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RHEINLAND-PFALZ/2713: Dramatische Entwicklung der Vermögensverteilung (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 39/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 22. Oktober 2012

Dramatische Entwicklung der Vermögensverteilung



In einer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen beantragten Aktuellen Stunde wurde die Haltung der Landesregierung zu den vorab veröffentlichten Ergebnissen des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung erfragt. Alle drei Landtagsfraktionen waren sich mit der Landesregierung darin einig, dass die Armutsquote in Deutschland nach wie vor einen unerträglich hohen Wert einnimmt. Während Regierungsfraktionen und Landesregierung betonten, Reiche müssten sich vermehrt an einer sozialen Gesellschaft beteiligen, warnte die CDU-Fraktion davor, Vermögen einfach "von oben nach unten" zu verteilen.

Daniel Köbler (Bündnis 90/ Die Grünen) forderte eine neue Regelung zur Besteuerung von Vermögen. Angesichts von drei Billionen Euro an privatem Vermögen in Deutschland und "lediglich" einer Billion gesamtstaatlicher Schulden müsse unweigerlich darüber nachgedacht werden, ob die drohende Schuldenlast nicht auch mithilfe dieser stetig wachsenden Vermögensmenge in privater Hand abgebaut werden solle. Er warf der Bundesregierung vor, sie strebe eine Umverteilung "von unten nach oben" an. Dabei seien gerade Investitionen in Bildung und Teilhabe aller Menschen am gesellschaftlichen Geschehen notwendig, um eine auch langfristig leistungsfähige und gerechte Gesellschaft zu ermöglichen und zu sichern.

Für Christian Baldauf (CDU) war aufgrund der hohen Armutsquote in Deutschland die Zeit reif, sich grundsätzlicher als bisher mit dieser Problematik zu beschäftigen. Man müsse dabei vor allem auf die Gruppen der Jugendlichen, und älteren Menschen achten, die besonders von Armut betroffen seien. Der Landesregierung warf er vor, den schwarzen Peter in Richtung Bundesregierung zu schieben. Dabei habe sie seit Jahren keine gescheite Haushaltspolitik betrieben. Sie habe Steuergeld in großen Mengen in Großprojekte mit fragwürdiger Erfolgsaussicht investiert und nun fehle das Geld an anderer Stelle, etwa bei Investitionen in Wirtschaft und Bildung. Im Bereich der Schuldnerberatung müsse vermehrt investiert werden, um es Menschen in finanziellen Notlagen zu ermöglichen, sich durch eigene Leistung aus ihrer Notlage zu befreien. Im Hinblick auf die steigende Jugendarmut bedürfe dabei nicht zuletzt die Schulsozialarbeit einer stärkeren Förderung.

SPD-Fraktionschef Hendrik Hering (SPD) warf Baldauf vor, Vertreter einer Politik sozialer Kälte zu sein. Wenn Menschen mit höherem Einkommen höheren Wohlstand genössen, sei daran nichts auszusetzen. In der Realität hätten aber diejenigen, die jeden Tag aufwendig arbeiten, keinen nennenswerten Anteil am Reichtum. Dass 53 Prozent der privaten Vermögen von gerade einmal 20 Prozent der Gesamtbevölkerung gehalten würden, sei alleine schon nicht hinnehmbar. Die Tatsache, dass sich dieser Wert innerhalb von 10 Jahren verdoppelt habe, zeige darüber hinaus aber die dramatische Entwicklung der Vermögensverteilung. Der Staat werde immer ärmer und mit ihm der Großteil der Gesellschaft. Eine soziale Gesellschaft könne aber nur gewährleistet werden, wenn sie auf dem Fundament der Gerechtigkeit gebaut sei. Die CDU betreibe hier keine Politik der sozialen Gerechtigkeit, sondern sorge sich nur um die oberen zehn Prozent der Gesellschaft.

Interessant sei, dass der Bericht schon vor seiner offiziellen Veröffentlichung einen Eklat in der Bundesregierung verursacht habe, so Sozialministerin Malu Dreyer (SPD). Der Bericht nage an der von der Bundesregierung betriebenen Klientelpolitik. Die Gefahr bestehe nun, dass Kanzlerin Merkel eine Lösung erarbeite, die "den einen nicht wehtut, den anderen nicht hilft". Dabei sei die Zunahme der sozialen Ungleichheit offensichtlich. Die eklatanten Unterschiede der Einkommens- und Vermögensentwicklung verschiedener Teile der Gesellschaft seien in den letzten Jahren weiter gestiegen. Die Bundesregierung müsse die Fakten nun endlich wahrnehmen. Reichtum per se stelle kein Problem dar. Dreyer betonte, es gehe eben nicht um eine Neiddiskussion, sondern um soziale Teilhabe. Die Politik sei hierbei gefragt, die öffentlichen Haushalte handlungsfähig zu halten.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 39/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Oktober 2012