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PRESSEKONFERENZ/2001: Regierungspressekonferenz vom 24. Februar 2020 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Montag, 24. Februar 2020
Regierungspressekonferenz vom 24. Februar 2020

Themen: Reise des Bundesaußenministers nach New York, Reise des Bundesentwicklungsministers nach Bangladesch und Indien, Coronavirus, Finanzsituation der gesetzlichen Krankenkassen, Lage in Syrien, freiwilliger Polizeidienst
Sprecher: SRS'in Demmer, Adebahr (AA), Rock (BMZ), Grünewälder (BMI), Ewald (BMG), Wagner (BMWi), Collatz (BMVg)


Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt SRS'in Demmer sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

Adebahr: Ich möchte Ihnen gern ankündigen, dass Außenminister Maas übermorgen, also am Mittwoch, nach New York reisen wird, um dort an Sitzungen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen teilzunehmen. Themen dabei sind u. a. die humanitäre Situation in Syrien. Außerdem plant Außenminister Maas, den Sicherheitsrat über die Ergebnisse des Treffens des internationalen Nachfolgekomitees zur Libyen-Konferenz hier in Berlin zu unterrichten.

Dann wird Außenminister Maas in New York bei den Vereinten Nationen noch eine Veranstaltung im Rahmen der Allianz für den Multilateralismus leiten. Dort sind der Schutz der Menschenrechte im 21. Jahrhundert, Digitalisierung, Klimawandel und Frauenrechte große Themen. Das ist auch ein Thema heute bei der Reise des Außenministers nach Genf zum Menschenrechtsrat, wo auch eine Veranstaltung der Allianz für den Multilateralismus zu "impunity", Straflosigkeit, stattfindet.

Bereits morgen wird Außenminister Maas gemeinsam mit der schwedischen Außenministerin ein Ministertreffen der sogenannten Stockholm-Initiative hier in Berlin abhalten. Die Stockholm-Initiative ist eine Initiative für nukleare Abrüstung und den Nichtverbreitungsvertrag, dessen Überprüfungskonferenz ja in diesem Frühjahr ansteht. Dafür sollen positive Impulse gegeben werden. Die Ergebnisse aus dieser Konferenz zum Thema Abrüstung wird der Minister dann am Mittwoch und Donnerstag auch mit nach New York nehmen, um sie in New York bei den Vereinten Nationen zu präsentieren.

Frage: Frau Adebahr, vielleicht einmal ins Blaue hinein gefragt: Sie sagten, es gebe eine Sitzung des UN-Sicherheitsrat zu Idlib. Es drängt ja schon sehr. Soweit ich es jetzt überblicke, ist noch nicht klar, wie da mit den Akteuren eine Einigung erzielt werden kann. Ist da eine konkrete Vorlage geplant, die der Minister in den Sicherheitsrat einbringen wird? Können Sie das ein bisschen erläutern?

Adebahr: Die humanitäre Lage in Syrien ist regelmäßig auf der Agenda des Sicherheitsrates. Nächste Woche Donnerstag reist Außenminister Maas nun an, um einer solchen regelmäßig stattfindenden Sitzung beizuwohnen, weil uns die Lage in Idlib massiv besorgt. Wir sehen dort alle diese humanitäre Katastrophe mit 900 000 Menschen auf der Flucht. Deshalb nutzen wir alle politischen Foren, die möglich sind, um auf eine Beruhigung der Lage und vor allen Dingen auf Zugang für die humanitären Organisationen hinzuwirken.

Ich kann Ihnen jetzt aus dem Hut nicht sagen, ob es eine konkrete Resolution geben wird. Das reiche ich aber gern nach.

Rock: Bundesentwicklungsminister Gerd Müller reist heute und morgen nach Bangladesch und Indien. Er ist bereits zu einer Reise aufgebrochen. Im Zentrum der Reise stehen die Arbeitsbedingungen in den globalen Lieferketten, insbesondere im Textilsektor, der Kampf gegen Kinderarbeit in der Region sowie die Lage der Rohingya-Flüchtlinge in Bangladesch.

