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PRESSEKONFERENZ/1870: Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2019 (BPA)


Presse- und Informationsamt der Bundesregierung

Im Wortlaut
Mitschrift der Pressekonferenz - Mittwoch, 12. Juni 2019
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2019

Themen: Empfang des Ministerpräsidenten der Republik Nordmazedonien, Kabinettssitzung (Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung, Gesetzentwurf zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren, Bericht der Bundesregierung über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß § 96 Bundesvertriebenengesetz in den Jahren 2017 und 2018), Reise des Bundesaußenministers nach Norwegen, angekündigtes Ausscheiden der Bundesjustizministerin aus dem Amt, mögliches Weißbuch zum Multilateralismus, Medienberichte über Festnahmen von Demonstranten in Moskau, Diskussion über eine CO2-Bepreisung, mögliche Rückführung von deutschen IS-Mitgliedern und ihren Familien nach Deutschland, Retourenvernichtung im Onlinehandel, Äußerungen des EU-Kommissionspräsidenten zum italienischen Haushaltdefizit, Demonstrationen in Hongkong, Gedenk- und Erinnerungsort für die Opfer der deutschen Besatzung in Polen, Angriffe auf Moscheen, Besuch des Kronprinzen von Abu Dhabi in Deutschland, Rüstungsexportpolitik der Bundesregierung, Verschiebung der Eröffnung des Humboldt Forums, Sitzung des Digitalkabinetts, Besuch des ukrainischen Präsidenten in Deutschland, Abschiebungen in den Sudan, EU-Nitratrichtlinie, Reise des Bundesaußenministers in den Iran

Sprecher: StS Seibert, Adebahr (AA), Malachowski (BMJV), Wogatzki (BMF), Haufe (BMU), Alter (BMI), Eichler (BMF), Audretsch (BMFSFJ), Brandt (BMEL)


Vorsitzende Buschow eröffnet die Pressekonferenz und begrüßt StS Seibert sowie die Sprecherinnen und Sprecher der Ministerien.

StS Seibert: Einen schönen guten Tag auch von mir! Vor den Kabinettsthemen will ich einen Termin ankündigen; es geht nämlich um morgen. Am Donnerstag, den 13. Juni, wird die Bundeskanzlerin um 9.30 Uhr den Ministerpräsidenten der Republik Nordmazedonien, Zoran Zaev, im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch empfangen. Es geht um die bilateralen Beziehungen, außen- und europapolitische Fragen, Fragen der Region. Das Gespräch findet morgen um 9.30 Uhr statt.

Dann komme ich zur Kabinettssitzung. Das Kabinett hat sich zunächst mit zwei Entwürfen von Gesetzen der Bundesjustizministerin befasst. In beiden Fällen geht es darum, die Rechte von Beschuldigten in Strafverfahren weiter zu stärken. Ebenfalls in beiden Fällen handelt es sich um eine Umsetzung von EU-Richtlinien in nationales Recht.

Das eine ist das Recht der notwendigen Verteidigung, das neu geregelt werden soll. Künftig werden sämtliche Haftfälle und Vorführungen vor einem Haftrichter als Fälle der notwendigen Verteidigung erfasst. Das heißt konkret, der Beschuldigte hat Anspruch auf Bestellung eines zunächst staatlich finanzierten Pflichtverteidigers, wenn dies im Interesse der Rechtspflege erforderlich ist, also zum Beispiel wegen der Schwere der Tat. Der Beschuldigte bekommt in diesen Fällen notwendiger Verteidigung auch ein eigenes Antragsrecht auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers. Das bedeutet, er kann schon vor der ersten Vernehmung einen Pflichtverteidiger erhalten. Diese Rechte sollen sowohl in Strafverfahren für Erwachsene als auch in Jugendstrafverfahren gelten.

Jugendstrafverfahren haben besondere Erfordernisse. Deswegen werden darüber hinaus einzelne Bestimmungen des Rechts auf Unterstützung durch einen Rechtsbeistand ergänzt und spezifiziert. Auch das hat das Kabinett beschlossen. Dabei geht es unter anderem darum, dass die Regelungen zur Mitwirkung der Jugendgerichtshilfe neu gefasst und die Aufgaben der Jugendgerichtshilfe im Jugendstrafverfahren konkretisiert werden. Außerdem geht es um Bestimmungen zur Benutzung audiovisueller Aufzeichnungen von Vernehmungen jugendlicher Beschuldigter.

Zum Schluss hat die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, Frau Grütters, ihren Bericht über die Maßnahmen zur Förderung der Kulturarbeit gemäß 96 Bundesvertriebenengesetz in den Jahren 2017 und 2018 vorgelegt. Diesen Bericht hat das Kabinett beschlossen.

Nach 96 Bundesvertriebenengesetz haben Bund und Länder den gesetzlichen Auftrag, das Kulturgut der historischen deutschen Ostgebiete und der deutschen Siedlungsgebiete im östlichen Europa im Bewusstsein der Vertriebenen und Flüchtlinge, des gesamten deutschen Volkes und des Auslandes zu erhalten. Zu dieser wichtigen kulturpolitischen Aufgabe gehört es zum Beispiel, dass der Bund Archive, Museen, Bibliotheken, Wissenschaft und Forschung oder auch Projekte der kulturellen Vermittlung fördert. Die Bundesbeauftragte für Kultur und Medien stellte dafür in den Jahren 2017 und 2018, also den Jahren, die dieser Bericht umfasst, insgesamt 41,1 Millionen Euro zur Verfügung. Mit weiteren rund 1,9 Millionen Euro hat das Bundesministerium des Innern im gleichen Zeitraum die verständigungspolitische Arbeit der Vertriebenen unterstützt.

Der vorgelegte Bericht informiert also über Initiativen und Entwicklungen in den beiden Jahren 2017 und 2018. Er erläutert, welche Akzente die Bundesregierung in der Förderung von Projekten setzt, und er stellt die Arbeit derjenigen Museen, Kultur- und Wissenschaftseinrichtungen vor, die der Bund dauerhaft fördert. Der Bericht belegt eindrucksvoll die Vielfalt der Vorhaben zur deutschen Kultur und Geschichte im östlichen Europa.

Seit dem Beginn der EU-Osterweiterungen 2004 kann man auch davon sprechen, dass diese Förderung eine zunehmende europäische Relevanz bekommt. Viele der Projekte haben kooperativen Charakter. Das deutsche Kulturerbe ist also in diesen Ländern zu einem verbindenden Element für ein gemeinschaftliches Europa der Kulturen geworden. Die Bundeskanzlerin konnte das kürzlich in Rumänien bei ihrem Besuch in Sibiu/Hermannstadt sehr gut erleben, wo sie Angehörige der deutschen Minderheit getroffen hat.

Adebahr: Ich möchte Ihnen ankündigen, dass Außenminister Maas an diesem Freitag nach Oslo reisen wird. Er wird dort zum einen bilaterale Gespräche mit der norwegischen Außenministerin Ine Eriksen Søreide führen. Zum anderen wird er an der Vorstellung des norwegischen Weißbuchs zum Multilateralismus teilnehmen. Mit diesem Weißbuch will die norwegische Regierung ihr Konzept internationaler Zusammenarbeit und einer regelbasierten Ordnung ausführen. Wie Sie wissen, ist es auch ein Anliegen von Außenminister Maas, dass wir gegenüber unseren internationalen Partnern für internationale Zusammenarbeit und das Prinzip des Multilateralismus eintreten. Dazu wird er heute auch - wenn ich das kurz einschieben darf - um 14 Uhr im Auswärtigen Amt auf einer Veranstaltung, die wir gemeinsam mit der Körber-Stiftung durchführen, eine Rede halten.

Wir freuen uns jedenfalls darüber, dass Norwegen diese Überzeugung mit uns teilt und den Außenminister eingeladen hat. Das ist ein starkes Signal für unsere Partnerschaft, und deswegen wird der Minister Freitag dorthin reisen.

Frage (zum Gesetzentwurf zur Neuregelung des Rechts der notwendigen Verteidigung und zum Gesetzentwurf zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten im Jugendstrafverfahren): Herr Seibert, hat das die Justizministerin eingebracht?

StS Seibert: Das hat das Justizministerium eingebracht, dem die Justizministerin vorsitzt, ja.

Zusatzfrage: Herr Malachowski, warum ist die Ministerin noch im Amt, und wann wird sie endlich zurücktreten?

