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INNEN/4504: Beschluss des FDP-Präsidiums - Perspektiven für den Schutz von Kriegsflüchtlingen


fdk - freie demokratische korrespondenz 520/2015 - 26. Oktober 2015

Beschluss des FDP-Präsidiums: Perspektiven für den Schutz von Kriegsflüchtlingen


Berlin. Das Präsidium der Freien Demokratischen Partei hat am 26. Oktober 2015 beschlossen:


Perspektiven für den Schutz von Kriegsflüchtlingen

Die Flüchtlingsströme nach Deutschland sind eine große Herausforderung. Es ist richtig, dass wir Menschen in Not helfen. Dumpfer Abschottungspolemik und fremdenfeindlichen Ressentiments setzen wir Mitgefühl, Weltoffenheit und Toleranz entgegen. Genauso richtig ist es jedoch auch zu erkennen, dass dies mit enormen Herausforderungen verbunden ist. Politik darf nicht nur sagen: "Wir schaffen das!" Seriöse Politik braucht auch einen Plan dafür, "wie" wir das schaffen.

Eine besonders große Gruppe sind die sogenannten Kriegsflüchtlinge, also Menschen die aus Kriegs- oder Bürgerkriegsregionen stammen. Ihnen steht das Asylrecht nach Art. 16a des Grundgesetzes (GG) nicht per se zu. Denn die Existenz eines bewaffneten Konflikts stellt noch keine politische Verfolgung im Sinne von Art. 16a Abs. 1 GG dar. Ebenfalls ist nicht jeder Kriegsflüchtling ein "Flüchtling" im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention. Dazu müssen sie einer Verfolgung wegen Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe ausgesetzt sein. Statt einer Anerkennung nach Artikel 16a GG oder der Genfer Flüchtlingskonvention kann auch eine Anerkennung als Flüchtling aufgrund des sogenannten subsidiären Schutzes das Ergebnis des Asylverfahrens sein. Dieser wird bei Bedrohung durch eine ernsthafte Gefahr gewährt und umfasst damit auch Kriegs- und Bürgerkriegslagen.

Die Anerkennungsquoten im Asylverfahren belegen, dass diese Kriterien bei weitem nicht von jedem Neuankommenden erfüllt werden: Von den ca. 97.000 durch das BAMF entschiedenen Asylverfahren im Jahr 2014 führten nur knapp 40.000 zu Asyl-, Flüchtlings-, humanitärem Schutz oder Abschiebeschutz.

Dennoch ist der Andrang auf das Asylverfahren groß, weil an seinem Ende eine insgesamt vorteilhaftere und verlässlichere Bleibeperspektive steht. Schon nach drei Jahren kann ggf. eine dauerhafte Niederlassungserlaubnis erteilt werden. Die Alternative dazu bilden bloße Abschiebungsverbote und Duldungen, die aber nicht mit einer vergleichbar verlässlichen Perspektive für die Betroffenen verbunden sind.

Das Asylverfahren selbst ist wegen seiner verfassungsrechtlichen Prägung mit hohen Prüfungsstandards versehen. Es ist nicht für den massenhaften Zustrom von Menschen, wie sie seit 2015 erfolgt, ausgelegt. Das führt zu Antragsstaus einerseits und andererseits zu Antragsbegehren, die primär nicht durch den Wunsch nach Asyl, sondern nach einem verlässlichen Aufenthaltstitel statt einer bloßen "klassischen Duldung" motiviert sind.

Das europäische Recht hingegen hat für solche Situationen Vorkehrungen getroffen. Es erkennt den Grundsatz vorübergehenden humanitären Schutzes außerhalb des Asylrechts an. Die hierfür vorhandenen Rechtsgrundlagen existieren auch bereits im deutschen Recht, sind aber ohne ein Tätigwerden der EU nicht anwendbar:

Stellt der Rat der Europäischen Union nach Art. 5 der Schutzgewährungsrichtlinie (2001/55/EG) das Bestehen eines Massenzustroms fest, kann vorübergehender Schutz bis zu einem, im Höchstfall bis zu drei Jahren Dauer nach § 24 AufenthG gewährt werden. Erteilt wird damit eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Auch derjenige, der im Besitz eines solchen Aufenthaltstitels ist, darf Asyl beantragen (§ 14 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 AsylVfG). Das Asylverfahren ruht, so lange vorübergehender Schutz nach § 24 AufenthG gewährt wird (§ 32 a AsylVfG). Der Asylantrag gilt als zurückgenommen, wenn der Ausländer nicht innerhalb eines Monats nach Ablauf der Geltungsdauer der zum vorübergehenden Schutz erteilten Aufenthaltserlaubnis eine gegenteilige Erklärung abgibt.

Deutschland kann das Instrument des vorübergehenden Schutzes gegenwärtig nicht nutzen, da der notwendige EU-Beschluss nicht absehbar ist. Daher ist es sinnvoll, die rechtlichen Voraussetzungen zu schaffen, das Instrument des vorübergehenden Schutzes für die deutschen Behörden auch unabhängig von einem solchen Beschluss anwendbar zu machen. Kriegsflüchtlinge könnten dann schnell und unbürokratisch einen verlässlichen Aufenthaltstitel in Deutschland erhalten. Die für das Asylverfahren zuständigen Behörden würden deutlich entlastet, da entsprechende Anträge, sollten sie gleichwohl gestellt werden, ruhen, also von der Bearbeitung ausgeschlossen werden.

Gleichzeitig benötigen wir ein modernes Einwanderungsgesetz, das klar benennt, wer unter welchen Voraussetzungen bei uns eine dauerhafte Perspektive hat, weil wir ihn auf unserem Arbeitsmarkt brauchen. Als alternde Gesellschaft brauchen wir in vielen Berufen Zuwanderer. Aber wir haben ein Recht darauf, uns diejenigen auszusuchen, die wir in unseren Arbeitsmarkt einladen.

Aus dem ergeben sich dann klare Fallgruppen von Kriegsflüchtlingen mit jeweils klarer und vernünftiger Perspektive:

1. Kriegsflüchtlinge erhalten schnell und unbürokratisch einen zeitlich befristeten Aufenthaltstitel für Deutschland.
2. Politisch Verfolgte oder Flüchtlinge im Sinne der Genfer Konvention erhalten Asyl - und zwar schneller, weil die zuständigen Behörden von den massenhaften Anträgen entlastet werden.
3. Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen und die Kriterien eines modernen Einwanderungsgesetzes erfüllen, erhalten sofort Zugang zum Arbeitsmarkt. Wer in der Folge für seinen Lebensunterhalt sorgen kann, erhält einen dauerhaften Aufenthaltstitel.
4. Kriegsflüchtlinge, die nicht in ihre Heimat zurückkehren wollen, aber die Kriterien eines modernen Einwanderungsgesetzes nicht erfüllen, müssen nach Beendigung des bewaffneten Konflikts in ihrer Heimat ausreisen oder erforderlichenfalls zurückgeführt werden.

All dies wäre auch ein überfälliges internationales Signal, dass Deutschland solidarisch ist, aber Flüchtlinge in unbegrenztem Umfang nicht dauerhaft aufnehmen kann.

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Quelle:
fdk - freie demokratische korrespondenz
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Herausgeber: FDP-Bundespartei, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. Oktober 2015

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