Bangladesch ist weltweit der zweitgrößte Textilproduzent, Deutschland der wichtigste Abnehmer von Textilien aus Bangladesch. Vor Ort wird Minister Müller eine Textilfabrik besichtigen, die bereits nach den Kriterien des staatlichen Textilsiegels "Grüner Knopf" produziert. Er wird außerdem in der Hauptstadt Dhaka Gespräche mit Premierministerin Sheikh Hasina und Außenminister Abdul Momen führen.

In Indien wird der Minister landwirtschaftliche Betriebe besuchen, in denen Reis und Tee angebaut werden. Er wird außerdem einen Steinbruch im Bundesstaat Assam besichtigen. In der Hauptstadt Neu-Delhi besucht er gemeinsam mit Friedensnobelpreisträger Kailash Satyarthi eine Unterkunft für misshandelte Kinder.

Zum Abschluss der Reise wird Minister Müller Premierminister Modi und Energieminister Kumar Singh treffen.

Frage: Eine Frage zum Coronavirus an gleich drei Ministerien, nämlich das Bundesgesundheitsministerium, das Innenministerium und das Auswärtige Amt.

Wir haben ja erlebt, dass jetzt Züge gestoppt wurden, auch wenn sie dann weitergefahren sind. Inwieweit ist das BMI in Planungen involviert, Grenzen zu schließen, wenn es zu ähnlichen Vorfällen an der österreichisch-deutschen, an der schweizerisch-deutschen oder an der französisch-deutschen Grenze kommen könnte?

Es gab eine Telefonschalte, soweit ich weiß, mit den europäischen Gesundheitsministern. - Das ist eine Frage an das Gesundheitsministerium.

Und an das Außenministerium die Frage: Gibt es so etwas wie Reisewarnungen?

Grünewälder: Das BMI und seine Geschäftsbereichsbehörden, vor allem die Bundespolizei, beobachten die Situation um das Coronavirus sehr genau. Wir überprüfen ständig die vorhandenen und etablierten Verfahren. Für das BMI ist hier aber die Risikoeinschätzung des Bundesgesundheitsministeriums, vor allem des Robert-Koch-Instituts, wegweisend und Richtschnur des eigenen Handelns. Dazu stehen wir in engem Austausch mit dem Bundesgesundheitsministerium und sonst innerhalb der Bundesregierung. Grenzschließungen und ähnliche Maßnahmen gehören im Moment nicht zu unseren Überlegungen.

Ewald: Für das Bundesgesundheitsministerium kann ich Ihnen dazu sagen, dass wir die Lage in Italien aufmerksam beobachten. Wir stehen dazu in ständigem Kontakt zu unseren europäischen Partnern und passen auch unsere Risikobewertungen laufend der dynamischen Situation an.

Wir haben es bislang in Deutschland geschafft, einzelne Infizierte zu isolieren und zu behandeln und so eine Ausbreitung des Virus zu verhindern. Das bleibt weiter unser Ziel.

Bundesgesundheitsminister Spahn wird heute am frühen Nachmittag die Lage in Italien noch einmal einordnen. Sie sind also herzlich eingeladen, dort entsprechende Fragen zu adressieren. Dem Statement kann ich jetzt von dieser Stelle nicht vorgreifen.

Adebahr: Nein, es gibt keine Reisewarnung für Italien. Derzeit planen wir auch eine solche nicht.

Wann sprechen wir Reisewarnungen aus? Das kommt immer auf den Terminus an. Wir sprechen sie dann aus, wenn es aufgrund einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben notwendig ist, vor Reisen in ein Gebiet oder einen Landesteil zu warnen.

Das sehen wir derzeit nicht. Aber wir haben heute Morgen unsere Reise- und Sicherheitshinweise angepasst. Wir bitten alle Reisenden nach Italien, diese aufmerksam zu verfolgen und zu lesen. Weitere Anpassungen, wenn nötig, nehmen wir fortlaufend vor. Wir haben in unseren neuen Reise- und Sicherheitshinweisen die Maßnahmen beschrieben, die die italienische Regierung derzeit umsetzt. Sie finden dort auch die Nummer und die Ansprechpartner für eine Hotline, die italienische Stellen und Behörden und, glaube ich, auch das italienische Gesundheitsministerium eingerichtet haben. Wir empfehlen allen Reisenden, die sich informieren wollen, sich dort und auch auf den Webseiten Informationen zu holen.