Malachowski: Die Justizministerin ist im Amt, weil sie selbst nicht kündigen kann, wenn man es so sagen will. Sie müsste vom Bundespräsidenten entlassen werden. Dies ist noch nicht erfolgt. - Was war Ihre zweite Frage?

Zusatzfrage: Sie hatte nach der Europawahl den Rücktritt angekündigt. Ich hatte es so verstanden, dass sie das einen Tag später bei der Kanzlerin einreichen würde. Sie hatten das hier in der BPK an dem Montag auch nicht anders dargestellt. Darum wundert es mich, dass sie immer noch da ist.

Malachowski: Es ist wie dargestellt. Soweit ich weiß, hat sie das tatsächlich am Tag nach der Wahl eingereicht. Aber es steht nicht in ihrem eigenen Ermessen, einfach so zu kündigen und zu gehen. Soweit ich es verstanden habe, gab es die Einigung, dass man abwartet, bis eine Nachfolge benannt ist. So lang wird sie weiterhin als Justizministerin tätig sein.

StS Seibert: Um es genau zu sagen - wir haben es hier schon einmal gesagt - : Das Entlassungsgesuch von Bundesministerin Barley ist am Dienstag, den 28. Mai, im Bundeskanzleramt eingegangen. Wenn diesem Entlassungsgesuch entsprochen und die Ministerin entlassen wird, dann wird eine Nachbesetzung erfolgen. Bis zu dem Zeitpunkt führt die Ministerin die Amtsgeschäfte.

Frage: Ich bitte um Aufklärung. So, wie Herr Malachowski es bezeichnet hat, scheint es mir etwas anders zu sein als bei Herrn Seibert. Ich habe es so verstanden, dass die Ministerin erst dann zurücktreten kann, wenn ein Nachfolger benannt ist. Ist das richtig?

Malachowski: Nein. Es ist gesetzlich so geregelt - ich weiß gar nicht, wo - , dass ein Minister nicht einfach so kündigen kann, sondern entlassen werden muss.

StS Seibert: Artikel 64 Grundgesetz.

Zusatzfrage: Ja, das ist schon richtig. Die Frage ist nur: Wäre es der Ministerin lieb, möglichst früh aus dem Amt entlassen zu werden? Das spräche dafür, dass möglichst rasch ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin benannt würde. Oder soll erst einmal ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin benannt werden und die Ministerin dann zurücktreten? In welchen Zeitdimensionen spielt sich das alles eigentlich ab? Kann das im Prinzip endlos dauern?

Malachowski: Ich gehe davon aus, dass es im Prinzip endlos dauern kann. Aber in der Praxis ist es so, dass, so meine ich, am 2. Juli das Europäische Parlament zu seiner konstituierenden Sitzung zusammentritt. Ab dann ist Frau Barley dort als EP-Abgeordnete.

Aber ansonsten kann ich Ihnen dazu jetzt keine weiteren Details nennen.

Frage: Herr Seibert, hat die Kanzlerin eine politische Bewertung dazu? Wie findet sie es, dass sie jetzt die ganze Zeit eine provisorische Justizministerin hat, oder sagen Sie: "Bis zum 2. Juli können wir auch noch abwarten"?

StS Seibert: Nein, eine solche Bewertung kann ich Ihnen hier nicht mitteilen. Die Bundesministerin führt die Amtsgeschäfte weiter. Ich habe Ihnen gerade gesagt, dass das alles innerhalb der von der Verfassung dafür vorgesehenen Regelung abläuft. Wie wir gerade gehört haben, hat das Bundesjustizministerium heute zwei wichtige Gesetzesvorhaben ins Kabinett eingebracht.

Frage: Die Besetzungsvorschläge obliegen in der Regel den politischen Parteien. Erwartet die Kanzlerin, dass die SPD möglichst zügig, und zwar auf jeden Fall vor dem 2. Juli, einen Besetzungsvorschlag macht, sodass dann die Justizministerin tatsächlich ausscheiden kann? Sonst hätten wir unter Umständen die Situation, dass sie Mitglied des Europäischen Parlaments und gleichzeitig Bundesjustizministerin ist. Ginge das überhaupt?

StS Seibert: Ich werde mich jetzt nicht in weitere Planspiele mit Ihnen begeben. Wir haben Artikel 64 des Grundgesetzes zu beachten, wonach Bundesminister auf Vorschlag der Bundeskanzlerin durch den Bundespräsidenten ernannt und entlassen werden. So wird es sein. Alle weiteren Entwicklungen in dieser Sache werden Sie sicherlich auch hier hören.

Frage: Frau Adebahr, soll nach dem norwegischen Weißbuch auch ein deutsches Weißbuch zum Multilateralismus kommen? Gibt es entsprechende Planungen? Denn das ist anscheinend eine Initiative, die dem Minister sehr wichtig ist.

Adebahr: Von solchen Planungen kann ich heute nichts berichten. Aber es ist in der Tat richtig, dass (ohne Mikrofon, akustisch unverständlich)

Zusatzfrage: Können Sie auch sagen, warum die Bundesregierung dann nicht auch solch ein Weißbuch vorlegt? Wir hatten in der Vergangenheit auch Weißbücher, die zusammen mit dem Verteidigungsministerium erstellt wurden. Ein multilateraler Ansatz könnte letztlich ja auch ein Thema sein.

Adebahr: Ich glaube, die Tatsache, dass es bisher kein solches Weißbuch gibt oder ich heute von keinen Planungen berichten kann, heißt nicht, dass dieses Thema dieser Bundesregierung in ihrer Gesamtheit nicht wichtig wäre, sondern ich glaube, verschiedene Minister und auch der Außenminister machen das durch Reden, auch heute um 14 Uhr wieder, und durch andere Beiträge, wie sie heute auch in den Social Media vielleicht noch zu erwarten sind, deutlich. Das ist doch auch eine schöne und bunte Äußerung, die wir hier aus der Bundesregierung bekommen.

StS Seibert: Auch die Bundeskanzlerin ist gestern in Genf bei ihrer Rede vor der Internationalen Arbeitsorganisation ILO ausführlich auf die Bedeutung des Multilateralismus eingegangen und tut dies bei vielen ihrer Reden.

Zusatzfrage: Ein Weißbuch ist eine ganz besondere Form, in der eine Bundesregierung einen Gedankenansatz definiert. Deswegen ist all das, was Sie gesagt haben, zwar richtig, beantwortet die Frage aber noch nicht, warum kein Weißbuch geplant ist.

StS Seibert: Ich würde sagen, es ist eine besondere Form, aber nicht die einzige.

Adebahr: Ich glaube, wir stellen unser Konzept, unsere Ideen und unser Werben in ganz verschiedenen Foren, etwa im Sicherheitsrat, international vor. Das ist ein ganz deutliches Engagement der Bundesregierung in dem Bereich.

Frage: Der Außenminister fährt, wie Sie erwähnt haben, nach Norwegen. Norwegen agiert auch als Vermittler zwischen der venezolanischen Regierung und der venezolanischen Opposition. Von norwegischer Seite wurde bereits die fehlende Dialogbereitschaft der venezolanischen Opposition im Rahmen dieses Dialogforums kritisiert. Werden diese Verhandlungen auch Thema der Agenda von Heiko Maas und seiner norwegischen Amtskollegin sein?

Adebahr: Es wird ein bilaterales Gespräch geben. Dafür stehen eine Menge Themen auf der Agenda. Warten wir ab, was die beiden miteinander besprechen. Es kann gut sein, dass Venezuela ein Thema wird. Ich kann es aber jetzt noch nicht sagen.

Frage: Verfolgt die Bundesregierung die heutigen Ereignisse in Moskau, in der russischen Hauptstadt? Dort wurden nach Medienangaben etwa hundert Menschen festgenommen. Verfolgt die Bundesregierung die Situation?

StS Seibert: Ich kann nur sagen, dass ich und sicherlich auch andere, die in der Bundesregierung beschäftigt sind, heute Morgen Medienmeldungen dazu zur Kenntnis genommen haben. Das wird sicherlich in der Bundesregierung verfolgt werden. Aber ich kann Ihnen dazu jetzt noch keine Einschätzung geben.

Frage: Ich habe einige Fragen zum Thema einer CO2-Steuer an das BMF und das BMU. Die Diskussion hat an Fahrt aufgenommen, vor allem durch den Vorstoß von Frau Schulze. Herr Scholz war am Anfang eher bremsend und hat gesagt, es gebe noch kein Konzept, das überzeuge.

Inwiefern kommt man sich näher, was ein konkretes Konzept angeht?

