Schattenblick →INFOPOOL →PARLAMENT → FDP

INNEN/4114: Brüderle zu aktuellen politischen Themen


Presservice der Liberalen / F.D.P. Bundestagsfraktion - 19.02.2013

BRÜDERLE zu aktuellen politischen Themen



BERLIN. Zu den aktuellen politischen Fragen des heutigen Tages erklärte der FDP-Fraktionsvorsitzende Rainer BRÜDERLE vor Medienvertretern:

Wir haben eine ganze Reihe topaktueller Themen heute auf der Tagesordnung der Fraktionssitzung. Zunächst einmal geht es um Mali. Hier sollen zwei Anträge verabschiedet werden. Wir legen großen Wert darauf, dass wir eine Parlamentsarmee haben. In dem ersten Antrag geht es darum, eine Ausbildungsmission auf den Weg zu bringen mit einer Obergrenze von 180 Soldaten, die entsandt werden können zur Ausbildung der malischen Truppen. Der zweite Antrag sieht Transportflüge und die Betankung von Kampfjets vor. Hier sollen bis zu 150 Bundeswehrangehörige entsandt werden können. Hier geht es um zwei unterschiedliche Themenkomplexe. Deshalb sind zwei Mandate erforderlich. Das wird sicherlich auch breiten Raum heute in der Fraktion einnehmen.

Zweiter Punkt ist das Thema Mindestlohn. Sie wissen, die SPD fordert einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Wir lehnen das ab. Wir werden natürlich mit unserem Koalitionspartner im engen Gespräch bleiben. Auch die Union will nicht einen allgemeinen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Wir haben übrigens inzwischen in 13 Branchen Mindestlöhne. Wir haben in dieser Periode in vier weiteren Bereichen Mindestlöhne eingeführt und in einem Bereich die Regelung verlängert. Also da ist schon eine Menge geschehen. Etwa vier Millionen Beschäftigte sind von einer der Mindestlohnregelungen betroffen. Es wäre verkehrt, wenn man quasi von München bis zu den ländlichen Regionen einen einheitlichen flächendeckenden Mindestlohn festlegen würde. Dies wäre ökonomischer Unsinn und würde auch den Betroffenen nicht helfen. Ich darf im Übrigen darauf hinweisen, dass wir schon ein breites Instrumentarium haben, nämlich das Tarifvertragsgesetz, das Arbeitnehmerentsendegesetz und das Mindestarbeitsbedingungengesetz. Für uns ist wichtig, dass die Tarifautonomie gewahrt bleibt. Wir wollen nicht den Staat anstelle der Tarifvertragsparteien Arbeitgeber und Gewerkschaften setzen. Nicht der Staat soll die Eckdaten festlegen, sondern die, die von ihren Mitgliedern dazu gewählt wurden.

Dritter Komplex: Finanztransaktionssteuer. Wir haben damals als Koalition eine Vereinbarung mit SPD und Grünen beschlossen, in denen einige Vorgaben klar festgelegt wurden. Dazu gehört, dass es keine Mehrbelastungen für Kleinsparer geben darf und auch die Altersvorsorge der Bürgerinnen und Bürger darf nicht zusätzlich belastet werden. Auch für die Realwirtschaft darf es keine Zusatzbelastungen geben und Standortverlagerungen von Finanzinstitution von Deutschland an andere Standorte müssen vermieden werden. Wir stehen zu dem Grundsatzbeschluss. Die von mir genannten Vorgaben sind Bestandteil der Einigung, die wir damals getroffen haben und diese gilt es jetzt auch sicherzustellen. Insofern ist, was Frau Nahles sagt, die uns Wortbruch vorwirft völlig daneben. Wir befinden uns exakt im Rahmen dessen, was vereinbart wurde.

Nächster Punkt, den wir heute diskutieren werden, ist die Strompreisbremse. Ich finde es sehr gut, dass die beiden Kernressorts damit befasst sind. Das sind der Bundeswirtschaftsminister und der Bundesumweltminister. Sie haben einen Weg aufgezeigt, wie weitere Erhöhungen vermieden werden können. Das ist noch nicht der Umbau des Erneuerbare-Energien-Gesetzes, der meines Erachtens noch erfolgen muss. Wir wollen ein Mengenmodell, in dem man technologieoffen und standortoffen die Produktion der regenerativen Stromversorgung auf den Weg bringt und damit ein Stück mehr Wirtschaftlichkeit schafft und eine Entlastung der Bürger erreicht. Es darf kein Verarmungsprogramm sein, es darf kein Deindustriealisierungsprogramm für Deutschland sein. Die Einigung der beiden Minister hat im Interesse der Bürger einen Weg aufgezeigt.