Selbstverständlich stehen unsere Botschaft und unsere Konsulate auch für Auskünfte zur Verfügung. Auch die italienischen Vertretungen hier in Deutschland haben uns noch einmal mitgeteilt, dass sie bei Fragen als Ansprechpartner für deutsche Reisende, die nach Italien reisen möchten, zur Verfügung stehen.

Frage: Herr Grünewälder, Sie haben jetzt gesagt, dass Grenzschließungen und ähnliche Maßnahmen im Moment nicht zu Ihren Überlegungen gehören. Können Sie denn sagen, ob es prinzipiell eine rechtliche Grundlage für solche Grenzschließungen bei Gesundheitsgefährdungen gäbe und ob es in den letzten Jahren jemals dazu gekommen ist.

Grünewälder: Ja, das kann ich Ihnen sagen. Das richtet sich nach dem Schengener Grenzkodex. Die Wiedereinführung von Binnengrenzkontrollen wird in den Artikeln 25 ff. vorgesehen. Sie setzt eine ernsthafte Bedrohung für die öffentliche Ordnung oder die öffentliche Sicherheit voraus und ist zunächst für die Dauer von 30 Tagen zulässig.

Sie erinnern sich, dass wir derzeit aus sicherheitspolitischen Gründen an der deutsch-österreichischen Grenze Grenzkontrollen eingeführt haben, aber mit anderem Fokus. Auch sie richten sich nach Artikel 25 des Schengener Grenzkodexes. Das ist also grundsätzlich möglich.

Zusatzfrage: Ich meinte jetzt gesundheitsbedingte Schließungen. Hat es solche jemals gegeben, seitdem Schengen in Kraft getreten ist?

Grünewälder: Das ist mir nicht bekannt.

Frage: Sie haben jetzt über die Grenzen gesprochen. In Italien sind auch ganze Orte und Ortschaften abgeriegelt worden. Ist das in Deutschland denkbar? Ist das möglich und eventuell auch in entsprechenden Notfallplänen vorgesehen?

Grünewälder: Entsprechende Überlegungen bestehen im BMI nicht.

Aber für die Frage Pandemieplan und Epidemieplan ist das BMG zuständig. Die Frage würde ich also dorthin abgeben. Es ist vieles theoretisch möglich. Aber im Moment ist das keine Überlegung.

Ewald: Ich kann das gern ergänzen. Sie wissen, bislang ist es uns ja gelungen, die wenigen Infizierten zu isolieren und zu behandeln sowie deren Kontaktpersonen engmaschig in häuslicher Quarantäne zu betreuen. Das bleibt weiterhin unser Ziel. Gleichwohl lässt das Infektionsschutzgesetz abstrakt diese Möglichkeit zu. Die Umsetzung läge dann aber bei den Bundesländern.

Frage: An das Gesundheitsministerium: Wie ist Ihre Einschätzung angesichts dessen, was in Italien passiert ist? Ist das Virus aus Ihrer Sicht außer Kontrolle? Würden Sie mittlerweile von einer Pandemie sprechen?

Und allgemein habe ich die Frage; ich weiß gar nicht, wer sie beantwortet: Wer ist denn eigentlich zuständig, um bestimmte Maßnahmen wie Quarantäne und dergleichen auszurufen? Ist das Ländersache? Ist das Sache der Gesundheitsminister der Länder, die sich zusammenschließen, oder wer entscheidet dann, ob Schulen geschlossen oder Quarantäne-Maßnahmen wie in Italien durchgeführt werden müssen?

Ewald: Zu Ihrer ersten Frage: Minister Spahn war ja vor circa anderthalb Wochen auf dem Treffen der europäischen Gesundheitsminister in Brüssel und hat in dem Zusammenhang noch einmal betont, dass es nicht auszuschließen ist, dass sich aus einer regional begrenzten Epidemie eine globale Pandemie entwickelt. Das ist nach wie vor die Einschätzung, die wir haben.

