin sei der Auffassung, dass das mehr als 100 Jahre alte Kunsturhebergesetz ausreiche, stellt Haimo Schack fest, Professor für Europäisches Recht an der Uni Kiel. Das Gesetz aus dem Jahr 1907 ist nach seiner Überzeugung jedoch nicht mehr geeignet, um in der heutigen Zeit die "Kommunikationsfreiheit" und die "Freiheit des öffentlichen Raums" zu gewährleisten. Schack ruft die Landtagsabgeordneten auf, über den Bundesrat Druck zu machen und auf eine moderne Bestimmung für ganz Deutschland zu drängen. Auch Stephan Holowaty (FDP) sieht den Bund "in der Pflicht, die bestehenden Verunsicherungen durch die DSGVO aufzulösen".

5.) Auch die Länder haben Möglichkeiten

Lars Harms (SSW) schlägt einen anderen Weg vor: "Wenn der Bund nicht in die Hufe kommt", sei auch eine landesrechtliche Regelung möglich - zumal Kultur und Presse in die Hoheit der Länder fielen. Dieser Schritt hätte allerdings eine weitreichende Folge, wie die Fachleute betonen: Es gäbe dann womöglich in den Bundesländern 16 unterschiedliche Foto-Gesetze - und das sei für die Internetauftritte von Medien oder Bildanbietern höchst unpraktisch.

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Quelle:
Der Landtag, Nr. 04 / Dezember 2018, S. 12
Mit freundlicher Genehmigung des Herausgebers:
Der Präsident des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Schleswig-Holsteinischer Landtag
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. Januar 2019

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