Inwiefern wäre eine solche Steuer, wenn sie denn kommt, auch mit einem größeren Umbau des Steuersystems verbunden? Denn auch jetzt schon sind die CO2-Preise in den einzelnen Steuersätzen sehr unterschiedlich abgebildet.

Werden im Zuge einer solchen möglichen Reform auch klimaschädliche Subventionen wie zum Beispiel das Dienstwagenprivileg oder die Steuerbefreiung für Kerosin ein Thema?

Wogatzki: Für das Finanzministerium wie wahrscheinlich für viele unserer Kabinettskollegen kann ich Ihnen sagen, dass das Thema einer CO2-Steuer im Klimakabinett behandelt werden wird. Dort werden verschiedene Ideen eingebracht. Wir wollen uns hier vorher nicht festlegen, in welche Richtung es aus Sicht des Bundesfinanzministeriums gehen könnte.

StS Seibert: Sie wissen vielleicht, dass die Bundesregierung ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, das sie im Juli entgegennehmen wird. Dabei handelt es sich um ein Gutachten durch den wissenschaftlichen Sachverständigenrat und Professor Edenhofer vom Potsdamer Klimainstitut. Dabei geht es um die Formen einer möglichen CO2-Bepreisung. Dieses Gutachten wird die Grundlage der Diskussion des Klimakabinetts im Juli zu diesem Thema sein.

Zusatzfrage: Aber insbesondere über die Frage, wie umfassend eine solche Reform ausfällt, sprich, wie stark man an das Steuersystem herangeht, dürfte man sich ja jetzt schon Gedanken machen, oder?

Wogatzki: Ich kann dem, was ich gerade gesagt habe, nichts hinzufügen.

Haufe: Ich kann für die Bundesumweltministerin unterstreichen, was sie bisher immer gesagt hat. Eine CO2-Bepreisung ist ein wichtiger Bestandteil für die zukünftige Klimaschutzpolitik. Sie ist aber kein Allheilmittel. Wir haben uns auch noch gar nicht entschieden, ob wir eine Steuer oder eine andere Form der CO2-Bepreisung machen. Das ist in der Regierung noch in der Diskussion. Wir selbst haben auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, das wir demnächst auch präsentieren werden. Dann wird man die eine oder andere der Detailfragen, die Sie angesprochen haben, vielleicht etwas genauer beantworten können.

Was die Kerosinsteuer angeht, so hat die Bundesumweltministerin dazu gesagt, dass sie der Meinung ist, das Fliegen aufgrund der Klimaeffekte, die es beim Flugverkehr einfach gibt, durchaus verteuert werden sollte. Die Kerosinsteuer wird in der Europäischen Union seit Längerem diskutiert. Wir haben ein internationales Abkommen, das die Kerosinbesteuerung regelt. Wir favorisieren, wenn das stärker in die Diskussion kommen sollte, eher einen europäischen Ansatz. Dazu gibt es von mehreren europäischen Staaten Vorschläge. Es gibt auch schon Befassungen des einen oder anderen Rats damit. Ich denke, man wird schauen, wohin die Reise in den nächsten Monaten geht.

Frage: Herr Haufe, ich gehe davon aus, dass die Umweltministerin auch eine der Teilnehmerinnen des Autogipfels am 24. Juni sein wird. Wird dabei das Thema einer CO2-Bepreisung von ihr als Gesprächsgegenstand mit eingebracht werden?

Haufe: Der Klimaschutz ist ein Thema für die Automobilbranche. Damit wird sicherlich auch über das Thema CO2 gesprochen werden. Aber ich kann Ihnen jetzt nicht sagen, ob dort die Bepreisung von CO2 besprochen wird. Für die Branche gibt es eine Reihe von Regelungen, vor allen Dingen eben den CO2-Flottenwert, der jetzt erst beschlossen worden ist. Was dort weiter gehend besprochen wird, lässt sich heute noch nicht sagen.

Zusatzfrage: Aber sie wird auf jeden Fall an dem Gespräch teilnehmen. Geht sie mit einer eigenen Agenda oder Strategie in dieses Gespräch hinein?

Haufe: Die Agenda der Bundesumweltministerin ist doch ganz klar. Sie treibt die Gesetzgebung für mehr Klimaschutz voran und sieht dort in verschiedenen Feldern deutlichen Handlungsbedarf. Da muss ich jetzt keine genauere, neue Agenda beschreiben.

StS Seibert: Handlungsbedarf ist ja auch das Thema dieses Treffens mit der Automobilindustrie. Ich kann vielleicht noch einmal daran erinnern: Im März haben sich die Bundeskanzlerin und verschiedene Ministerinnen und Minister der Bundesregierung mit Vertretern der Nationalen Plattform "Zukunft der Mobilität" getroffen, und dabei hat man beschlossen, eine "Konzertierte Aktion Mobilität" auf die Beine zu stellen, in deren Rahmen es regelmäßig Spitzengespräche mit der Automobilindustrie geben soll, um eben gemeinsam über den Handlungsbedarf zu sprechen. Es ist klar, dass die Automobilwirtschaft in Deutschland und nicht nur in Deutschland erheblichem Wandel unterliegt und unterliegen muss und dass auch die Beiträge des Verkehrssektors zum Klimaschutz in der gesamten gesellschaftlichen Breite miteinander diskutiert werden müssen. Das ist der Sinn dieses Treffens mit der Automobilindustrie.

Frage: Können Sie sagen, wer da genau alles kommen wird, die BMW- oder die VW-Leute?

StS Seibert: Das werde ich Ihnen sagen, wenn es dann passiert sein wird.

Frage: Die Frage geht eigentlich an das Auswärtige Amt oder an das BMI, wobei das BMI in dieser Frage schon an das AA verwiesen hat. Ich stelle hier eine Frage für unsere RTL-Auslandskorrespondentin Kavita Sharma, die in Istanbul stationiert ist, die sich aber in den vergangenen Monaten intensiv mit der Thematik von Deutschen befasst hat, die sich in Nordsyrien und im Irak dem sogenannten IS angeschlossen haben. Dort sitzen unter anderem auch Kinder im Camp. Die Problematik ist seit Längerem bekannt. Wir haben auch mit Angehörigen hier in Deutschland geredet und auch in Nordsyrien gedreht.

Die konkrete Frage ist jetzt: Welche Lösungsansätze hat die Bundesregierung, und warum wurden die, wenn es die gibt, noch nicht implementiert?

Adebahr: Sie beziehen sich auf Syrien? Es macht ja einen Unterschied aus, ob - -

Zusatzfrage: Sie war im Irak und in Nordsyrien.

Adebahr: Wenn Sie "Camp" sagen, bezieht sich Ihre Frage dann auf Syrien?

Zusatz: Dann nehme ich Syrien.

Adebahr: Dazu kann ich Ihnen sagen - vielleicht möchte der Kollege vom BMI das trotzdem ergänzen -, dass in Syrien eine konsularische Betreuung nach Schließung der Botschaft in Damaskus weiterhin faktisch nicht möglich ist. Für Syrien besteht - das wissen Sie - seit Langem eine Reisewarnung.

Unabhängig davon prüft die Bundesregierung auch in Abstimmung mit ihren Partnern mögliche Optionen, um deutschen Staatsangehörigen - das bezieht sich auf Kinder - in humanitären Fällen eine Rückführung nach Deutschland zu ermöglichen. Das Auswärtige Amt versucht zudem, insbesondere Kindern in sehr prekären Einzelfällen über Partnerorganisationen, die in den Flüchtlingslagern vor Ort tätig sind, die erforderliche medizinische Hilfe vor Ort zukommen zu lassen. Das ist im Moment die Aktivität, die wir unternehmen.

Alter: Ich kann nur wenig ergänzen. Sie kennen die Diskussion beziehungsweise den Diskussionsstand. Er hat sich nach meiner Kenntnis auch nicht wesentlich verändert. Es geht dem BMI darum, dass die Identität von Personen, die zurückkehren, zweifelsfrei geklärt ist. Das gilt auch für Kinder. Es geht auch darum, dass wir sozusagen Gefahren für die deutsche Bevölkerung ausschließen können. In diesem Spannungsfeld bewegen wir uns. Wenn Möglichkeiten dafür geschaffen werden können, dass beispielsweise Kleinkinder, die möglicherweise auch keine Eltern mehr haben, zurückkehren können, dann wird sich das BMI unter den genannten Voraussetzungen einer solchen Lösung auch nicht verschließen.