Zur Frage der Quarantäne: Wir hatten jetzt ja einige Fälle, also Rückkehrer aus Wuhan, aus den besonders betroffenen Infektionsgebieten. Da ist es so gewesen, dass die Anordnung für die Quarantäne - wir hatten ja sowohl häusliche Quarantäne als auch eine zentrale Unterbringung - durch die jeweiligen Gesundheitsämter vor Ort entschieden wurde.

Zusatzfrage: Zur ersten Frage noch einmal: Wenn der Wirt des Virus in Italien nicht gefunden werden kann - dieser berühmte "Patient Null" -, muss man dann nicht davon sprechen, dass das Virus außer Kontrolle ist?

Ewald: Die Risikoeinschätzung wird, wie gesagt, durch das Robert-Koch-Institut vorgenommen. Ich kann die aktuelle Lageeinschätzung vortragen:

Gegenwärtig gibt es keine Hinweise für eine anhaltende Viruszirkulation in Deutschland, sodass die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell weiterhin gering bleibt. Es ist offen, ob es gelingen wird, die weltweite Ausbreitung des Erregers einzugrenzen. Daher kann sich diese Einschätzung kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.

Frage: Sie haben darüber gesprochen, dass die Gesundheitsämter über eine Quarantäne entscheiden. Wie ist es denn aber bei anderen Maßnahmen? Wir haben in Italien beispielsweise gesehen, dass in die Supermärkte, die dort sehr stark frequentiert werden, nur noch Gruppen von gewissen Größen hineingelassen werden. Gibt es, was das anbelangt, eine Verantwortung seitens der Länder oder der Kommunen, oder ist das privatwirtschaftlich geregelt?

Dazu eine zweite Frage: Der französische Innenminister hat gestern Morgen bereits gesagt, dass sich Frankreich auf eine Epidemie in Frankreich vorbereite. Rechnet die Bundesregierung mittlerweile aufgrund der immer weiter steigenden Fallzahlen auch in Nachbarländern und europäischen Ländern mit einem großflächigen Ausbruch dieser Krankheit auch in Deutschland?

Eine letzte Frage: Im Iran hat heute Morgen ein Abgeordneter aus der Stadt Ghom für Aufregung gesorgt, weil er gesagt hat, dass die Regierung den Ausbruch der Krankheit und die Zahlen dort massiv verschweige. Er hat gesagt, allein in Ghom gebe es nicht nur acht Tote, sondern über 50, und verlangte von der iranischen Regierung die Quarantäne der 1,2-Millionen-Menschen-Stadt. Das wurde auch über die Staatsnachrichten transportiert.

Wenn gerade Länder wie der Iran offenbar sehr intransparent oder vielleicht auch propagandistisch mit dieser Krankheit umgehen, muss man dann bei solchen Ländern und Regimen spezielle Maßnahmen ergreifen, was beispielsweise Flugreisen aus diesen Ländern betrifft?

Ewald: Ich bitte um Nachsicht, aber ich kann jetzt keine weiteren Detaileinschätzungen zu Ihren Fragen vornehmen. Ich möchte auf das Statement von Minister Spahn um 14.30 Uhr verweisen und dem an dieser Stelle nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Und zum Thema des Irans?

Adebahr: Was internationale Fragen betrifft, sehen wir ja, dass zum Beispiel auch Südkorea betroffen ist und dass auch Japan sehr stark betroffen ist. Wir sehen auch den Iran. Wir befassen uns im Krisenstab auch mit der Lage im Iran.

Wir werben dafür, dass alle Länder mit ihrer Informationspolitik zu dem Virus transparent, sehr genau und nach möglichst gleichen Standards umgehen. Deshalb kommt es auch entscheidend auf die Weltgesundheitsorganisation WHO an - sie ist, glaube ich, heute zum Beispiel das erste Mal in Wuhan vor Ort - und darauf, dass sich die Informationen dort bündeln und alle Länder im Rahmen der Standards, die von dort gesetzt werden, darüber informieren.

