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RHEINLAND-PFALZ/2694: Zwischenbericht Enquete-Kommission Bürgerbeteiligung (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 32/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 3. September 2012

Zwischenbericht Enquete-Kommission Bürgerbeteiligung



Vorsitzende Pia Schellhammer (Bündnis 90/Die Grünen) stellte den 226 Seiten dicken, ersten Zwischenbericht der Enquetekommission "Bürgerbeteiligung" vor. Die darin enthaltenen Handlungsempfehlungen gehen nicht auf einheitliche Beschlüsse der Kommission zurück.

Ein sehr ehrgeiziges Programm, "bei dem es um nichts anderes als die Weiterentwicklung der Demokratie geht", hat sich die Kommission laut Martin Haller (SPD) vorgenommen. Die Stimmung in den Sitzungen sei sehr kollegial und konstruktiv gewesen. Daher sei es ihm unerklärlich, dass letztlich keine einzige einvernehmliche Handlungsempfehlung in den Bericht kam. "Sie haben sich in die Büsche geschlagen, ihre Terminzusagen gebrochen", beklagte Haller sich über das Verhalten der CDUKommissionsmitglieder. Noch einen Tag vor Abgabetermin der Texte sei zugesagt worden, dass diese kämen, dies sei dann aber nicht eingehalten worden. Dabei seien die Diskussionen sehr gut verlaufen, so auch zum Wahlalter mit 16 Jahren, das die SPD vor allem wegen des demographischen Wandels wolle. Kollege Lammert habe immer die konstruktive Mitarbeit erklärt. "Wir hätten uns nichts mehr gewünscht, als dass Sie sich an diese Ankündigung gehalten hätten." So lehnte die CDU ohne Begründung Forderungen wie die Förderung der Barrierefreiheit für Behinderte ab. Zumindest Kritik sei doch das, was man von einer Opposition erwarten könne, "aber da kam nichts", bedauerte Haller. Trotz allem blicke er optimistisch in die Zukunft der Enquetekommission.

Es handle sich bei dem vorgelegten Papier um einen ersten Zwischenbericht einer Kommission, relativierte Matthias Lammert (CDU) die Bedeutung des Papiers. Am Ende der Arbeit, die vermutlich über das Jahr 2013 hinausgehe, stehe ein Abschlussbericht, "das ist der Punkt, an dem Farbe bekannt werden muss". Die von den Koalitionsmitgliedern der Kommission eingereichten Texte waren sehr umfänglich, "sie erhielten Dinge, die in der CDU noch nicht abschließend behandelt wurden". Die CDU habe bisher nichts aus dem Papier abgelehnt, das Nein gelte jeweils dem Zeitpunkt des Beschlusses. Es gelte für seine Fraktion auch bei der Bürgerbeteiligung eher das Prinzip Basis statt Basta. "In abweichenden Meinungen haben wir gesagt, dass es noch zu früh ist um Entscheidungen zu fällen." So seien manche der angedachten Änderungen laut Experten nur mit Verfassungsänderungen zu verwirklichen. "Partizipation ist viel zu wichtig, als dass man sie in einem Zwischenbericht abhaken kann." Der Zwischenbericht enthalte Festlegungen, die offensichtlich nur dazu dienten, den Koalitionsvertrag in eine Handlungsempfehlung umzusetzen. Lammert empfahl darüber nachzudenken, dass sich schon in der Mainzer Republik gezeigt habe, dass der Zwang zur Partizipation nicht zur hohen Beteiligung führe. So gingen nur acht Prozent der Wahlberechtigten zur Urne, als die Mainzer Jakobiner zur ersten freien Wahl aufriefen.

Das Schweigen im Walde haben die CDU-Mitglieder für Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) in der Kommission gezeigt. "Vorschläge liegen vor, und es ist nicht möglich mit Ihnen darüber politisch zu diskutieren", kritisierte Spiegel. Absurd sei der von der CDU geäußerte Vorwurf, die Koalition habe die Enquetekommission zur Umsetzung des Koalitionsvertrages eingesetzt. "Seien Sie versichert, dass wir den Koalitionsvertrag umsetzen werden, dazu brauchen wir keine Enquetekommission", sagte Spiegel. Ein Zwischenbericht sei nicht mehr als ein Zwischenstand, "er erfordert aber eine Meinung, die kann man nicht erst ganz am Schluss in ein paar Jahren entwickeln". Die parlamentarische Ernsthaftigkeit der CDU sei in dieser Enquetekommission schwer zu finden gewesen. Wenn die Kommission nach der Sommerpause mit neuen Themen starte, wünsche sie sich ein konstruktives Miteinander und Austauschen über Inhalte denn über Zeitpläne. "Die Bürger erwarten Lösungen."

Der Chef der Staatskanzlei, Martin Stadelmaier (SPD), erinnerte daran, dass die Debatte über den ersten Zwischenbericht der Kommission gehe, während Lammert hauptsächlich über Dinge geredet habe, die noch gar nicht Gegenstand der Arbeit der Kommission gewesen seien. So sei nie von Beteiligungszwängen die Rede gewesen, sondern vom Abbau von Beteiligungshindernissen. Trotz aller Bemühungen gebe es weiter eine drastische Unterrepräsentation von Frauen vor allem in den Kommunalparlamenten. "Wir sind davon überzeugt, dass hier gesetzliche Abhilfe geschaffen werden muss." Das Wahlrecht mit diesem Ziel unter einen Hut zu bringen, sei eine anspruchsvolle Aufgabe, es müsse eine gutachterliche Klärung geben. In einer alternden Gesellschaft müsse zudem das junge Element gestärkt werden, begründete Stadelmaier einen zweiten Schwerpunkt der Bemühungen in der Kommission. Der dritte Bereich sei die Einbindung der Nicht-EU-Bürger bei Kommunalwahlen, für die die Änderung des Grundgesetzes notwendig werde. Dieser Schritt sei trotz einiger Gesetzesinitiativen bisher nicht gelungen und könne wegen der Zwei-Drittel-Hürde nur im Konsens der Parteien geschehen.

Schon vor dem Start der Kommission sei von der Landesregierung Störfeuer gekommen, sagte Marlies Kohnle-Gros (CDU). Die drei wesentlichen Punkte, die auch Stadelmeier noch einmal aufführte, stünden wortwörtlich so im Koalitionsvertrag.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 32/2012, Seite 3
Der Landtag - Nachrichten und Bericht
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. September 2012