Zusatzfrage: Ich habe noch eine Nachfrage dazu. Sie haben es eigentlich gesagt. Ich frage jetzt aber noch mal konkreter, noch einmal ganz kurz. Es geht jetzt in diesem konkreten Fall auch um ungefähr 50 bis 60 deutsche Waisenkinder, die da sitzen; so die Zahlen, die ich jetzt so mitgenommen habe. Ich frage jetzt noch einmal konkret, konkreter. Die, die da jetzt sind, warum kann denen jetzt nicht jetzt geholfen werden?

Adebahr: Ich kann von hier aus die Zahl, die Sie genannt haben, nicht bestätigen. Ich kann Ihnen sagen, dass wir als Auswärtiges Amt dabei sind, Kindern in prekären Situationen zu helfen, dass wir uns darum kümmern und bemühen, in Einzelfällen eine Rückführung nach Deutschland zu ermöglichen, auch unter den Voraussetzungen, die der Kollege aus dem BMI genannt hat.

Das ist eine schwierige Operation. Ich habe Ihnen die Gegebenheiten in Syrien dargestellt. Ich kann Ihnen versichern, dass wir mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln daran arbeiten.

Frage: Könnten Sie vielleicht noch einmal die aktuelle Zahl an Kindern und an deutschen Staatsbürgern, die erwachsen sind, in Nordsyrien beziffern?

Können Sie auch sagen, wie viele deutsche Staatsbürger inzwischen im Irak im Gefängnis sind und denen ein Prozess gemacht wird oder die darauf warten?

Adebahr: Ich glaube, das BMI wäre für die Zahlen und Schätzungen der richtige Ansprechpartner.

Alter: Geben Sie mir bitte noch einige Minuten Zeit. Ich werde schauen, ob ich es dabei habe. Ansonsten müsste ich es nachreichen.

Frage: Ich habe eine Frage an das BMU. Dem Vernehmen nach ist ein Gesetzesvorhaben zum Thema Retourenvernichtung geplant. Welche Maßnahmen sind da genau geplant, um die Retourenvernichtung einzudämmen? Wann soll das Gesetz vorgestellt werden?

Haufe: Bei der Retourenvernichtung geht es ja darum, dass Waren, die Kunden von Onlinehändlern zurücksenden, vermutlich ziemlich schnell als Abfall deklariert werden und dann eben vernichtet werden. Das Thema steht nicht erst seit gestern auf der Agenda. Darüber gab es ja in den letzten Monaten schon einiges an Berichterstattung. Die Ministerin hat sich deswegen entschieden, einige Onlineversandhäuser durch Beamte des Ministeriums besuchen zu lassen und sich dort vor Ort einmal danach umzuschauen, inwieweit dieser Tatbestand der Retourenvernichtung tatsächlich gegeben ist. Es ist nicht so einfach, das Ausmaß solcher Retourenvernichtungen festzustellen. Gleichwohl müssen wir sagen: Ja, das gibt es.

Deswegen hat sich die Ministerin dazu entschieden, einen Gesetzesvorschlag zu machen, durch den es dem Gesetzgeber ermöglicht werden wird, Versandhändlern vorzuschreiben, was sie mit Retourware tun dürfen und was sie nicht tun dürfen. Das Ziel ist unsererseits ganz klar: Retourware muss entweder weiterverkauft werden, oder man muss sie als Spende abgeben können oder vielleicht auch eine andere Verwendung dafür finden. Dass das Abfall wird - das ist natürlich manchmal auch nicht ganz auszuschließen -, muss die allerletzte Option sein. Dementsprechend wird die Ministerin einen Vorschlag machen, aber ich kann heute noch nichts dazu sagen. Sie wird auch noch innerhalb dieses Monats einen Vorschlag machen.

Zusatzfrage: Wird eine Umsatzsteuerbefreiung für Sachspenden auch Teil dieses Gesetzesvorhabens oder Gesetzesvorschlages sein?

Haufe: Das wäre dann eine Frage an das Finanzministerium.

Wogatzki: Ich kann Ihnen nichts von einem neuen Stand aus unserem Haus berichten. Ich kann aber noch einmal kurz darstellen, wie sich das mit der Umsatzsteuer darstellt: Die Umsatzsteuer für Spenden richtet sich nach dem Zeitpunkt der Spende. Wenn es also verderbliche, defekte oder unverkäufliche Ware ist, dann kann es sein, dass die Umsatzsteuer bei null liegt, weil die Ware nichts mehr wert ist. Deswegen ist das Problem vielleicht nicht ganz so groß, wie es sich jetzt aufgrund Ihrer Frage für manchen darstellen mag. Aber von uns gibt es hinsichtlich der Frage keinen neuen Stand.

Frage: Herr Haufe, Sie haben ja gestern in Ihrem kurzen Statement per Mail gesagt, dass Sie über eine Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes nachdenken. Das würde ich jetzt gerne noch besser verstehen wollen, weil es im Kreislaufwirtschaftsgesetz eigentlich um das ganze Thema Abfall/Abfallrecht geht. Wie passen denn da die Retouren herein, die ja eigentlich in dem Moment noch als Ware und eben nicht als Abfall zu verstehen sind?

Haufe: Das Kreislaufwirtschaftsgesetz ist genau das Gesetz, in dem die Änderung erfolgen wird; das ist richtig. Das Kreislaufwirtschaftsgesetz gibt eine Pyramide von Handlungsoptionen dafür vor, wie mit Waren und Gegenständen umzugehen ist, die potenziell auch Abfall sein könnten. Deswegen ist es dort angelegt. Dieses Gesetz ist dazu da, schon eine Art von Vorstufenfrage zu klären: Wann darf etwas überhaupt zu Abfall werden? Wann ist etwas als Abfall zu verstehen? - Deswegen wird dieses Gesetz genutzt, um die Retourenregelung vorzunehmen.

Gleichzeitig ist es eben, wie der Name sagt, das Kreislaufwirtschaftsgesetz. Es ist auch dazu da, das Recycling und das Weiter- und Wiederverwenden von Gegenständen und Alltagsartikeln zu klären, damit Dinge, Produkte und wiederverwertete Produkte eben möglichst so lange wie möglich und immer wieder wiederverwendet werden können.

Zusatzfrage: Mich würde noch die Perspektive des Wirtschaftsministeriums hinsichtlich dieser ganzen Debatte interessieren. Die Onlinehändler sehen sich dabei teilweise ja auch zu Unrecht an den Pranger gestellt.

Eichler: Zum jetzigen Zeitpunkt würde ich auf die Zuständigkeit des BMU verweisen. Herr Haufe hat ja gerade auch schon ausgeführt, was da für Planungen bestehen. Im Übrigen läge das, sofern hiervon möglicherweise Verbraucherwiderrufsrechte betroffen sein könnten, beim BMJV.

Haufe: Vielleicht noch einmal als Ergänzung, weil Sie jetzt von den Händlern sprechen, die sich zu Unrecht an den Pranger gestellt sehen: Man muss halt schon eine Unterscheidung treffen. Das ergeben halt auch unsere Recherchen. Die Produkte, die Onlineversandhändler selbst produzieren lassen, die also Eigenmarken sind, sind weniger von solchen Retourenvernichtungen betroffen. Es sind vielmehr vor allen Dingen Produkte, die Versandhändler von anderen, Kleineren, unbekannteren Zweithändlern entgegennehmen und dann tatsächlich entsorgen. Das ist eigentlich der Schwerpunkt. So erscheint es uns im Moment zu sein. Deswegen sagen natürlich auch bekannte Versandhäuser: Wir selbst machen das eigentlich ganz anders. - Ja, das betrifft ihre Produkte, ihre Eigenmarken, und da machen Sie es sehr wahrscheinlich ganz anders.

Frage: Herr Haufe, Sie sagten, dass Beamte aus Ihrem Ministerium Unternehmen besucht hätten. Welche Beamten waren das? Welche Unternehmen haben Sie besucht?

Haufe: Personen haben wir ja noch nie benannt. Es ist Aufgabe des Ministeriums, das so durchzuführen und Mitarbeiter in so einer Situation eben auch zu Gesprächen mit Versandhäusern zu bitten. Ich rede jetzt auch nicht darüber, welche Versandhäuser wir besucht haben. Auch das ist - - -

Zuruf: Warum nicht?

Haufe: Auch das ist Teil einer - - -

Zuruf: Ist das geheim?