Was die Reisen in den Iran und aus dem Iran betrifft, ist es natürlich eine Entscheidung der Fluglinien, wie sie angesichts des Reiseverhaltens dort weiter vorgehen. Aber ja, wir beobachten auch die Situation im Iran im Moment mit einiger Sorge.

Frage: Frau Adebahr, die Transparenz der Weltgesundheitsorganisation ist auch bei anderen Epidemien oder Pandemien in der Vergangenheit diskutiert worden. Sehen Sie dabei inzwischen Fortschritte, oder glauben Sie, dass es Anhaltspunkte dafür gibt, dass die Weltgesundheitsorganisation vielleicht noch weiterhin Probleme mit Transparenz hat beziehungsweise dass sie so politisiert wird, dass vollständige Transparenz einfach nicht möglich ist?

Adebahr: Was die Corona-Krise betrifft, sehen wir, dass die Weltgesundheitsorganisation zum einen wirklich bemüht ist, sich Zugang zu verschaffen, und dass sie zum anderen auch bemüht ist und funktioniert, indem sie Informationen sammelt und für gemeinsame Informationsstandards und Transparenz wirbt. Ich weiß nicht, ob der Kollege aus dem Gesundheitsministerium in der Historie noch andere Einschätzungen hat, aber für die Corona-Krise im Moment wäre das unsere Einschätzung.

Ewald: Ich habe dazu keine andere Einschätzung.

Frage: Ich habe noch eine Frage zu anderen Ländern, nämlich zu Afrika. Es fällt auf, dass es so gut wie keine Meldungen von dort gibt, was erstaunlich ist, weil wir alle wissen, dass China in Afrika wirtschaftlich sehr stark engagiert ist.

Ich weiß nicht genau, an wen ich diese Frage richten soll, schaue aber erst einmal Sie an, Frau Adebahr. Wie schätzen Sie das ein? Ich möchte das Wort "Blackbox" nicht verwenden, aber es ist ein bisschen schwierig.

Adebahr: Es gibt vereinzelte Meldungen über verschiedene Länder, gerade auch mit einkommendem Flugverkehr. Aber ich habe es, ehrlich gesagt, nicht im Kopf. Es ist nicht so, dass man sagen könnte: Man hat ein großes Bild von Afrika und von einem möglichen Ausbruch dort.

Im Moment sehen wir, dass es Japan, Südkorea und wohl auch Nordkorea betrifft, dass es den Iran betrifft. Dann gibt es eine Komponente, die nach Afghanistan hineingeht. Insofern steht diese Gegend im Moment im Fokus.

Zusatzfrage: An das Gesundheitsministerium, auch wenn Sie Herrn Spahn nicht vorgreifen wollen: Alle Fachleute, die man fragt, sagen: Eine Pandemie in Deutschland wäre ein Riesenproblem. Die Gesundheitsämter sind heruntergefahren. Wir haben nicht die Bettenkapazität für Notfälle.

Sehen Sie Deutschland gerüstet, wenn es denn dazu käme?

Ewald: Das deutsche Gesundheitswesen ist eines der besten der Welt. Jedes Jahr meistern Ärzte und Pflegekräfte Grippe- und Erkältungswellen, in deren Folge teilweise mehrere Tausend Menschen sterben. Die ersten Infektionsfälle in Deutschland haben jetzt auch gezeigt, dass wir auf allen Ebenen gut vorbereitet sind.

Frage: Schließt Ihre Bewertung ein, dass es ausreichend Desinfektionsmittel, Notfallpläne, Masken und alles, was gebraucht wird, gibt? Ist das Land tatsächlich darauf vorbereitet, im Zweifelsfall großflächige Quarantänemaßnahmen zu ertragen?

Ewald: Ich habe Ihnen die Einschätzung vorgetragen. Sie müssten dann bitte das Statement von Herrn Spahn abwarten. Das, was ich Ihnen als Einschätzung vorgetragen habe, kann ich jetzt nicht weiter ergänzen.

Frage: Meine Frage geht an das Wirtschaftsministerium. Gibt es mittlerweile irgendwelche Auswirkungen des eingebrochenen Chinageschäfts auf die deutsche Wirtschaft?

