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RHEINLAND-PFALZ/2667: Einführung des Betreuungsgeldes umstritten (StZ)


StaatsZeitung, Nr. 17/2012 - Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz
Der Landtag - Nachrichten und Berichte, 21. Mai 2012

Einführung des Betreuungsgeldes umstritten



Die geplante Einführung des Betreuungsgeldes war Gegenstand einer von der SPD beantragten Aktuellen Stunde. Heftige Kritik gab es dafür von der Regierungskoalition. Insbesondere Frauen würden damit erneut in ein überholtes Rollenbild gedrängt. Die CDU sprach sich für das Betreuungsgeld aus, da es den Familien die Möglichkeit gebe, eigenständig zu entscheiden, ob sie die Kinder zu Hause erziehen möchten oder die Betreuung der Kindertagesstätte überlassen möchten.

Das von der Bundesregierung geplante Betreuungsgeld kritisierte Hendrik Hering (SPD), da es nicht am Wohle des Kindes orientiert sei. Mit seiner Meinung stünde er zudem nicht alleine da: Über 75 Prozent der Bevölkerung lehnten das Betreuungsgeld ab, so Hering. "Es kann nicht sein, dass Eltern Geld dafür erhalten, Kinder aus den Kindertagesstätten fernzuhalten", kritisierte Hering die Pläne der Bundesregierung. Zumal da belegt sei, dass die Wahrscheinlichkeit, dass ein Kind später Erfolg in der Schule hat, mit dem Besuch der Kindertagesstätte korreliert. Studien aus Ländern mit Betreuungsgeld belegen zudem, dass gerade Kinder aus bildungsfernen Schichten oder mit Migrationshintergrund aus den Kindertagesstätten fern bleiben. Doch sei gerade für diese Kinder der Besuch der Kindertagesstätte enorm wichtig für die spätere Entwicklung. Zudem sei es nach vielen Jahren der Kinderbetreuung schwer, ja gar unmöglich, erneut einen Einstieg in das Berufsleben zu finden. "Das Betreuungsgeld leistet hier eindeutig falsche Anreize", so Hering.

Simone Huth-Haage (CDU) wies die Kritik an der Bundesregierung zurück. Ihr seien viele innovative Neuerungen zu verdanken, wie etwa die Erhöhung des Kindergeldes, die Ausweitung des Kinderzuschlags, der Ausbau der Betreuung der unter Dreijährigen und das Elterngeld. "Ich bin überzeugt, dass in einigen Monaten auch das Betreuungsgeld als Quantensprung in der Familienpolitik gilt", war sich Huth-Haage sicher. Fraglich seien jedoch die Auswirkungen, die die rheinland-pfälzische Politik auf die Familien habe. Immerhin müssten deren Kinder noch jahrelang den von der Landesregierung aufgehäuften Schuldenberg abbezahlen. Huth-Haage forderte, dass die Familien selbst entscheiden können, wie sie ihre Kinder erziehen möchten. Das Betreuungsgeld sei daher die notwendige Ergänzung zum Ausbau der Betreuungsplätze für die unter Dreijährigen.

Wenn es nach Elisabeth Bröskamp (Bündnis 90/Die Grünen) ginge, wäre das für die Finanzierung des Betreuungsgeldes aufgebrachte Geld besser in den Ausbau der Kitaplätze geflossen. Der von der Bundesregierung mit lediglich 35 Prozent angesetzte Bedarf an Kindertagesstättenplätzen für unter Dreijärige bewertet sie als nicht ausreichend. Die große Nachfrage nach diesen Plätzen bestätige dies. "Die von der CDU geforderte Wahlfreiheit ist gar keine: Die Kinder haben keine Möglichkeit sich für oder gegen einen Kitaplatz zu entscheiden", kritisierte Bröskamp. Es bestehe zudem die Gefahr, dass die Kommunen in Zukunft noch stärker belastet werden, wenn die Kitaplätze nicht ausgebaut werden. Denn dann müsse damit gerechnet werde, dass die Eltern, die keinen Kitaplatz für ihr Kind erhalten haben, diesen einklagen werden. Die anfallenden Kosten blieben dann am Land selber hängen. Auch die Kirchen in Deutschland sprächen sich gegen die Einzelfinanzierung aus und forderten den Ausbau der Kitaplätze. Nur so könne eine gerechte Förderung von Kindern aus bildungsfernen Familien sichergestellt werden.

Auch Familienministerin Irene Alt (Bündnis 90/Die Grünen) betonte die ablehnende Haltung der Landesregierung zum Thema Betreuungsgeld. Dieses verlaufe konträr zum dringend benötigten Ausbau der Kinderbetreuungsplätze. Zudem sende es ein völlig falsches politisches Signal an die Frauen. So würde das Familienmodell des in Vollzeit arbeitenden Vaters und der die Kinder erziehenden Frau wieder Rückenwind bekommen. "In meiner Position als Frauenministerin möchte ich eindringlich vor der Einführung des Betreuungsgeldes warnen. Erwerbsunterbrechungen wirken sich sehr schwer auf die spätere Berufssituation aus und erhöhen das Armutsrisiko der Betreffenden erheblich", gab Alt zu bedenken. Außerdem habe dies auch schwerwiegende Folgen für die Altersabsicherung der Frauen. Das Betreuungsgeld trage somit zur Vergrößerung der Ungleichheit zwischen Mann und Frau bei. Die rheinland-pfälzische Landesregierung halte nach wie vor an dem Ausbau der Kindertagesstätten fest und werde die Bedürfnisse der Familien im Blick behalten, versicherte Ministerin Alt.

Wie Ingeborg Sahler-Fesel (SPD) betonte, sichere nur der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz die Wahlfreiheit der Eltern und nicht die Einführung des Betreuungsgeldes. Denn nur so könne garantiert werden, dass jede Familie die Möglichkeit hat, einen solchen in Anspruch zu nehmen. Zudem diskriminiere das Betreuungsgeld Hartz IV-Empfänger, indem das Betreuungsgeld auf den Hartz IV Satz angerechnet werden soll. "Die Bundesregierung tut so, als ob Hartz IV-Empfänger nicht wüssten, wie sie ihre Kinder erziehen sollen", empörte sich Sahler-Fesel.

Anne Spiegel (Bündnis 90/Die Grünen) zeigte sich irritiert von dem vorliegenden Konzept der Bundesregierung. Dieses sei unsozial und rückwärtsgewandt und ließe einen eher ratlos zurück. Spiegel kritisierte zudem, dass die Finanzierung höchst fragwürdig sei, zumal nun anklang, dass man das erforderliche Geld wohl vom Elterngeld hernehmen werde. "Die Bundesregierung hat jegliches Gespür dafür verloren, was Familien brauchen. Das Konzept soll dahin wo es hingehört - in den Papierkorb", machte Spiegel ihre Ansichten deutlich.

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Quelle:
StaatsZeitung, Staatsanzeiger für Rheinland-Pfalz, Nr. 17/2012, Seite 3
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Juni 2012