Haufe: Geheim ist es nicht ganz. Darüber gab es auch schon Gespräche. Aber ich denke, die Ministerin wird das dann, wenn sie ihren Gesetzesvorschlag machen wird, vielleicht noch einmal näher erläutern. Das will ich heute nicht vorwegnehmen.

Frage: Sie scheinen ja eine Vorstellung davon zu haben, um welche Waren es dabei geht. Welche Warengruppen sind besonders betroffen? Wo ist das Problem also besonders groß?

Haufe: Ja, das ist eine ganz gute Frage. - Ich kann Ihnen jetzt nicht genau sagen, welche Warengruppen betroffen sind.

Aber ich würde diese Frage gerne nutzen, etwas klarzustellen: In der Diskussion geht es ja auch um Elektronikgeräte wie Fernseher und Computerware. Für Elektro- und Elektronikgeräte gelten andere Regeln. Dafür gilt das Elektro- und Elektronikgerätegesetz. Dieses schreibt ganz klar vor, dass solche Geräte nicht einfach vernichtet werden dürfen, sondern sie müssen immer recycelt werden. Das heißt, da haben wir eine andere Situation. Für Elektrotechnik gibt es eine klare Vorgabe, wie damit umzugehen ist. Diese Geräte müssen immer recycelt werden, auseinandergenommen werden, und dann wird geschaut, welche Wertstoffe, welche Rohstoffe und welche Bauteile weiter genutzt werden können. Das ist klar geregelt. Das können die Behörden heute deshalb auch besser überprüfen. Das hat das Land Nordrhein-Westfalen auch bereits getan, und es hat in diesem Bereich zum Beispiel eben keine wirklichen Missstände festgestellt.

Aber welche anderen Warengruppen das betrifft, kann ich hier jetzt nicht ausführen.

Frage: Das Thema ist Italien. Die Frage geht an Herrn Seibert und Frau Wogatzki. Nachdem der EU-Kommissionpräsident gestern gesagt hat, dass sich Italien auf einem sehr unguten Weg befinde und drohe, in jahrelange Verfahren mit der EU wegen eines überschüssigen Defizits verfangen zu werden, hätte ich ganz gerne gefragt, ob Sie das eigentlich ähnlich sehen und ob Sie dafür plädieren, dass die EU nun mit einem Strafverfahren gegen Italien Tempo macht.

StS Seibert: Wir hatten das Thema ja schon in der vergangenen Woche besprochen, und insofern kann ich eigentlich nur noch einmal das Gleiche sagen: Dass sich der Präsident der Europäischen Kommission zu Italien äußert, ist sozusagen vollkommen in Ordnung - ich kommentiere jetzt nicht den Inhalt der Äußerung, sondern nur die Tatsache, dass er es tut -, denn er sitzt der Europäischen Kommission vor. Nach unserer Überzeugung und Überzeugung alle anderen europäischen Mitgliedstaaten ist es eben genau die Aufgabe dieser Europäischen Kommission, zu überwachen, wie ein Land die europäischen Haushaltsregeln einhält. Wir unterstützen die Europäische Kommission und damit auch den Präsidenten in dieser Verantwortung. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.

Wogatzki: Ich kann dem nichts hinzufügen.

Frage: Frau Adebahr, in Hongkong tut sich gerade einiges. Könnten Sie uns den Stand der Dinge in Hongkong aus Ihrer Sicht - ich weiß nicht, ob es ein Konsulat in Hongkong gibt und ob man sich ein eigenes Bild machen kann - nennen?

Adebahr: Ja, das gibt es. - Die große Zahl der Teilnehmer an den Demonstrationen am 9. und am 12. Juni zeigen, dass weite Teile der Hongkonger Bevölkerung die Gesetzesänderungen, um die es dort geht, ablehnen, da sie eine damit einhergehende Erosion der Rechtsstaatlichkeit und der Autonomie Hongkongs befürchten. Diese Befürchtungen werden - das ist unsere Erkenntnis - auch von Geschäfts- und Rechtskreisen, aber auch von der internationalen Gemeinschaft geteilt. Auch wir haben gemeinsam mit unseren EU-Partnern gegenüber der Hongkonger Regierung diese Bedenken ausgedrückt.

Wir beobachten nun, ob sich die Verschiebung der für heute eigentlich vorgesehenen zweiten Lesung der Gesetzesänderung auf den bisherigen Zeitplan der Hongkonger Regierung auswirken wird. Eigentlich war die Schlussabstimmung über das Gesetz ja für den 20. Juni geplant. Gleichzeitig prüfen wir auch, ob das bestehende bilaterale Auslieferungsabkommen zwischen Deutschland und Hongkong im Falle einer Verabschiedung des geplanten Auslieferungsgesetzes in der jetzigen Form weiterhin durchgeführt werden könnte.

Zusatzfrage: Was für Komplikationen würden sich da ergeben?

Adebahr: Die Bedenken, die die Hongkonger Bevölkerung und auch wir gemeinsam mit EU-Partnern deutlich gemacht haben, beziehen sich - das habe ich schon gesagt - auf eine mögliche Erosion der Rechtsstaatlichkeit und der Autonomie Hongkongs. Unser Auslieferungsabkommen besteht zwischen Deutschland und Hongkong, und wenn sich nun das neue Auslieferungsgesetz manifestieren sollte, müssten wir natürlich prüfen, ob sich dadurch an dem Zustand zwischen uns und Hongkong, den wir bisher für gut halten, etwas ändern würde.

Frage: Frau Adebahr, können Sie etwas präziser sagen, auf welcher Ebene und in welcher Form die Bedenken mitgeteilt wurden? Gibt es eine politische Unterstützung der Proteste beziehungsweise der Absichten der Protestierenden?

Adebahr: Ich kann Ihnen gerne nachreichen, wer genau wann mit wem gesprochen hat, wenn wir das tun können.

Unsere politische Unterstützung mache ich hier deutlich, und auch gemeinsam mit den EU-Partnern haben wir die deutlich gemacht. Wir haben also unsere Bedenken und unsere Position deutlich gemacht.

Zusatzfrage: Ist die Kanzlerin, Herr Seibert, ebenfalls in einer unterstützenden Position?

StS Seibert: Die Sorgen, die Frau Adebahr gerade für das Auswärtige Amt geäußert hat, hat sie natürlich für die Bundesregierung geäußert, und zu denen steht auch die Bundeskanzlerin. Wir verfolgen mit Aufmerksamkeit, was da in der Sonderverwaltungszone Hongkong geschieht. Hongkong ist ein Gebiet, in dem Meinungsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit eine lange Tradition haben. Auch in der Hongkonger Verfassung von 1997 sind diese Werte festgeschrieben. Daran denken wir, wenn wir betrachten, was dort in diesen Tagen die Zustände sind. Es ist auf jeden Fall ein gutes Zeichen, dass die Mehrheit der Demonstranten ihre Meinung zu diesem anstehenden Gesetzesvorhaben friedlich geäußert hat. Wir appellieren an alle Beteiligten, dafür Sorge zu tragen, dass es in Hongkong genau so friedlich bleibt.

Frage: Herr Seibert, in einer Antwort auf die parlamentarische Anfrage der Linken hat sich die Bundesregierung vor Kurzem für ein Denkmal in Berlin für die polnischen Opfer des Krieges und der deutschen Besatzung ausgesprochen. Meine Frage: Was ist der Grund für diese eindeutige Festlegung? Die Bundesregierung war sehr vorsichtig. Die Diskussion läuft noch. Es gibt verschiedene Konzepte. Es wird befürchtet, dass auch andere Nationen, andere Völker solche Forderungen stellen könnten. Was war ausschlaggebend für diese eindeutige Stellungnahme?

StS Seibert: Wir hatten kurz vorher schon Kontakt, weil wir Ihnen diese Antwort nachreichen müssen. Ich kann nur noch einmal unsere ganz grundsätzliche Position dazu sagen, und die ist ja ganz klar - unabhängig von neuesten Meldungen -: Die Bundesregierung, die Bundesrepublik Deutschland insgesamt, ist sich natürlich ihrer Verantwortung für die Verbrechen der Naziherrschaft an Polen, am polnischen Volk, vollkommen bewusst, und das ist natürlich auch immer ein Teil unserer Politik gegenüber unserem heutigen Partner, Freund und Nachbarn Polen.

Zu der Frage der Initiative für ein Denkmal müssen wir ihnen tatsächlich eine Antwort nachreichen.