Wagner: Mit dem Thema des Coronavirus beschäftigen wir uns natürlich auch im Bundeswirtschaftsministerium sehr intensiv. Wir stehen dazu in sehr engem Kontakt mit den Wirtschaftsverbänden und den Unternehmen, um laufend aktuelle Lagebilder über die jeweiligen Auswirkungen in den unterschiedlichen Branchen zu haben und um auch auf mögliche Folgen vorbereitet zu sein. Wir tauschen uns dazu auch mit den Kollegen in den anderen Ressorts, insbesondere im Gesundheitsministerium und im Auswärtigen Amt, sehr eng aus, um die aktuelle Lage immer mitzuverfolgen.

Es kursieren ja teilweise schon verschiedenste Zahlen von Instituten. Wir sind sehr vorsichtig damit, irgendwelche Einschätzungen abzugeben. Sehr viel hängt davon ab, wie sich die weitere Lage jetzt entwickelt. Natürlich kann es dazu kommen, dass die Lage in China, wenn die Bänder derzeit stillstehen, Auswirkungen in der Form hat, dass Vorleistungsgüter nicht geliefert und deshalb industrielle Prozesse auch in Deutschland verlangsamt und unterbrochen werden können. Das schauen wir uns genau an und haben es genau im Blick. Aber für eine Einschätzung von Auswirkungen, die vielleicht sogar bezifferbar wären, ist es zum jetzigen Zeitpunkt noch sehr früh. Viel hängt auch davon ab, wie sich die weitere Lage entwickelt. Das betrifft insbesondere die Frage, ob es vielleicht Auswirkungen auf gesamtwirtschaftlicher Ebene gibt. Die Erfahrungen in anderen Situationen zeigen, dass es dann später im Jahr oft zu Nachholeffekten kommt. Deshalb ist es immer sehr schwierig, irgendwelche Prognosen oder Projektionen abzugeben, solange man nicht weiß, wie sich die Lage in den nächsten Wochen und Monaten weiterentwickelt.

Frage: Aus tatsächlichem Interesse und jenseits von Panikmache: Gibt es Planspiele im Bundeswirtschaftsministerium, Ausfälle durchzurechnen und so etwas wie Bürgschaften zu übernehmen?

Wagner: Die jetzige Lage kann, wie gesagt, dazu führen, dass verschiedene Güter aus China vielleicht nicht geliefert werden können. Dazu sind wir im Kontakt mit der Wirtschaft. Dabei ist auch immer die Frage, wie hoch die Lagerbestände sind etc. Das hängt ja von sehr vielen Faktoren ab.

Aber dass wir jetzt - - - Das Wort, das Sie jetzt in den Mund genommen haben - - - Ich weiß nicht mehr genau, was es war - - - Ich glaube, wir müssen schon sehen, dass die Folgen aus jetziger Sicht beherrschbar sind. Wir verfolgen alles Weitere, um auf alles vorbereitet zu sein. Aber es gibt jetzt diesbezüglich meiner Kenntnis nach keine Planungen.

Frage: Herr Ewald, Sie haben gesagt, wir hätten eines der besten Gesundheitssysteme der Welt. Das ist sicherlich richtig. Ich selbst habe am Freitag in drei Berliner Apotheken versucht, Atemschutzmasken zu bekommen. In allen drei wurde mir gesagt, sie seien ausverkauft und derzeit nicht lieferbar.

Sind aus Ihrer Sicht nicht nur die Behörden, sondern auch die Bevölkerung vorbereitet, oder haben Sie von diesen Lieferengpässen, auch wenn meine drei Besuche natürlich nicht repräsentativ sind, schon gehört?

Ewald: Das RKI hat eine Einschätzung, was die Schutzqualität von Atemschutzmasken angeht, im Rahmen seiner FAQs auf seiner Homepage hinterlegt. Ich würde Sie bitten, die Einschätzung dort nachzuvollziehen. Demnach gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis darüber, dass das Tragen von Mund-Nasen-Schutz in der Öffentlichkeit vor Infektionen mit dem neuartigen Coronavirus schützt. Das einmal dazu.