Der nächste Komplex ist Zypern. Zypern hat im vergangenen Jahr bereits einen Antrag gestellt im Rahmen des ESM. Dort sind die Spielregeln, dass man 80 Prozent der Stimmen braucht. Deutschland hat 27 Prozent des Stammkapitals des ESM geleistet. Ohne die Zustimmung Deutschlands kann es kein Geld aus dem ESM geben. Und die Spielregeln des ESM sind klar. Die Troika - also IWF, Europäische Zentralbank und Europäische Kommission - muss ihren Bericht vorlegen, in dem sie die Situation beschreibt und den Weg zur Lösung hin nachvollziehbar und glaubwürdig aufzeigt. Dringend reformiert werden muss der völlig überdimensionierte Bankensektor auf Zypern. Dann muss das Problem der Geldwäsche angepackt werden. Hier müssen die finanziell üblichen Standards auch für Zypern gelten. Auch die russischen Gläubiger und Investoren sollen sich an der Rettung beteiligen. Die sind ja auch betroffen. Deshalb ist hier dieser Bericht abzuwarten. So wie die Situation sich bisher darstellt, sehe ich die Mehrheit für eine solche Maßnahme nicht. Entscheidend wird sein, wie die Entwicklung nach dem Bericht der Troika aussehen wird.

Dann ist das Thema doppelte Staatsbürgerschaft in der Diskussion. Wir sollten uns die Optionsregelung genau ansehen. Das darf nicht Gegenstand rein ideologischer Diskussionen sein. Deshalb plädiere ich für eine ideologische Abrüstung. Wir müssen es schaffen, dass wir gut ausgebildete Menschen für Deutschland gewinnen können. Das ist für Deutschland entscheidend. Innerhalb der EU haben wir das Phänomen doppelter Staatsbürgerschaften. Dort ist es auch kein Problem. Deshalb muss man in aller Ruhe überlegen, ob es ein Instrument ist, um qualifizierte, junge Arbeitskräfte auch für Deutschland stärker zu interessieren. Entscheidend ist nicht, ob einer zwei Pässe hat, entscheidend ist, ob er sich für Deutschland auch innerlich entscheidet. Qualifizierte Zuwanderung ist die Voraussetzung, um Wohlstand in Deutschland zu halten und ihn weiter auszubauen.

Das sind die Kernpunkte, die heute sicherlich die Diskussion bestimmen werden.

Frage: Herr Brüderle, noch eine Frage zur aktuellen Entwicklung heute: Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung getroffen, gleichgeschlechtlichen Paaren mehr Aussicht beim Adoptionsrecht einzuräumen. Was bedeutet das für die FDP? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass gleichgeschlechtliche Paare auch Kinder adoptieren können?

BRÜDERLE: Also es ist ein Beschluss, der der Haltung der FDP entspricht. Wir fordern ja aus guten Gründen in unserem Parteiprogramm eine Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften - auch steuerlich. Das ist bisher nicht umsetzbar gewesen, auch nicht in der Koalition. Das ist für mich ein weiterer Schritt in der Entwicklung dazu, dass es hier zum Abbau von Benachteiligungen kommt. Insofern kann ich die Gerichtsentscheidung nur begrüßen.

Frage: Noch eine Frage zum Mindestlohn. Glauben Sie noch, dass es in dieser Legislaturperiode möglich ist, dass sich Union und FDP auf eine gemeinsame Linie verständigen und dass im Bundestag noch irgendetwas daraus erfolgt?

BRÜDERLE: Ich kann mir das schon vorstellen, zumal die Union und wir uns einig sind in der Ablehnung des flächendeckenden, gesetzlichen Mindestlohns. Das wollen wir beide nicht, was die SPD betreibt und was die Linken machen und was die Gewerkschaften machen. Das wollen wir nicht. Ich habe bewusst darauf hingewiesen, dass es in einer Fülle von Branchen bereits Regelungen gibt. Das Entscheidende ist ja immer, dass man Menschen hilft. Die Union und wir haben ein sehr vertrauensvolles Verhältnis und werden auch die Gespräche untereinander vertrauensvoll führen. Das Ergebnis der Gespräche kennt man nicht zu Beginn oder bei einem Zwischenstand, sondern am Ende der Gespräche.

Fragen: Noch eine Nachfrage. Es gibt ja auch Stimmen aus der FDP, die sagen, mit einem Stundenlohn von 3 oder 4 Euro kann man heutzutage nicht über die Runden kommen. Das hat sich ja bei allen auch so festgesetzt und davon sind ja auch alle überzeugt.

BRÜDERLE: Das ist ein sehr komplexes Thema. Für mich ist das Thema Mindesteinkommen sehr wichtig. Das Mindesteinkommen ist etwas anderes als ein Mindestlohn, weil auch die These mit einzubeziehen ist, dass es besser ist, durch einen Job etwa zwei Drittel dessen, was man als Mindesteinkommen braucht, selbst zu verdienen und nur ein Drittel durch einen Sozialtransfer zu bekommen. Das ist auch ein Aspekt, der mit einbezogen werden muss. Aber es gibt eine Fülle von Themen, die hier zusammenfließen. Entscheidend ist letztlich, dass man eine sachgerechte Position hat und dass es nicht ein Gegenstand nur von Ideologien ist, die man herumträgt und die den Betroffenen am Schluss nicht helfen. Das ist die Gefahr, wenn man es ideologisch betrachtet und es nur als Wahlkampfmunition benutzt und nicht die Priorität hat, den betroffenen Menschen helfen.

*

Quelle:
Presseservice der Liberalen
FDP-Bundestagsfraktion
Pressestelle
Platz der Republik, 11011 Berlin
Telefon: 030/227 52 378
Fax: 030/227 56 778
E-Mail: pressestelle@fdp-bundestag.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2013