Zusatzfrage: Vielleicht könnten Sie dann noch eine Zusatzfrage berücksichtigen: Was bedeutet diese Festlegung? Hat die Bundesregierung vor, sich irgendwie aktiv für dieses Projekt einzusetzen, oder überlässt man alles Weitere dem Bundestag, wo die Entscheidung getroffen werden muss?

Vorsitzende Buschow: Dann warten wir da auf die Nachlieferung.

Frage: An Herrn Seibert oder Herrn Alter: In den letzten Wochen sind viele Moscheen Ziel von Angriffen geworden. In Bremen sind sogar Korane geschändet worden. Was plant die Bundesregierung, um diese Muslimen- und Islamfeindlichkeit zu bekämpfen?

StS Seibert: Ich darf Ihnen im Namen der Bundesregierung sagen, dass wir jeglichen Angriff auf muslimische Gotteshäuser, auf die freie Ausübung des muslimischen Glaubens in Deutschland, natürlich verurteilen. Ich denke, dass das ein ganz klarer Grundsatz unserer Politik ist, wie er übrigens für die Ausübung jeglicher Religion in diesem Lande gilt. Insofern verurteilen wir auch, wenn in einer Moschee - wenn ich mich recht erinnere in Bremen, aber vielleicht täusche ich mich auch - jetzt Korane zerrissen, beschädigt, geschändet wurden. Das ist genau die Form der Aggression gegen die friedliche Ausübung einer Religion, die wir in diesem Land nicht tolerieren werden.

Zusatzfrage: Die Islamverbände fordern einen Islamophobie-Beauftragten. Bisher ist die Bundesregierung nicht darauf eingegangen. Was halten Sie von dieser Forderung?

StS Seibert: Der Vorschlag ist mir zunächst einmal nicht bekannt. Ich glaube, das Wichtigste in solchen Fällen ist, dass man eine ganz klare politische und am besten auch eine ganz klare gesellschaftliche Mehrheitshaltung einnimmt, indem Zivilgesellschaft und Politik ganz klar sagen: Das geht nicht, das ist gegen alle unsere Werte, das ist im Übrigen gegen die grundgesetzlich verankerte Freiheit zur Religionsausübung, und da weichen wir keinen Zentimeter ab.

Vorsitzende Buschow: Möchte das BMI ergänzen?

Alter: Ich kann ganz grundsätzlich nicht viel ergänzen, weil sich der Regierungssprecher ausführlich dazu geäußert hat. Ich kann nur sagen, dass Sie davon ausgehen können, dass solche Vorfälle, die bekannt werden, von den zuständigen Polizeien in den Ländern konsequent verfolgt werden und dass auch der Informationsaustausch der Sicherheitsbehörden zu solchen Vorfällen stattfindet und man sich auch darüber austauschen wird - und das permanent tut -, welche Präventionsprogramme beziehungsweise Programme solchen Taten entgegenwirken können.

Zusatzfrage: Welche konkreten Programme gibt es vonseiten der Bundesregierung?

Alter: Mir liegt im Moment keine Liste mit Programmen vor, die in diesem Bereich schon laufen, aber ich bin gern bereit, das noch einmal zu prüfen und Ihnen nachzureichen.

Audretsch: Ich kann das insofern ergänzen, als wir bei uns im Bundesfamilienministerium das Programm "Demokratie leben!" haben, für das wir über die letzten Jahre die Mittel sehr intensiv angehoben haben: Wir haben einen Betrag von 40,5 Millionen Euro im Jahr 2015 gehabt, und das ist jetzt, im Jahr 2019, auf 115,5 Millionen Euro angestiegen. Mit diesem Programm gehen wir mit den verschiedensten Maßnahmen gegen jegliche Form von Extremismus, Antisemitismus und Muslimenfeindlichkeit vor. Wir haben 300 lokale Partnerschaften für Demokratie in ganz Deutschland, wir fördern 16 Landesdemokratiezentren, wir unterstützen 35 zivilgesellschaftliche Organisationen bei einer Strukturentwicklung zu bundeszentralen Trägern, wir haben 96 Modellprojekte zu ganz verschiedenen Phänomenen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit, und da geht es immer auch ganz intensiv um die Frage, wie wir Islam- und Muslimfeindlichkeit bekämpfen können. Wir sind auch jetzt gerade dabei, die Ausschreibung für die nächste Förderperiode auf den Weg zu bringen, und auch da wird dieses Thema natürlich eine ganz zentrale Rolle einnehmen.

Frage: An Frau Adebahr beziehungsweise Herrn Seibert eine Frage zum Besuch des Kronprinzen von Abu Dhabi hier in Berlin: Der Kronprinz sollte heute Morgen das Mahnmal der IS-Terroropfer an der Gedächtniskirche besuchen, dieser Besuch wurde aber abgesagt. Frau Adebahr, können Sie die Hintergründe dieser Absage nennen?

Adebahr: Ich glaube, das geht an Herrn Seibert.

StS Seibert: Der keine Hintergründe dafür kennt - das ist kein Teil des Programms, der in irgendeiner Weise mit der Bundeskanzlerin oder dem Kanzleramt verbunden war. Ich weiß es also schlicht nicht. Sie müssten sich vielleicht bei der Botschaft der Vereinigten Arabischen Emirate erkundigen.

Zusatzfrage: Herr Seibert, die Bundestagsvizepräsidentin hat die Bundeskanzlerin aufgefordert, die Rolle der Emirate im Jemenkrieg in ihren Gesprächen mit dem Kronprinzen zu thematisieren und konkret auch den Rückzug der Emirate aus dem Jemenkrieg anzusprechen. Wie steht die Bundeskanzlerin dazu?

StS Seibert: Die Vereinigten Arabischen Emirate sind natürlich ein sehr einflussreicher Akteur in der Region, und das wird sich auch in den Gesprächsthemen, die die Bundeskanzlerin heute mit dem Kronprinzen anschneidet, niederschlagen. Es gibt neben den bilateralen Themen natürlich die regionalen Themen, und dazu gehört, denke ich, auch die Situation in Libyen und im Jemen, zu der man sich austauschen wird. Weiter möchte ich den Gesprächen jetzt inhaltlich nicht vorgreifen.

Zusatzfrage: Dennoch gibt es jetzt ja sehr viel Kritik, auch unter deutschen Politikern, was die Rolle der Vereinigten Arabische Emirate im Jemenkrieg betrifft. Deshalb wiederhole ich meine Frage: Wird Sie sich dafür einsetzen, dass sich die Emirate aus dem Jemenkrieg zurückziehen?

StS Seibert: Die Bundeskanzlerin wird sich natürlich, wie auch jeder andere Gesprächspartner mit Vertretern der Vereinigten Arabischen Emirate, für unsere Position bezüglich des Jemenkrieges einsetzen, nämlich dass das entsetzliche Leid, dem die Zivilbevölkerung dort seit Längerem unterworfen ist, endet, dass es Möglichkeiten der humanitären Hilfe gibt, dass der Waffenstillstand wirklich greift und dass es möglich sein wird, diesen entsetzlichen Konflikt im Interesse der Menschen im Jemen zu beenden.

Adebahr: Wenn ich das noch anfügen darf: Da geht es um die Umsetzung des Stockholmer Abkommens und die Umsetzung der Vereinbarungen von Hudaida. Das sind auch Punkte, die der Bundesaußenminister auf seiner Reise mit dem Außenminister und auch im Gespräch mit dem Kronprinzen genau so schon angesprochen hat.

Frage: Herr Seibert, können Sie das noch einmal erklären: Deutsche Waffenlieferungen direkt in die VAE sind möglich, gleichzeitig sind die VAE unmittelbar Beteiligte am Jemenkrieg - im Koalitionsvertrag wurde aber ausgeschlossen, dass man an diese Staaten Waffen liefert. Wie geht das?

StS Seibert: Was Waffenlieferungen betrifft, so wissen Sie, dass wir eine restriktive und eine verantwortungsvolle Rüstungsexportpolitik betreiben und dass über Genehmigungen für den Export im Einzelfall entschieden wird - und zwar immer unter Einbeziehung von außenpolitischen und sicherheitspolitischen Aspekten. Auch die Beachtung der Menschenrechte im Empfängerland spielt dabei eine herausgehobene Rolle. Wenn es Genehmigungen für Exporte gibt, dann wird der Bundestag darüber informiert; das haben wir jetzt immer so gehalten. Insofern kann ich Sie auf die Verständigung der Bundesregierung in dieser Frage vom 28. März, glaube ich, die ja auch Gegenstand einer Pressemitteilung war, verweisen.