Wir empfehlen beim Kauf einer Atemschutzmaske, dass sogenannte partikelfilternde Halbmasken zur medizinischen Verwendung in erster Linie für medizinisches Personal vorzusehen sind. Diese Masken sind dann auch grundsätzlich zum längeren Tragen für einen mehrfachen Einsatz geeignet.

Das ist es, was ich Ihnen dazu sagen kann.

Frage: Gibt es jenseits der Maßnahmen, die die Gesundheitsämter beschließen, die Möglichkeit, so etwas wie den nationalen Gesundheitsnotstand auszurufen? Wenn ja, wer würde das gegebenenfalls tun?

Ewald: Ich kann das jetzt nicht weiter einordnen in diesen Was-wäre-wenn-Fragen. Ich bitte um Nachsicht, dass ich dazu jetzt keine Aussage treffen kann.

Es gibt, wie gesagt, Pandemiepläne. Es gibt grundsätzlich Möglichkeiten, in einer Bewertung der Lage auch entsprechende Maßnahmen zu ergreifen. Darauf sind wir gut vorbereitet.

Frage: Ich bleibe beim Gesundheitsministerium, habe aber ein ganz anderes Thema. Die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" meldet heute, dass erstmals seit Jahren wieder ein erhebliches Defizit bei den gesetzlichen Krankenkassen aufgelaufen sei.

Können Sie das so bestätigen? Halten Sie das für einen Ausreißer, oder zeichnet sich damit eine Trendwende ab? Würden Sie sagen, dass Gesetze wie das zum fairen Kassenwettbewerb mittelfristig wieder für eine Entlastung sorgen können?

Ewald: Bitte haben Sie dafür Verständnis, dass wir die Zahlen nicht kommentieren. Das sind eigene Erhebungen der "FAZ". Wir werden die Zahlen wie üblich im Rahmen einer Pressemitteilung Anfang März veröffentlichen und auch entsprechend einordnen. Insofern bitte ich Sie noch um ein bisschen Geduld.

Frage: An das Bundesinnenministerium zum Thema freiwillige Polizeidienste: In sozialen Medien gibt es gerade etwas Aufregung um die Sächsische Sicherheitswacht. Nun gibt es die ja schon seit etwa 20 Jahren: Welche Erkenntnisse hat das Bundesinnenministerium darüber, dass solche freiwilligen Polizeidienste - es gibt sie ja auch in anderen Bundesländern - auch Rechte anziehen?

Grünewälder: Zunächst einmal möchte ich Ihnen sagen, dass nach Ansicht des Bundesinnenministeriums der Staat für den Schutz seiner Bürger zuständig ist, und nicht private oder freiwillige Sicherheitsdienste.

Zu dem konkreten Fall möchte ich Sie bitten, sich an die sächsischen Behörden zu wenden; dazu liegen mir keine Erkenntnisse vor.

Zusatzfrage: Wie schätzen Sie das Instrument der freiwilligen Polizeidienste denn generell ein?

Grünewälder: Das habe ich Ihnen ja gerade zu sagen versucht, indem ich Ihnen gesagt habe, dass nach unserer Ansicht für den Schutz der Bürger der Staat zuständig ist und damit die Sicherheitsbehörden und die Polizeien - Landespolizeien und auf Bundesebene die Bundespolizei, das Bundeskriminalamt etc.

Frage: An das BMVg: Die Situation in Idlib wurde vorhin schon angesprochen. Mich interessiert noch ein anderer Aspekt: Es gab in den letzten Tagen vermehrt Berichte, wonach es dort indirekte oder auch direkte Zusammenstöße zwischen türkischen und russischen Einheiten gegeben habe, wobei mehrere türkische Soldaten getötet und verletzt worden sein sollen. Die Türkei hat daraufhin etwas von Patriot-Raketen und Ähnlichem erzählt, was an ihrer Grenze positioniert werden soll.

Erste Frage: Gab es irgendeine Art von Anfrage seitens des Nato-Partners Türkei nach Militärhilfe für die Türkei oder sogar für Nordsyrien?