Zusatzfrage: Die kennen wir. Sie wissen, dass ich das gerade nicht gefragt habe. Können wir also einfach den Koalitionsvertrag oder diesen Satz im Koalitionsvertrag vergessen, gilt der nicht mehr, Herr Seibert?

StS Seibert: Nein, der Koalitionsvertrag ist natürlich Grundlage unseres Handelns - -

Zusatz: Der Satz im Koalitionsvertrag mit den "unmittelbar Beteiligten", an die keine Waffen geliefert werden sollen.

StS Seibert: Der Koalitionsvertrag ist Grundlage des Handelns der Bundesregierung, und ich kann Sie ansonsten auf die Pressemitteilung vom 28. März verweisen, die noch sehr viel genauer darauf eingeht.

Frage: Es gibt aktuelle Meldungen, dass es mit der Öffnung des Humboldt Forums in diesem Jahr nichts mehr wird; diese Meldungen sind aber noch nicht bestätigt. Mich würde interessieren, ob Sie das bestätigen können - entweder Herr Seibert, in dessen Geschäftsbereich ja die Kultur fällt, oder das Bauministerium. Wenn Sie es bestätigen können, würde mich auch eine Bewertung interessieren.

StS Seibert: Nach meinen Informationen wird dazu heute Mittag - ich glaube, um 13 Uhr - eine Pressekonferenz abgehalten; das heißt, die müsste laufen oder gerade beendet sein. Auf diese Pressekonferenz möchte ich verweisen. Ich habe hierzu jetzt keine eigenen Informationen. Aber wie gesagt, die Öffentlichkeit wird wahrscheinlich gerade in diesen Minuten von den Verantwortlichen informiert.

Frage: An Herrn Seibert oder an alle beteiligten Ministerien: Heute hat ja das Digitalkabinett getagt. Welche konkreten Empfehlungen sind heute entschieden worden?

StS Seibert: Das Digitalkabinett hat tatsächlich heute getagt. Es hat sich mit mehreren Themen befasst. Zunächst einmal ging es um die Umsetzung konkreter Vorschläge, die der Digitalrat der Bundesregierung bei der letzten Sitzung zu den Themenbereichen digitaler Staat, E-Government sowie Daten und Gesellschaft gemacht hat. Das sozusagen neue Thema, mit dem sich der Digitalrat heute zusammen mit den Vertretern der Bundesregierung auseinandergesetzt hat, ist die digitale Transformation von Wirtschaft und Arbeitswelt, also die Veränderung der Arbeitswelt durch die Digitalisierung. Das ist das Hauptthema der Sitzung. Ich kann Ihnen hier jetzt keine Ergebnisse aus dieser Sitzung nennen, aber es läuft beim Digitalrat immer so, dass, wenn Empfehlungen ausgesprochen werden, in der kommenden Sitzung des Digitalrats gemeinsam überprüft wird, inwieweit aus den Empfehlungen der Mitglieder des Digitalrats konkrete Handlungen geworden sind.

Zusatzfrage: Heute gab es also, so wie auch in den vergangenen Sitzungen, keine konkreten Dinge? Es war ja schon die vierte Sitzung?

StS Seibert: Ich kann Ihnen jetzt aus dem Digitalrat nichts Weiteres berichten. Die Arbeit der Bundesregierung mit dem Digitalrat ist eine sehr fruchtbare Arbeit, die zu einer ganzen Reihe von Maßnahmen und Handlungen der Bundesregierung geführt hat. So wird es sicherlich auch bei den Empfehlungen sein, die heute im Zusammenhang mit der Veränderung der Arbeitswelt durch die Digitalisierung ausgesprochen worden sind. Ich kann Ihnen dazu jetzt aber nichts sagen, denn das sind ja nichtöffentliche Termine.

Alter: Dasselbe gilt auch für das BMI: Ich kann keine weiteren Ergänzungen machen.

Frage: Ich habe eine Frage an Herrn Seibert zum Thema Ukraine: Im Termin von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier steht für den 18. Juni das Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selensky. Ist auch ein Treffen mit der Frau Bundeskanzlerin geplant? Wenn ich das richtig verstehe, wäre das die erste Reise von Selensky nach Berlin, seitdem er gewählt wurde.

StS Seibert: Da Sie den Plan des Bundespräsidenten schon haben, der offensichtlich vor uns veröffentlicht, kann ich sagen: Das stimmt, es ist der Plan, dass auch die Bundeskanzlerin Herrn Selensky an diesem Tag trifft. Es wäre dann in der Tat das erste Mal, dass er als Präsident nach Berlin kommt. Die beiden haben ja schon ausführlich miteinander telefoniert - einmal kürzer und einmal sehr ausführlich. Dies wäre die erste Begegnung von Angesicht zu Angesicht. Wir geben die Termine mit allen Einzelheiten wie üblich weiterhin am Freitag bekannt, ich kann das aber trotzdem schon einmal bestätigen.

Zusatzfrage: Wird es dann auch eine Pressebegegnung geben?

StS Seibert: Ich würde trotzdem gerne auf die Bekanntgabe der Termine wie immer am Freitag verweisen. Dann werden Sie auch das erfahren.

Vorsitzende Buschow: Weitere Nachfragen sehe ich dazu nicht. - Ich habe jetzt noch drei Leute auf meiner Liste und will den Hinweis geben: Wer beleidigende Gesten macht, rutscht tatsächlich eher nach hinten als nach vorne. - Damit ist Herr Strack als nächster dran.

Frage: Eine Frage an das Innenministerium und das Auswärtige Amt zum Thema Sudan: Vor der Innenministerkonferenz hat der niedersächsische Innenminister Pistorius die Bundesregierung beziehungsweise das Bundesinnenministerium gebeten, eine Sicherheitsbewertung mit Blick auf Abschiebungen in den Sudan zu vorzunehmen und die Lage zu überprüfen. Er sieht selber von Abschiebungen in den Sudan ab. Wie bewerten Sie das als BMI? Würden Sie diesen Schritt auch vonseiten anderer Länder befürworten?

An das Auswärtige Amt: Hat sich nach den Ereignissen des Wochenendes beziehungsweise der Eskalation in Khartum nach Ihrer Einschätzung die Lage mit Blick zum Beispiel auf Abschiebungen deutlich geändert?

Alter: Sie wissen, dass die Entscheidung, ob jemand abgeschoben wird - auch die Entscheidung, ob jemand in Deutschland einen Schutzstatus zugesprochen bekommt -, immer individuell im Einzelfall geprüft wird. Da werden sowohl die individuellen Aspekte berücksichtigt als auch die Situation in dem Land, aus dem er kommt oder in das er abgeschoben werden soll, wenn eine gesetzliche Ausreisepflicht besteht. Das findet natürlich auch bei Staatsangehörigen aus dem Sudan statt. Es ist so, dass die Sicherheitseinschätzungen, also die Bewertung der Sicherheitslage in Ländern außerhalb Deutschlands, nicht dem BMI obliegt. Insofern ist das BMI nicht in der Lage, da eigenständig eine Bewertung abzugeben. - Ich schaue nach rechts zu meiner Kollegin aus dem Auswärtigen Amt, ob es dazu noch Ergänzungen gibt.

Adebahr: Ich kann vielleicht noch einmal sagen: Abschiebungen sind eine Einzelfallentscheidung, und es ist nicht so, dass das Auswärtige Amt eine Meinung zu Abschiebungen haben kann; denn sie sind immer auf der Grundlage einer Einzelfallprüfung von der ausführenden Behörde, die dem Innenministerium unterstellt ist, zu prüfen.

Was das Auswärtige Amt tut, ist, in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen eine aktuelle Lageeinschätzung zu geben. Diese wird ständig aktualisiert. Das heißt, wir unterrichten über die Lage vor Ort, über das, was wir dort sehen.

Wie ist es im Sudan? Die Sicherheitslage im Sudan ist derzeit volatil, und die weitere Entwicklung ist im Moment nicht gut vorhersehbar. Wir beobachten seit letzter Woche insbesondere in Khartum immer wieder gewalttätiges Vorgehen der Sicherheitskräfte. Es gab in den letzten Tagen eine Kampagne zu zivilem Ungehorsam, die das öffentliche Leben nahezu vollständig zum Erliegen gebracht hatte. Diese wurde heute zwar vorübergehend ausgesetzt, aber ob sich das festigt und wie sich die weitere Entwicklung jetzt gestaltet, ist im Moment nicht sehr gut absehbar. Das ist das, was wir im Moment im Sudan sehen. Unsere Reise- und Sicherheitshinweise werden da auch ständig aktualisiert.

Zusatzfrage: Wenn jetzt ein Bundesland bei Ihnen wegen des konkreten Einzelfalls einer Abschiebung anfragen würde, was würden Sie dem raten?

Adebahr: Ich habe versucht, die Trennung darzustellen. Es ist nicht unsere Aufgabe, auf eine solche Frage einen Rat zu geben.

Alter: Ich will dazu zwei Sätze ergänzen: Die asyl- und aufenthaltsrechtlichen Entscheidungen, die sowohl beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge als auch in den Ländern bei den Ausländerbehörden getroffen werden - dazu gehört die Frage, ob ein Schutzstatus vorliegt oder auch die Frage, ob jemand ausreisepflichtig wird und dann abgeschoben wird - , werden auf einer Faktengrundlage getroffen, die auch für diese Entscheidungen klar sein muss. Es ist sicherlich selbsterklärend, dass es in einer Situation wie der derzeitigen, die sehr dynamisch ist und sich ständig verändert, schwieriger ist, solche Entscheidungen zu treffen. Solange keine klare Befundlage in dem jeweiligen Einzelfall vorliegt, werden auch solche Entscheidungen zurückgestellt beziehungsweise werden dann entschieden, wenn die Situation eindeutig ist.

Frage: Herr Seibert, ich wollte eigentlich nur wissen, ob die Einladung aus dem Kanzleramt an das Umwelt- und Landwirtschaftsministerium noch steht, in Sachen EU-Nitratrichtlinie ein bisschen schneller voranzukommen und Brüssel eine Antwort zu liefern oder hat sich das seit letzter Woche erledigt?

StS Seibert: Diese Einladung bestand ja für den Fall, dass noch Punkte zwischen den beiden Ministerien zu klären waren. Deswegen würde ich jetzt die beiden Ministerien bitten, zu sagen, ob das der Fall ist.

Haufe: Die beiden Ministerien haben sich geeinigt.

StS Seibert: Das war auch mein Eindruck.

Haufe: Wir werden dazu heute, allerspätestens morgen Vormittag, eine Veröffentlichung machen. Die Vorschläge, die wir an die Europäische Kommission weitergeben werden, sind fertig.

Brandt: Ich habe mich jetzt zwar auf diesen Platz gesetzt, aber ich habe keine Ergänzung. Ich kann dem nichts hinzufügen.

Frage: Ich hätte eine Verständnisfrage zu einer Aussage von Außenminister Heiko Maas im Kontext seiner Iran-Reise. Er hat im Falle eines Scheiterns des Atomdeals dem Iran mit internationaler Isolation gedroht. Mich würde interessieren: Wieso droht der deutsche Außenminister der vertragstreuen Seite - in dem Fall dem Iran - und nicht der vertragsbrüchigen Seite, den USA, mit entsprechenden Konsequenzen?

Adebahr: Sie zitieren jetzt die Überschrift eines Onlineportals, die nicht vom Auswärtigen Amt gemacht wurde. Das ist eine Äußerung, die der Außenminister so nicht gemacht hat. Ich verweise Sie gerne darauf, was Sie in seinen öffentlichen Statements gehört haben.

Zusatzfrage: Das heißt, dieses Zitat wird als wörtliches Zitat in dem von Ihnen benannten beziehungsweise nicht benannten Onlinemedium dargestellt. Das heißt, diese dort als wörtliches Zitat wiedergegebene Aussage stimmt laut Aussage des Auswärtigen Amtes so nicht?

Adebahr: Der Außenminister hat gesagt, dass im Falle eines Scheiterns des JCPOA eine Isolierung drohe. Die Überschrift, die Sie mit "Er droht..." zitiert haben, hat er nicht gesagt.

Frage: Auch zum Thema Iran eine Frage. Die iranische Regierung hat Japan gebeten, im Streit mit den USA zu vermitteln. Ich hätte ganz gerne gewusst, ob es auf der Iran-Reise des Ministers möglicherweise eine Anfrage an Deutschland gab oder ob Herr Maas aktiv selber angeboten hat, zu vermitteln.

Adebahr: Die Diskussion hatten wir vor der Reise, in der ich gesagt habe: Wir sind kein Vermittler. Wir stehen auf einer Seite, und das ist die Seite des JCPOA. Vielleicht so viel zur Begrifflichkeit.

Der Außenminister hat gestern in Stockholm mit seinem japanischen Kollegen gesprochen. Sie haben sich über die Position ausgetauscht, die wir als E3 haben. Jetzt wird diese Reise der japanischen Kollegen nach Teheran stattfinden. Wir hoffen natürlich weiterhin, dass es für das JCPOA eine Zukunft gibt und werden weiter daran arbeiten. Das ist sicher auch Ziel der Bemühungen der japanischen Regierung in Teheran.

Zusatzfrage: Dann verstehen Sie es nicht so, dass Japan eigentlich im klassischen Sinne Vermittler zwischen Iran und den USA ist, sondern auch Unterstützer des Atomabkommens ist und nur Iran zum Festhalten an dem Abkommen bewegen will?

Adebahr: Wie und mit welchen Begrifflichkeiten Japan seine Mission definiert, müssten Sie dort erfragen. Japan ist grundsätzlich ein Unterstützer des Abkommens. Das ist unsere Wahrnehmung. Aber wie die Regierung ihre Aufgabe wahrnimmt und was sie dort genau vorträgt, ist etwas, was, wie ich denke, von dort kommuniziert werden muss.

Frage: Frau Adebahr, Sie waren jetzt in Teheran und haben wahrscheinlich auch den Frust der Iraner bemerken können, dass Sie eben Ihren Verpflichtungen nicht nachgekommen sind, nämlich einer Normalisierung der Wirtschaftsbeziehungen mit dem Iran. Was ist, wenn Sie es trotzdem nicht schaffen, Instex auf die Reihe zu bekommen, um eben eine halbwegs normale Wirtschaftsbeziehung zu dem Iran aufzubauen? Ist dann das JCPOA tot?

Adebahr: Das ist eine hypothetische Was-wäre-wenn-Frage, die von vielen Faktoren abhängig wäre. Deswegen kann ich sie so nicht beantworten. Ich verweise Sie auch gerne auf das, was der Außenminister auf der Reise mehrfach gesagt hat, was für grundsätzliche Befürchtungen wir im Falle eines Scheiterns dieses Abkommens haben.

Zusatzfrage: Frau Adebahr, bis jetzt ist es ein Fakt, dass trotz Instex kein einziger Vertrag zustande gekommen ist. Was wollen Sie jetzt noch in diesem einen Monat schaffen, was Sie bis jetzt in monatelanger Arbeit nicht geschafft haben? Das ist doch keine hypothetische Frage.

Adebahr: Das ist in meiner Wahrnehmung eine andere Frage als die, die Sie eben gestellt haben. Wenn Sie konkret nach dem Zahlungsinstrument Instex fragen, ist es so, dass wir wirklich daran arbeiten, das Instrument zu operationalisieren und auch zuversichtlich sind, dass wir in Bälde dort Zahlungen über diesen Zahlungskanal werden abwickeln können.

Zusatzfrage: Wie lange wird es dauern, bis Sie das auf die Reihe bekommen?

Adebahr: Den Zeithorizont habe ich gerade genannt.

Vorsitzende Buschow: Das BMI hat noch eine Nachlieferung, auch wenn die Kollegin nicht mehr da ist.

Alter: Wir sind nach den Zahlen in Bezug auf ausgereiste IS-Kämpfer gefragt worden. Einige Zahlen werden Sie kennen. Uns liegen Informationen vor, dass etwa 1050 Personen in die Kampfgebiete ausgereist sind. Etwa ein Drittel dieser Personen befindet sich derzeit wieder in Deutschland. Zu 200 Personen liegen Erkenntnisse vor, dass sie dort ums Leben gekommen sind. Wir haben Informationen darüber, dass Personen im oberen zweistelligen Bereich nach Deutschland zurückkehren wollen und/oder dort in den Gebieten im Irak oder in Syrien in Gewahrsam sitzen.

Darüber hinaus habe ich keine aktuellen Zahlen.

Mittwoch, 12. Juni 2019

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Quelle:
Regierungspressekonferenz vom 12. Juni 2019
https://www.bundesregierung.de/breg-de/aktuelles/regierungspressekonferenz-vom-12-juni-2019-1636854
Presse- und Informationsamt der Bundesregierung
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veröffentlicht im Schattenblick zum 15. Juni 2019

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