Zweite Frage: Wie schätzt die Bundesregierung diese Luftangriffe aufeinander und die massive türkische Militärpräsenz im Nordwesten Syriens ein?

Collatz: Mir liegen keinerlei Anfragen und Kenntnisse darüber vor. Mehr kann ich dazu nicht sagen.

Zusatzfrage: Wie schätze Sie die Sicherheitslage ein, wenn die beiden Armeen dort immer stärker miteinander in Konfrontation liegen? - Wenn das BMVg das nicht beantworten kann, geht die Frage an die Bundesregierung oder an das Auswärtige Amt.

SRS'in Demmer: Mir liegen dazu keine Informationen vor, und das ist jetzt kein Thema, das sich für Spekulationen eignen würde.

Frage: An die Bundesregierung: Der Sprecher der Anti-IS-Koalition hat, glaube ich, am Donnerstag gesagt, Idlib sei ein Magnet für Terrorgruppierungen. Teilt die Bundesregierung diese Einschätzung?

Adebahr: Zu Ihrer Frage und auch zur vorherigen Frage: Dass die Situation in Idlib explosiv ist und dass es darum geht, dort die Gewalt von allen Seiten zu reduzieren, ist, glaube ich, unbestritten. Wir sehen weiterhin IS-Zellen, die in Syrien sind, und wir sehen natürlich auf der anderen Seite auch das Assad-Regime, das dort neben der Türkei vorgeht und das sich weiterhin einer politischen Lösung verweigert.

Was tut Deutschland in einer solchen Situation? Wir drängen darauf, dass die Kämpfe dort beendet werden, dass es Ruhe gibt und dass es Zugang für humanitäre Helfer gibt. Ich glaube, die Kanzlerin hat seit Donnerstag auch mit dem französischen Präsidenten sehr viele Gespräche geführt, auch telefonisch, und da gab es ja auch verschiedene Ankündigungen. Das ist also das, was Deutschland dazu tut: eben mit Russland und mit der Türkei im Gespräch zu sein, um eine Lösung zu finden, um in dieser Situation dort zu einem Waffenstillstand oder erst einmal einer Waffenruhe zu kommen.

SRS'in Demmer: Genau. Ich kann noch einmal darauf verweisen, dass ich hier am Freitag auf die Erklärung des Europäischen Rates zur Lage verwiesen habe. Die Kanzlerin hat gemeinsam mit dem französischen Staatspräsidenten Macron mit Erdogan und Putin telefoniert. Wir nehmen die Lage also ernst und sind da grundsätzlich bereit, Gespräche zu führen. Die humanitäre Situation in der Region wäre ein - - - Es steht ja auch ein Treffen im Raum, und das wäre sicherlich gut.

Zusatzfrage: Das hat meine Frage jetzt aber nicht ganz beantwortet. Der Sprecher der Anti-IS-Koalition hat ganz klar von einem Magnet für Terrorgruppierungen gesprochen, und damit sind wohl nicht nur einzelne IS-Zellen gemeint, sondern auch andere Gruppierungen. Beispielsweise kann ich da gerne die HTS in Idlib nennen, die ja von Deutschland auch als Terrorgruppierung geführt wird.

Deshalb noch einmal meine Frage: Teilt die Bundesregierung die Einschätzung, dass Idlib ein Magnet für Terrorgruppierungen ist?

Adebahr: Ich habe dieses Statement nicht gehört, deswegen will ich mich nicht darauf beziehen.

Ich wiederhole noch einmal: Wir wissen, dass in Syrien und auch in Idlib Terrorgruppierungen aktiv sind. Diese Terrorgruppierungen werden natürlich von deutscher Seite in keinster Weise unterstützt.

Ich will auch noch einmal sagen: Der Kampf gegen Terror und gegen Terrorgruppierungen darf nicht auf dem Rücken der Zivilbevölkerung ausgefochten werden und darf auch nicht zulasten von dringend notwendiger humanitärer Hilfe gehen.

Montag, 24. Februar 2020

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 24. Februar 2020
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-24-februar-2020-1724934
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veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Februar 2020

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